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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Xylometazolin

Xylometazolin ist der am häufigsten verordnete Wirkstoff zum Abschwellen der Nasenschleimhaut und besonders während der Schnupfensaison sehr gefragt. Doch frei von Risiken ist der Arzneistoff nicht.
Carolin Lang
18.11.2020  07:00 Uhr

Was ist das Einsatzgebiet von Xylometazolin?

Der Arzneistoff ist als Xylometazolinhydrochlorid in Nasenspray, -tropfen und -gel im Handel. Er wird lokal zur Abschwellung der Nasenschleimhaut bei Schnupfen (Rhinitis acuta), anfallsweise auftretendem Fließschnupfen (Rhinitis vasomotorica), allergischem Schnupfen (Rhinitis allergica) sowie zur Erleichterung des Sekretabflusses bei Entzündungen der Nasennebenhöhlen eingesetzt. Eine weitere Indikation ist ein Katarrh des Tubenmittelohrs in Verbindung mit Schnupfen.

Wie wirkt Xylometazolin?

Das Imidazolin-Derivat ist ein α-Sympathomimetikum und wirkt agonistisch an α1- und α2-Rezeptoren. Durch die Stimulation der Rezeptoren kommt es zu einer Vasokonstriktion und somit bei lokaler Anwendung in der Nase zu einem Abschwellen der Nasenschleimhaut. Die Wirkung setzt nach etwa fünf Minuten ein und hält zwischen fünf und acht Stunden an.

Wie ist Xylometazolin zu dosieren?

Xylometazolin ist für verschiedene Altersgruppen in den Konzentrationen 0,25, 0,5 und 1 mg/ml erhältlich. Die niedrigste Konzentration ist prinzipiell für Säuglinge und Kleinkinder bestimmt und verfügbar im Fertigarzneimittel Otriven®. Da es durch fehlerhafte Anwendung der Dosierpipette allerdings häufiger zu Überdosierungen bei Säuglingen kam, ist das Präparat seit Kurzem bei Kindern unter einem Jahr kontraindiziert, bis der Hersteller Glaxo-Smith-Kline den Applikator entsprechend verbessert hat. Pharmazeutisches Personal sollte bei der Abgabe von Nasentropfen für Kinder generell auf die Gefahr einer möglichen Überdosierung hinweisen und die korrekte Anwendung erklären. Für Kinder zwischen zwei und sechs Jahren sind Präparate mit einer Konzentration von 0,05 Prozent Xylometazolin zugelassen. Die höchste Konzentration von 0,1 Prozent können sowohl Schulkinder als auch Erwachsene anwenden. Generell sollte maximal drei Mal täglich ein Sprühstoß oder ein Tropfen Lösung beziehungsweile Gel in jede Nasenöffnung gegeben werden. Die Anwendungsdauer sollte sieben Tage nicht überschreiten.

Welche Folgen kann ein Dauergebrauch von Xylometazolin haben?

Eine längere Anwendung und Überdosierung von abschwellenden Nasensprays kann zu einer reaktiven Hyperämie – also einer verstärkten Durchblutung – der Nasenschleimhaut führen. Diesen sogenannten Rebound-Effekt empfinden Betroffene als verstopfte Nase, was sie gegebenenfalls zu einer erneuten Anwendung des Nasensprays verleitet. Der Effekt kann durch das Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid verstärkt werden. Der Dauergebrauch kann letztlich zur sogenannten Rhinitis medicamentosa, also zu einer chronischen Schwellung der Nasenschleimhaut bis hin zu Schleimhautatrophien, führen.

Was ist in Schwangerschaft und Stillzeit zu beachten?

Laut embryotox.de, der Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, ist eine indikationsgerechte, kurzzeitige Anwendung von Xylometazolin in therapeutischer Dosierung während der gesamten Schwangerschaft möglich. Fetotoxische Effekte seien bei normaler Dosierung nicht bekannt. Bei wesentlich höherer Dosierung können systemische Wirkungen wie eine Vasokonstriktion der Uterusgefäße und eine Minderperfusion der Plazenta mit Hypoxie und Bradykardie beim Feten allerdings nicht ausgeschlossen werden. Daten zum Übergang in die Muttermilch liegen dem Pharmakovigilanzzentrum nicht vor, jedoch wird aufgrund der lokalen Anwendung und der geringen resorbierten Menge allenfalls mit einem geringen Übergang in die Muttermilch gerechnet. Bei entsprechender Indikation könne Xylometazolin in üblicher Dosierung somit auch in der Stillzeit kurzzeitig angewendet werden.

Welche Nebenwirkungen kann Xylometazolin haben?

Als häufige Nebenwirkungen sind eine brennende und trockene Nasenschleimhaut sowie Niesen bekannt. Systemische Nebenwirkungen sind bei korrekter Applikation und Dosierung aufgrund der lokalen Anwendung kaum zu erwarten. Neugeborene und junge Säuglinge sollten mit besonderer Vorsicht behandelt werden, da einzelne Berichte zu schweren Nebenwirkungen wie Atemlähmung bei der Behandlung mit therapeutischen Dosen vorliegen. Dosisüberschreitungen sind daher unbedingt zu vermeiden.

Wann sollte Xylometazolin nicht angewendet werden?

Bei Rhinitis sicca, einer trockenen Entzündung der Nasenschleimhaut, sollte der Wirkstoff nicht zur Anwendung kommen. Auch nach operativen Eingriffen, die die äußerste Hirnhaut (Dura Mater) freilegen, ist der Arzneistoff kontraindiziert. Eine vorsichtige Dosierung und sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung sollte außerdem bei Patienten erfolgen, die blutdrucksteigernde Arzneimittel einnehmen, unter erhöhtem Augeninnendruck, schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einem Phäochromozytom, Prostatahyperplasie oder Stoffwechselstörungen wie Hyperthyreose oder Diabetes mellitus leiden. Patienten mit Long-QT-Syndrom, die mit Xylometazolin behandelt werden, haben möglicherweise ein erhöhtes Risiko für schwere ventrikuläre Arrhythmien.

Welche Wechselwirkungen mit Xylometazolin sind möglich?

Die kombinierte Anwendung von Xylometazolin und trizyklischen Antidepressiva, Monoaminooxidase-Hemmern vom Tranylcypromin-Typ und blutdrucksteigernden Arzneimitteln kann zu einer Blutdruckerhöhung führen und sollte daher möglichst vermieden werden.

War Xylometazolin schon einmal auf dem Mond?

Auch Astronauten wollen keine verstopfte Nase haben. Deshalb packte die NASA 1969, als sie die Bordapotheke für die Mondmission Apollo 11 zusammenstellte, auch abschwellende Nasentropfen mit hinein. Sie gab dabei einem anderen Imidazolin-Derivat den Vorzug vor Xylometazolin: Oxymetazolin. Dieses war von Mitarbeitern der Firma E. Merck Aktiengesellschaft in Darmstadt nach dem Vorbild des Xylometazolins entwickelt worden, hat aber eine längere Wirkdauer von bis zu zwölf Stunden.

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