Neue Einsatzgebiete in der Psychiatrie |
Psychoaktive Stoffe können einigen Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen helfen. Sie müssen aber immer in eine Psychotherapie eingebettet sein. Von Selbstversuchen ist dringend abzuraten. / Foto: Getty Images/frédéric Michel
Psychoaktive Substanzen sind chemische Verbindungen, die auf das zentrale Nervensystem einwirken und die Wahrnehmung, das Denken und Bewusstsein sowie die Emotionen verändern können. Die Substanzen können sowohl natürlichen Ursprungs sein, zum Beispiel das psychoaktive Tetrahydrocannabinol (THC) in Cannabis, als auch synthetisch hergestellt sein wie MDMA (3,4-Methylendioxymethamphetamin) oder LSD (Lysergsäurediethylamid). Zu den psychoaktiven Stoffen zählen auch Alkohol, Opioide (Beispiel Heroin), Beruhigungs- und Schlafmittel (Sedativa und Hypnotika), Kokain und andere legale und illegale Stimulanzien (anregende Substanzen) einschließlich Koffein, Halluzinogene wie Meskalin und Psilocybin, Tabak und flüchtige Lösungsmittel.
Die Wirkungen psychoaktiver Substanzen sind äußerst vielfältig und reichen von Euphorie und Entspannung bis hin zu Halluzinationen und gesteigerter Wachsamkeit. Diese Verbindungen werden aus verschiedenen Gründen konsumiert, unter anderem bei Freizeitaktivitäten (»recreational«), kulturellen Ritualen, zu spirituellen Erfahrungen oder aufgrund medizinischer Indikationen. Bei höherer Dosierung können sie akute Vergiftungen auslösen sowie teilweise lebensgefährliche Effekte haben – bis hin zu Atemstillstand und Kreislaufversagen.
Neuerdings finden einige psychoaktive Substanzen vermehrt Beachtung, da sie bei manchen psychischen Erkrankungen im Rahmen einer psycholytischen Therapie eingesetzt werden. Diese Idee ist bereits 100 Jahre alt (Kasten). Durch das Verbot von Psilocybin und LSD wurden jedoch alle Forschungen auf diesem Gebiet über Jahrzehnte gestoppt.
Foto: Getty Images/Jane Khomi
Die Geschichte der psycholytischen Therapie reicht bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück und ist eng mit der Erforschung von psychedelischen Substanzen verbunden.
Die Verwendung von psychedelischen Substanzen in der Therapie begann in den 1950er-Jahren. Der Psychiater Humphry Osmond führte Versuche mit LSD durch. Später entwickelte der Psychiater Stanislav Grof die »Holotrope Atmung« als Methode zur psycholytischen Therapie, die ohne psychedelische Substanzen auskommt.
Blütezeit: In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden psychedelische Substanzen wie LSD und Psilocybin in der Psychiatrie und Psychotherapie intensiv erforscht. Behandelt wurden psychische Erkrankungen wie Angstzustände, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen.
Der Harvard-Psychologe Timothy Leary trug wesentlich zur Popularisierung von LSD in den 1960er-Jahren bei. Seine Betonung der Selbstentfaltung und des spirituellen Wachstums führte zu einem breiten Missbrauch der Substanz und letztlich zur Kriminalisierung von LSD und anderen Psychedelika.
In den späten 1960er-Jahren wurden psychedelische Substanzen in vielen Ländern verboten, was die psycholytische Therapieforschung abrupt beendete.
Ab dem späten 20. und im frühen 21. Jahrhundert begann die wissenschaftliche Forschung zu Psychedelika und zur psycholytischen Therapie wieder zu erstarken. Neue Studien sollten das Potenzial dieser Substanzen bei Angsterkrankungen, Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen untersuchen.