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Anästhesie

Wie Narkotika wirken

Die moderne Medizin wäre ohne Narkosen unvorstellbar. Zahlreiche unterschiedliche Substanzen werden inhalativ oder parenteral als Anästhetika eingesetzt – oft kombiniert mit Wirkstoffgruppen wie Muskelrelaxanzien und Opioiden. Ein Überblick über dieses Spezialgebiet der Arzneimitteltherapie.
Anka Röhr
13.11.2022  08:00 Uhr

Die Zahl der stationären operativen Eingriffe steigt stetig; im Jahr 2019 waren es 17,2 Millionen. Operationen sind die häufigste Maßnahme in deutschen Krankenhäusern. Hinzu kommen ambulante Eingriffe, sowohl in Krankenhäusern als auch in ambulanten Versorgungszentren. Deren Zahl liegt zwar weit unterhalb der stationären Eingriffe, verdeutlicht aber, dass Operationen dank sicherer und nebenwirkungsarmer Narkosen auch außerhalb der Vollversorgung möglich sind.

Als man in den 1850er-Jahren die ersten Versuche mit inhalativen Narkotika wie Lachgas, Äther und Chloroform unternahm, revolutionierte das die damalige Medizin. Aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Wandel so weit fortgeschritten, dass Operationen unter Narkose zur Routine in stationären und nicht stationären Einrichtungen wurden. Dies gelang mit neuen Substanzen, aber vor allem auch durch die Möglichkeit, diese Substanzen zielgerichteter zu applizieren und den Patienten dabei optimal zu überwachen.

Trotz des immensen weltweiten Einsatzes ist bis heute nicht abschließend geklärt, wie die bewusstseinsausschaltende Wirkung der Narkotika auf zellulärer Ebene genau funktioniert. Sicher ist, dass die verschiedenen Hirnareale im Normalfall miteinander in Kontakt stehen und über die Aktivität von neuronalen Impulsen kommunizieren. Dieser Kommunikationsweg wird bei einer Vollnarkose durch Hemmung der neuronalen Aktivität in allen Bereichen des zentralen Nervensystems (ZNS) unterbunden. Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem hemmenden GABA-Rezeptor zu, an dem zahlreiche Sedativa und Narkotika angreifen.

Formen der Anästhesie

Verschiedene Effekte sollen bei einer Anästhesie (vom Griechischen: ohne Empfindung) erzielt werden: Sedierung, Bewusstseinsverlust (Hypnose), Immobilisierung, Analgesie und Amnesie. Eine Narkose verbindet immer Analgesie und Hypnose. Eine vollständige Hemmung der Muskeltätigkeit (Muskelrelaxation) ist nicht grundsätzlich notwendig. Falls doch, muss sie mit einer künstlichen Beatmung kombiniert werden.

Grundsätzlich bezeichnet man mit dem Begriff Anästhesie (umgangssprachlich: Narkose) die Ausschaltung des Bewusstseins. Während einer Anästhesie ist der Organismus nicht mehr in der Lage, auf äußere Reize zu reagieren. Betrifft die Ausschaltung das ZNS und das Bewusstsein, liegt eine Allgemeinanästhesie beziehungsweise Vollnarkose vor. Wird der Berührungs-, Tast-, Temperatur- und Schmerzsinn nur in bestimmten Körperregionen ausgeschaltet, spricht man von einer Regionalanästhesie. Beide Formen dürfen nur von einem Anästhesisten (Facharzt für Anästhesie) vorgenommen werden.

Bei der Regionalanästhesie unterscheidet man verschiedene Varianten. Die Spinalanästhesie betrifft beispielsweise die Nerven im Rückenmark. Bei der peripheren Regionalanästhesie (Plexusanästhesie) können einzelne Nerven, die in Schulter, Arm oder Unterschenkel führen, betäubt werden, um Eingriffe dort ohne Vollnarkose ausführen zu können.

Bei der Lokalanästhesie erfolgt ebenfalls eine örtliche Betäubung, aber nur oberflächlich lokal begrenzt, und der Patient ist bei vollem Bewusstsein. Diese Maßnahme kann auch ein Arzt einer anderen Fachrichtung als der Anästhesie ausführen.

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