Woher kommt SARS-CoV-2? |
Theo Dingermann |
24.04.2022 08:00 Uhr |
Allerdings gab es in der Datenbank noch eine Sequenz einer Probe (später BatCoV RaTG13 genannt), die aus einer Fledermaus der Gattung Hufeisennasen (Rhinolophus affinis) stammte. Diese Probe war auch in der Provinz Yunnan gesammelt worden. Die Sequenz war zu 96,2 Prozent mit der von SARS-CoV-2 identisch.
Dieses Virus hat einen auffälligen Bezug zu einer kleinen lokalen Epidemie, die Ende April 2012 im Umkreis einer verlassenen Kupfermine in der Nähe der Stadt Tongguan auftrat. Sechs Arbeiter, die Fledermausguano in der Mine beseitigt hatten, erkrankten an einer Lungenentzündung, die stationär in einem Krankenhaus in der Provinzhauptstadt Kunming behandelt werden musste. Einer der Arbeiter starb in den ersten zwölf Tagen, zwei erholten sich im Lauf eines Monats und ein weiterer starb wenig später.
Erfahrenen Medizinern war aufgefallen, dass die Labortests und CT-Scans der Bergleute von Mojiang denen von SARS-Patienten sehr ähnelten. Allerdings gelang es den Experten im WIV nicht, ein Coronavirus aus dem Obduktionsmaterial zu isolieren, wie sie in einer »Nature«-Publikation berichteten (5).
Diese Aussage geriet aber unter Verdacht, als im Mai 2020 die Doktorarbeit von Huang Canping aus dem Jahr 2016 auftauchte (6). In seiner Arbeit zitiert er das WIV mit der Behauptung, dass bei vier Mojiang-Bergleuten Antikörper gegen SARS-CoV-1 nachgewiesen worden wären. In den sozialen Medien und in der Presse kam es zu einer Flut von Verdächtigungen, dass Shi versuche, Fakten zu vertuschen.
Die Virologin und ihre Mitarbeiter hingegen versicherten, solche Antikörper nicht gefunden zu haben, räumten aber ein, dass einige frühe Tests »falsch positive Ergebnisse« geliefert hätten. Diese seien nach der Assay-Validierung richtiggestellt worden. Möglicherweise habe sich der Doktorand auf die falsch positiven Ergebnisse bezogen.
Zwischen 2012 und 2015 hatten die Wissenschaftler immer wieder die Mine in der Nähe von Mojiang besucht und 1322 Fledermausproben gesammelt. Fast 300 Proben enthielten Coronaviren. Neun näher charakterisierte Proben gehörten zu den Beta-Coronaviren, zu denen auch SARS-CoV-1 zählt. Allerdings handelte es sich laut Shi auf Basis der Sequenzdaten nicht um »nahe Verwandte«.
Eines der neun Viren, das aus einer Kotprobe mit der Bezeichnung »4991« stammte, hatte eine auffallend unterschiedliche genomische Signatur, war aber auch nur zu 80 Prozent identisch mit SARS-CoV-1. Und nachdem das virale Genom schließlich komplett entschlüsselt war, war die Probe aufgebraucht. Nur die Sequenz war in der Datenbank abgelegt.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.