Woher kommt SARS-CoV-2? |
Theo Dingermann |
24.04.2022 08:00 Uhr |
Im Februar 2021 schickte die WHO ein Expertenteam nach Wuhan, um dem Ursprung von SARS-CoV-2 auf den Grund zu gehen. Der Bericht, der im vergangenen März veröffentlicht wurde, kam zu dem Schluss, dass es »äußerst unwahrscheinlich« sei, dass Covid-19 durch einen Laborunfall verursacht worden sei. Vielmehr schlossen die Experten, dass das Virus wahrscheinlich über einen Zwischenwirt von Fledermäusen auf Menschen übergesprungen sei. Wahrscheinlich sei der Huanan-Markt im Zentrum Wuhans der Ort, an dem alles begann.
Aber die Kritik am Ergebnis der WHO-Delegation ist nicht verstummt. Vielmehr haben die Spekulationen über die Möglichkeit eines Laborunfalls in letzter Zeit deutlich zugenommen.
Dazu beigetragen haben Berichte von US-Beamten, die das Wuhan-Institut im Jahr 2018 inspiziert hatten. Die Inspekteure hatten über Sicherheits- und Managementschwächen in den WIV-Laboratorien berichtet und davor gewarnt, dass die Arbeit an Fledermaus-Coronaviren und deren mögliche Übertragung auf den Menschen das Risiko einer neuen SARS-ähnlichen Pandemie darstellen könnte (7).
Weitere Untersuchungen wurden gefordert, beispielsweise und sehr prominent durch eine Gruppe von 18 Wissenschaftlern, die im Mai 2021 in »Science« einen Brief (8) veröffentlichte und darin Schwachstellen des WHO-Untersuchungsberichts klar benannte. Die Wissenschaftler kritisierten, dass Informationen, Daten und Proben für die erste Phase der WHO-Untersuchung von der chinesischen Hälfte des Teams gesammelt und zusammengefasst wurden. Der Rest des Teams nutzte diese Informationen als Basis für eigene Untersuchungen.
Die Forschung an und mit hochpathogenen Coronaviren erfordert hohe Sicherheitsvorkehrungen. / Foto: Adobe Stock/tuastockphoto
Ein klares Ergebnis brachte die WHO-Untersuchung nicht. Weder ließ sich eine natürliche Übertragung des Virus auf den Menschen noch ein Laborunfall eindeutig belegen. Dennoch, so die Kritiker, bewertete das Team eine zoonotische Übertragung durch einen Zwischenwirt als »wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich« und einen Laborunfall als »äußerst unwahrscheinlich«. Das sei keine ausgewogene Schlussfolgerung, so die Kritiker. Denn im Abschlussbericht und seinen Anhängen wurde die Möglichkeit eines Laborunfalls nur auf vier von 313 Seiten diskutiert.
Auch in Deutschland ist jüngst eine öffentliche Kontroverse zwischen dem Hamburger Physiker Professor Roland Wiesendanger und dem Corona-Experten Professor Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité, entbrannt. Wiesendanger unterstellt Drosten, er vertusche bewusst den Ursprung des Coronavirus. In Interviews mit dem Magazin »Cicero« und der »Neuen Zürcher Zeitung« hatte Wiesendanger behauptet, SARS-CoV-2 stamme aus einem Labor in Wuhan. Das Magazin »Cicero« hat das Interview zwischenzeitlich von seiner Homepage entfernt (9).
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.