Sumatriptan |
Ruhe und Dunkelheit wünschen sich viele Patienten während einer Migräneattacke am meisten. Triptane helfen vielfach gegen die akuten Beschwerden. Das Migränemittel Sumatriptan ist seit Oktober 2020 in Packungen mit zwei Tabletten à 50 mg nicht mehr verschreibungspflichtig.
Sumatriptan ist die Leitsubstanz der Triptane, die als Anfallstherapeutika bei Migräne eingesetzt werden. Es ist ein selektiver Agonist an bestimmten Serotonin-Rezeptoren, den 5-Hydroxytryptamin1-like-Rezeptoren der Subtypen 5-HT1B und 5-HT1D. Als wahrscheinlicher Auslöser von Migräneattacken gilt eine Dilatation beziehungsweise Ödembildung in Blutgefäßen, die unter anderem die sehr schmerzempfindliche Hirnhaut versorgen. Triptane bewirken eine Vasokonstriktion dieser Gefäße. Experimentellen Daten zufolge hemmen sie zudem den Trigeminusnerv. Beides zusammen trägt vermutlich zur anfallskupierenden Wirkung der Triptane bei.
Triptane sollten so früh wie möglich zu Beginn eines Migräneanfalls angewendet werden. Die empfohlene Dosis bei oraler Applikation von Sumatriptan ist 50 mg. Bei schweren Migräneanfällen können auch 100 mg als Einzeldosis notwendig sein, dies wird jedoch für das OTC-Präparat nicht empfohlen. Nach circa 30 bis 45 Minuten sollte eine Besserung der Beschwerden eintreten. Bleibt sie aus, soll der Patient während derselben Attacke keine weitere Dosis Sumatriptan einnehmen und stattdessen gegebenenfalls auf Paracetamol oder ein nicht steroidales Antirheumatikum (NSAR) ausweichen. Künftige Migräneanfälle können dann wieder mit Sumatriptan behandelt werden. Sind die Beschwerden infolge der ersten Dosis abgeklungen, dann aber wieder aufgetreten, kann der Patient innerhalb von 24 Stunden eine zweite Dosis einnehmen, wenn mindestens zwei Stunden zwischen den beiden Einnahmen liegen. Die maximale Tagesdosis beträgt 300 mg (Rx) beziehungsweise 100 mg (OTC). Patienten sind an einen Arzt zu verweisen, wenn die Kopfschmerzen länger als 24 Stunden anhalten oder sie vier oder mehr Attacken pro Monat erleiden.
In verschreibungspflichtigen Präparaten ist Sumatriptan außer in Tablettenform (50 und 100 mg pro Einzeldosis) auch als Nasenspray (10 und 20 mg pro Einzeldosis), Zäpfchen (25 mg pro Einzeldosis) und Injektionslösung (6 mg pro Einzeldosis zur subkutanen Anwendung im Autoinjektor) verfügbar. Nach subkutaner Gabe tritt die Wirkung bereits nach zehn Minuten ein.
Zu den häufigen Nebenwirkungen von Sumatriptan gehören ein vorübergehender Blutdruckanstieg kurz nach der Anwendung, Gesichtsrötung (Flush), Schwindel, Sensibilitätsstörungen, ein Schwere-, Hitze-, Kälte-, Druck- oder Engegefühl in verschiedenen Körperteilen inklusive der Brust und dem Hals.
Die durch Triptane ausgelöste Vasokonstriktion stellt bei bestimmten Grunderkrankungen eine Gefahr dar. So ist Sumatriptan kontraindiziert bei Patienten mit Herzinfarkt in der Vorgeschichte oder mit ischämischer Herzkrankheit, koronaren Vasospasmen (Prinzmetal-Angina), peripheren vaskulären Erkrankungen, mittelschwerem bis schwerem Bluthochdruck oder leichtem unkontrollierten Bluthochdruck. Auch bei Patienten mit Schlaganfall oder vorübergehenden ischämischen Attacken (TIA) in der Krankheitsgeschichte soll der Wirkstoff nicht angewendet werden.
Zusätzlich zu diesen Gegenanzeigen, die sich in der Fachinformation von verschreibungspflichtigen Sumatriptan-Präparaten finden, enthält die Packungsbeilage der OTC-Präparate noch folgende Kontraindikationen: atypische Migräne, Vorbeugung der Migräne, Epilepsie beziehungsweise Krampfanfälle, Alter unter 18 oder über 65 Jahre, Überempfindlichkeit gegenüber Sulfonamiden, Nieren- und Leberfunktionsstörungen.
Wie alle anderen Kopfschmerzmittel können auch die Triptane bei übermäßigem Gebrauch zu einer Verstärkung der Kopfschmerzen führen. Besteht der Verdacht auf einen solchen Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerz, ist der Patient an einen Arzt zu verweisen. Apotheker sind hier besonders in der Pflicht, wenn es um OTC-Präparate geht.
Aufgrund des Risikos koronarer Vasospasmen ist die gleichzeitige Anwendung von Sumatriptan und Mutterkornalkaloiden kontraindiziert. Da am Abbau von Sumatriptan die Monoaminoxidase (MAO) beteiligt ist, kann der Wirkstoff bei gleichzeitiger Anwendung mit einem MAO-Hemmer akkumulieren; das Triptan darf deshalb frühestens zwei Wochen nach dem Absetzen eines MAO-Hemmers erstmals eingenommen werden. Werden Triptane und selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) oder Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) kombiniert, kann es in seltenen Fällen zu einerm Serotoninsyndrom kommen. Auch diese Kombination ist daher möglichst zu vermeiden. Aus demselben Grund sollte auch Johanniskraut nicht zusammen mit Sumatriptan angewendet werden.
Laut Fachinformation darf Sumatriptan in der Schwangerschaft angewendet werden, allerdings nur, wenn der zu erwartende Nutzen für die Mutter ein mögliches Risiko für das Kind überwiegt. Dieses scheint gering zu sein. So heißt es auf embryotox.de, der Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité: »Insgesamt scheint Sumatriptan mit keinem erhöhten Risiko für Frühgeburten, verringertem Geburtsgewicht sowie Präeklampsie assoziiert zu sein.«
Auch in der Stillzeit scheint eine Anwendung laut embryotox.de möglich zu sein: »Wirken bei Migräne Ibuprofen oder Paracetamol (gegebenenfalls in Kombination mit Coffein) unzureichend, kann Sumatriptan als bevorzugtes Triptan eingenommen werden.« Weder die Anwendung in der Schwangerschaft noch in der Stillzeit sollte jedoch ohne ärztliche Kontrolle erfolgen.
Als das britische Pharmaunternehmen Glaxo Sumatriptan 1993 unter dem Handelsnamen Imigran® auf den Markt brachte, stellte das einen Paradigmenwechsel in der Therapie von akuten Migräneanfällen dar. Das Triptan war dem damaligen Therapiestandard – Mutterkornalkaloide oder NSAR in Kombination mit Metoclopramid – sowohl bezüglich der Verträglichkeit als auch der Wirksamkeit in vielen Fällen überlegen. Kritisiert wurde allerdings der hohe Preis von bis zu 150 DM pro Migräneattacke. So bezeichnete das Arznei-Telegramm Sumatriptan als das »Milliardending« und betonte, dass der neue Wirkstoff nur bei mangelnder Effektivität der bereits verfügbaren Alternativen zum Einsatz kommen sollte. Mittlerweile sind neben Sumatriptan noch sechs andere Triptane verfügbar: Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan und Zolmitriptan. Sie unterscheiden sich unter anderem bezüglich der Schnelligkeit des Wirkeintritts, der Halbwertszeit und der Wirkstärke.
Ab dem 1. Oktober sind drei Triptane ohne Rezept erhältlich: Almotriptan (12,5 mg Tabletten), Naratriptan (2,5 mg Tabletten) und Sumatriptan. Almo- und Sumatriptan sind dabei, was die Wirkstärke angeht, vergleichbar, während Naratriptan etwas schwächer wirksam ist. Auch bezüglich der Schnelligkeit des Wirkeintritts bilden Almo- und Sumatriptan ein Paar: Bei ihnen ist nach circa 45 Minuten mit einer Wirkung zu rechnen, bei Naratriptan dagegen erst nach bis zu vier Stunden. Naratriptan hat dafür eine längere Halbwertszeit, weshalb es bei Anwendung dieses Triptans tendenziell seltener zu einer Wiederkehr der Kopfschmerzen kommt.