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Kontroverse Debatte

Woher kommt SARS-CoV-2?

Erbittert wird über die Herkunft von SARS-CoV-2 gestritten. Vieles spricht dafür, dass SARS-CoV-2 auf dem »Huanan Seafood Wholesale Market« in Wuhan von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Aber wirkliche Beweise dafür, dass das Virus kein Laborartefakt ist, hat man nicht. Im Zentrum der Kontroverse steht das Wuhan Institute of Virology in der Nähe des Fischmarktes.
Theo Dingermann
24.04.2022  08:00 Uhr

Am 31. Dezember 2019 wurde die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Patienten mit Lungenentzündung unbekannter Ursache in der chinesischen Stadt Wuhan informiert. Chinesische Behörden hatten am 7. Januar 2020 als Ursache ein neuartiges Coronavirus identifiziert, das heute als SARS-CoV-2 bezeichnet wird. Wie gelangte dieses neue Virus in die menschliche Bevölkerung? In jüngster Zeit haben sich zwei konkurrierende Ideen herauskristallisiert: ein »Labor-Escape«-Szenario und eine zoonotische Ausbreitung.

Den epidemiologischen Daten zufolge war der Huanan-Fischmarkt im Zentrum von Wuhan ein frühes und wichtiges Epizentrum für SARS-CoV-2-Infektionen. Hier wurden auch lebende Wildtiere verkauft, darunter Zibetkatzen und Marderhunde, von denen bekannt ist, dass sie ein Reservoir für Coronaviren darstellen. Nach der Schließung des Marktes ließen sich SARS-CoV-2-Spuren in Umweltproben sicher nachweisen und zwar hauptsächlich im westlichen Teil des Marktes, wo mit Wild- und Haustieren gehandelt wurde (1). In Tierkadavern fand man hingegen kein SARS-CoV-2. Allerdings war die Probennahme nicht repräsentativ für die verkauften Tierarten.

Andererseits stand und steht auch das Wuhan Institute of Virology (WIV) als eines der weltweit führenden Zentren für die Coronavirus-Forschung im Fokus der Diskussion. Dort wurde SARS-CoV-2 erstmals isoliert und sequenziert. Dieses Institut liegt etwa 12 Kilometer vom Huanan-Markt entfernt, sodass man durchaus spekulieren kann, dass ein Laborunfall die Pandemie ausgelöst haben könnte. Dagegen spricht, dass ein früher Infektionscluster in unmittelbarer Nähe des WIV nicht dokumentiert ist.

China hat sich abgeschottet

Woher kommt das Virus, mit dem sich zwischenzeitlich weltweit knapp 500 Millionen Menschen infiziert haben und das für mindestens 6 Millionen Todesfälle verantwortlich ist? Die Aufklärung dieser wichtigen Frage wird nur gelingen, wenn alle relevanten Institutionen und Personen, die mit der Pandemie befasst sind, kooperieren. Dies ist aber nicht der Fall. China fühlte sich durch die Attacken des früheren US-Präsidenten Donald Trump, der immer wieder vom »Wuhan-Virus« oder »chinesischen Virus« gesprochen hatte, massiv gekränkt und untersagte, Informationen beizusteuern.

Dennoch gelang es der Wissenschaftsjournalistin und Molekularbiologin Dr. Jane Qiu, das Vertrauen der Leiterin der Coronaforschung im WIV, der Virologin Professor Shi Zhengli, zu gewinnen. Dank ihrer wissenschaftlichen Expertise und ihrer chinesischen Muttersprache konnte Qiu mit ihr über ihre Forschung und über ihre Erfahrungen seit der Identifizierung von SARS-CoV-2 sprechen (2).

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