Wie Narkotika wirken |
Apotheker spielen eine wichtige Rolle im perioperativen Arzneimittelmanagement; dies beginnt bei der Aufnahmeanamnese vor elektiven Eingriffen (Fallbeispiel). Direkt am Aufnahmetag auf Station oder beim Termin zur prästationären Untersuchung (Covid-Abstrich, MRSA-Test, Aufnahmelabor) können sie gemeinsam mit den Patienten die Hausmedikation erfassen. Beim pharmazeutischen Aufnahmegespräch geht es darum zu klären, mit welcher Dauermedikation der Patient stationär aufgenommen wird.
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Bei dem 68-jährigen Herrn P. wurde aufgrund langjähriger Schmerzen bei Hüftgelenksarthrose die Indikation für einen Hüftgelenksersatz gestellt. Eine ebenfalls lang bestehende, aber gut eingestellte rheumatoide Arthritis sowie eine Hypertonie gehören zu seinen Grunderkrankungen. Vier Tage vor dem geplanten Eingriff ist er zur Vorbesprechung angemeldet und soll seinen Medikationsplan mitbringen.
Beim Termin in der Prämedikationssprechstunde erfolgen eine Routineblutabnahme, ein MRSA-Nasenabstrich sowie ein Covid-Abstrich. Außerdem hat Herr P. ein Aufnahmegespräch mit einer Apothekerin sowie mit der Anästhesistin und einem Chirurgen. Da sein Hausarzt einen bundeseinheitlichen Medikationsplan erstellt hat, kann die Apothekerin diesen per QR-Code-Scan in die elektronische Verordnung überführen. Sie erfragt weitere im Plan nicht erfasste OTC-Medikamente und ergänzt den Applikationstag von Etanercept, da die Medikation mit »alle sieben Tage« angegeben ist. Zusätzlich zum TNFα-Blocker Etanercept bekommt Herr P. niedrig dosiertes Prednisolon 4 mg/Tag und Ramipril 5 mg einmal täglich. Am Morgen des Vorgesprächs hat er Etanercept gespritzt. Aus der aktuellen Medikation des Patienten ergeben sich keine relevanten Wechselwirkungen; ein Abgleich mit der aktuellen Nierenfunktion zeigt keinen Handlungsbedarf.
Beim Gespräch mit dem Anästhesisten ergibt sich jedoch eine Unsicherheit bezüglich einer möglichen Pausierung der antirheumatischen Medikation. Die Apothekerin hat aber bereits hinterlegt, dass das niedrig dosierte Glucocorticoid und auch Etanercept weitergeführt werden können. Obwohl Rheumapatienten ein erhöhtes postoperatives Infektionsrisiko haben, ist gemäß den aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften eine Pause bei gut eingestellter Grunderkrankung und niedrig dosiertem Glucocorticoid nicht grundsätzlich notwendig. Da der Eingriff einige Tage nach Verabreichung der wöchentlichen Etanercept-Dosis erfolgt, ist der empfohlene Abstand zur Operation von einer Halbwertszeit (etwa 70 h) gegeben. Am nächsten geplanten Applikationstag nach der OP kann die Therapie bei unauffälligen Wundverhältnissen weitergeführt werden, damit kein Risiko für einen Rheumaschub entsteht.
Da das perioperative Pausieren von Antirheumatika eine individuelle Nutzen-Risiko-Bewertung erfordert, hat sich die Apothekerin zusätzlich beim behandelnden Rheumatologen zum vorgeschlagenen Prozedere rückversichert. Ihr schriftlicher Vermerk zum perioperativen Umgang mit der Medikation ist in der elektronischen Patientenakte hinterlegt und für alle Beteiligten einsehbar.
Da Apotheker einen wesentlich engeren Bezug zu Arzneimitteln haben als Pflegekräfte, die in der Regel sonst die Medikation der Patienten erfragen und hinterlegen, können bereits an dieser Stelle Unklarheiten in der bestehenden Arzneimitteltherapie beseitigt werden. Das Spektrum reicht von der Korrektur von Schreibfehlern in Präparatenamen bis hin zum Erfragen der kompletten Medikation, zum Beispiel über den Hausarzt. Aktuelle, gut leserliche, optimalerweise nach den Angaben des bundeseinheitlichen Medikationsplans erstellte Medikationspläne erleichtern die Arbeit. Im Gespräch sollen zudem freiverkäufliche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel berücksichtigt werden, die häufig nicht im Medikationsplan des Arztes stehen.
Unerlässlich vor jeder Narkose: Aufklärungsgespräch und dessen Dokumentation / Foto: Adobe Stock/Wissmann Design
Die Medikation kann, falls vorhanden, in der elektronischen Patientenakte dokumentiert oder bei papiergestützten Dokumentationssystemen in Form von pharmazeutischen Konsilen erfasst werden.
Im nächsten Schritt können Apotheker eine Umstellung auf eine adäquate Klinikmedikation vorschlagen. Dabei lassen sich die Laboruntersuchungen direkt zur Kontrolle der Nierenfunktion und eventuell Anpassung der Arzneimitteltherapie heranziehen. Ein Interaktionscheck sowie Vorschläge zum perioperativen Umgang mit kritischen Wirkstoffen wie den direkten orale Antikoagulanzien runden die Arzneimittelanamnese ab. Findet diese vor dem Prämedikationsgespräch mit dem Anästhesisten statt, hat dieser die komplette Medikation bereits in korrekter Form vorliegen.
Optimalerweise begleiten Apotheker die Arzneimitteltherapie der Patienten weiter und sind im Entlassprozess ebenfalls eingebunden. Immer mehr Kliniken schätzen diese pharmazeutische Dienstleistung und stellen dafür Personal zur Verfügung.