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Psychoaktive Stoffe

Neue Einsatzgebiete in der Psychiatrie

Psychoaktive Substanzen wie Psilocybin, MDMA und (Es-)Ketamin können Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen helfen. Es gibt bereits erste Zulassungen – mit hohen Auflagen. Die sogenannten neuen psychoaktiven Substanzen stellen jedoch immer ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar.
Martina Hahn
Sibylle C. Roll
03.03.2024  08:00 Uhr

Psychoaktive Substanzen sind chemische Verbindungen, die auf das zentrale Nervensystem einwirken und die Wahrnehmung, das Denken und Bewusstsein sowie die Emotionen verändern können. Die Substanzen können sowohl natürlichen Ursprungs sein, zum Beispiel das psychoaktive Tetrahydrocannabinol (THC) in Cannabis, als auch synthetisch hergestellt sein wie MDMA (3,4-Methylendioxymethamphetamin) oder LSD (Lysergsäurediethylamid). Zu den psychoaktiven Stoffen zählen auch Alkohol, Opioide (Beispiel Heroin), Beruhigungs- und Schlafmittel (Sedativa und Hypnotika), Kokain und andere legale und illegale Stimulanzien (anregende Substanzen) einschließlich Koffein, Halluzinogene wie Meskalin und Psilocybin, Tabak und flüchtige Lösungsmittel.

Die Wirkungen psychoaktiver Substanzen sind äußerst vielfältig und reichen von Euphorie und Entspannung bis hin zu Halluzinationen und gesteigerter Wachsamkeit. Diese Verbindungen werden aus verschiedenen Gründen konsumiert, unter anderem bei Freizeitaktivitäten (»recreational«), kulturellen Ritualen, zu spirituellen Erfahrungen oder aufgrund medizinischer Indikationen. Bei höherer Dosierung können sie akute Vergiftungen auslösen sowie teilweise lebensgefährliche Effekte haben – bis hin zu Atemstillstand und Kreislaufversagen.

Neuerdings finden einige psychoaktive Substanzen vermehrt Beachtung, da sie bei manchen psychischen Erkrankungen im Rahmen einer psycholytischen Therapie eingesetzt werden. Diese Idee ist bereits 100 Jahre alt (Kasten). Durch das Verbot von Psilocybin und LSD wurden jedoch alle Forschungen auf diesem Gebiet über Jahrzehnte gestoppt.

Einige Definitionen

Der Begriff »psycholytisch« (griechisch: psyche = Seele, lysis = Lösung, Auflösung) bezieht sich in der Psychotherapie auf eine bestimmte psychotherapeutische Methode. Diese zielt darauf ab, unter Zuhilfenahme psychedelischer Substanzen emotionale Blockaden und tiefgreifende psychische Konflikte zu lösen.

Das Wort »psychedelisch« (griechisch: psyche = Seele, delein = offenbaren) bezieht sich auf eine Klasse von Substanzen oder Erfahrungen, die das Bewusstsein verändern und intensivere sensorische Wahrnehmungen, veränderte Denkmuster und eine erweiterte Selbstwahrnehmung hervorrufen können. Dies lässt sich durch psychoaktive Substanzen auslösen.

Psychoaktive Substanzen sind Chemikalien, die das zentrale Nervensystem beeinflussen und Veränderungen in Denkweise, Stimmung, Wahrnehmung und Bewusstseinszustand einer Person hervorrufen können.

»Neue psychoaktive Substanzen« (NPS), auch als Designerdrogen oder Legal Highs bezeichnet, sind psychoaktive Substanzen, die chemisch so verändert wurden, dass sie ähnliche Wirkungen wie bereits existierende Drogen erzeugen, aber oft nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.

Zulassungen bei psychischen Erkrankungen

In den letzten Jahren gab es ein verstärktes Interesse an psychedelischen Substanzen in der Therapie. Klinische Studien verliefen vielversprechend. Psilocybin und MDMA wurde in einigen Ländern für die Behandlung von Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen zugelassen. Anders als bei der klassischen Psychedelika-Therapie, bei der höhere Dosen für tiefgreifende spirituelle Erfahrungen eingesetzt werden, zielt die psycholytische Therapie darauf ab, mit moderaten Dosen den therapeutischen Prozess zu fördern.

Warum dieser neue Versuch bei Indikationen wie Depression und posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS)? Rund 30 Prozent der depressiven Patienten sind therapieresistent, sprechen also nicht auf Antidepressiva oder Psychotherapie an. Ähnlich ist es bei PTBS (1).

In den letzten zehn Jahren ist kein wirklich innovatives Antidepressivum auf den Markt gekommen. Ein Trend ist daher, bekannte Stoffe weiter zu untersuchen. So hat das Gichtmedikament Allopurinol Eingang in die Behandlung der bipolaren Erkrankung gefunden (2). Esketamin, ein Kurzzeitanästhetikum, ist in Deutschland zugelassen bei therapieresistenter Depression und bietet einen ersten pharmakotherapeutischen Ansatz neben der Elektrokonvulsionstherapie (3).

Wie wirkt die psycholytische Therapie?

Während einer psycholytischen Sitzung werden die Klienten unter ärztlicher Aufsicht dazu ermutigt, in ihre inneren Gedanken- und Gefühlswelten einzutauchen, während die psychoaktive Substanz ihre Wahrnehmung und ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion erweitert. Dies kann dazu beitragen, tief verwurzelte psychische Probleme wie Traumata, Ängste oder Depressionen zu bearbeiten und das emotionale Wohlbefinden der Patienten positiv zu beeinflussen. Unerlässlich sind eine einfühlsame therapeutische Beziehung und eine sichere Umgebung. Gerade bei PTBS wurden Versuche mit MDMA und Ketamin unternommen; Antidepressiva wirken hier nur mit sehr geringer Effektstärke (1).

Die psycholytische Therapie kann als Ergänzung zu herkömmlichen psychotherapeutischen Ansätzen gesehen werden und zeigt vielversprechende Ergebnisse bei verschiedenen Erkrankungen.

In der Episode-Studie, an der auch deutsche Studienzentren teilnehmen, werden – nach einer mehrwöchigen Vorbereitungsphase mit regelmäßigen psychotherapeutischen Gesprächen und Psychoedukation – zwei sechsstündige Psilocybin-Sitzungen im Abstand von sechs Wochen angeboten. Die Probanden erhalten dabei 5 oder 25 mg Psilocybin. Nach sechs und zwölf Monaten erfolgen Nachuntersuchungen. Eine andere Studie untersuchte die Wirkung einer Einmalgabe von 25 mg, 10 mg oder 1 mg (4). Auch hier gab es eine mehrwöchige Vorbereitungs- und eine Nachbereitungsphase mit spezifischen psychotherapeutischen Sitzungen.

Langzeiteffekte dieser Therapien sind noch völlig unbekannt. In den vorliegenden Studien sieht man ein Nachlassen der Wirkung nach etwa zwölf Wochen (4). Umso mehr sind aktuell noch Zurückhaltung und Vorsicht geboten.

Die Anwendung von psychoaktiven Substanzen darf nur unter strenger ärztlicher Aufsicht und in einem legalen ethischen Rahmen erfolgen. Therapeuten müssen eine spezielle Schulung absolviert haben. Das ist sehr ressourcenaufwendig. Bei der Bewertung von Studiendaten darf diskutiert werden, wie groß der Effekt wäre, wenn ein Patient acht Stunden Zuwendung durch einen Psychotherapeuten (ohne psychoaktive Substanz) erhalten würde. Aktuell sind in Deutschland in psychiatrischen Kliniken nur 50 Minuten Psychotherapie pro Woche vorgesehen.

Die Studienergebnisse mit insgesamt noch wenigen Probanden unterliegen vermutlich einem erheblichen Bias, da sich nur ein bestimmtes Klientel für den Einsatz von psychedelischen Substanzen im Rahmen von Studien zur Verfügung stellt. Eine Verblindung ist aufgrund der psychedelischen Wirkung schwer möglich. Auch die eingesetzten Messinstrumente wie der MADRS- oder HamD-Score zielen durch die dort gestellten Fragen (Beispiel: »Hat sich der Schlaf in der letzten Woche verbessert?«) eigentlich auf langsame antidepressive Effekte ab; sie sind also für so schnell einsetzende Effekte ungeeignet. Studienergebnisse sind daher mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren.

Von Selbstversuchen mit psychoaktiven Substanzen ohne therapeutische Begleitung ist dringend abzuraten. Die Studien belegen die Wirkung nur bei therapeutischer Intervention während des bewusstseinserweiterten Zustands. Nach der Einnahme kann es zu plötzlichen Suizidgedanken oder psychotischen Zuständen kommen, sodass auch deswegen ein besonderes Setting erforderlich ist.

Psilocybin bei schweren Depressionen

Psilocybin ist der psychoaktive Wirkstoff in magischen Pilzen (Gattung Psilocybe, über 180 Arten bekannt). Sein Einsatz bei Depressionen hat in den letzten Jahren eine wachsende wissenschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. In Australien ist Psilocybin für die Behandlung einer therapieresistenten Depression zugelassen. Ein Fertigpräparat existiert nicht; Apotheken müssen entsprechende Kapseln herstellen.

Psilocybin wird oft in psychedelischen Therapien in einer kontrollierten Umgebung unter sorgfältiger Aufsicht von geschulten Fachleuten eingesetzt. Diese Therapie zielt darauf ab, traumatische Erinnerungen und tiefsitzende Emotionen zu bearbeiten.

Es kann die Neuroplastizität des Gehirns bereits bei Einmalgabe erhöhen; dies kann dazu beitragen, festgefahrene Denkmuster und negative Gedankenmuster bei Menschen mit Depressionen zu durchbrechen. Eine der bemerkenswerten Wirkungen von Psilocybin ist die vorübergehende Auflösung des Egos; dies kann es den Patienten ermöglichen, ihre Probleme und Ängste aus einer objektiveren Perspektive zu betrachten.

Im Gegensatz zu vielen Antidepressiva kann Psilocybin 25 mg die depressiven Symptome rasch lindern, manchmal bereits nach einer einzigen Sitzung. Die Wirkung kann über Wochen oder Monate anhalten. Die synaptische Dichte nimmt schon nach der ersten Gabe deutlich zu. Aber nicht jeder Mensch ist für diese Therapie geeignet. Wichtige Kontraindikationen sind Psychosen, Manien, Abhängigkeitserkrankungen und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung in der Vorgeschichte.

In Deutschland wird Psilocybin aktuell zur Behandlung therapieresistenter Depressionen beforscht. Multizentrische Studienergebnisse zeigen, dass selbst eine Einmalgabe einen lang anhaltenden antidepressiven Effekt erzielen kann. In den USA laufen Phase-III-Studien. Die FDA hat ein beschleunigtes Zulassungsverfahren in Aussicht gestellt, da Psilocybin als »breakthrough«-Arzneimittel bei therapieresistenter Depression eingestuft wurde.

Cannabis in der Psychiatrie

Die Droge Cannabis enthält unterschiedliche Verbindungen, darunter Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD), die auf das endogene Endocannabinoid-System im Gehirn einwirken. THC erhöht das Risiko für diverse psychische Erkrankungen. Daher ist vor allem das nicht psychoaktive CBD interessant. Es könnte nach aktuellen Studien potenziell zur Behandlung mehrerer psychischer Erkrankungen beitragen (5).

In der Psychiatrie wird CBD vor allem in Bezug auf Angsterkrankungen, Schlafstörungen, posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und Schizophrenie erforscht. Einige Studien deuten darauf hin, dass es beruhigend wirken und Angstsymptome lindern kann. Es kann Schlaflosigkeit und Albträume bei PTBS-Patienten reduzieren. Phase-II-Studien zur Behandlung von Angsterkrankungen mit CBD-THC-Mischungen mit nur sehr geringem THC-Anteil sind bereits abgeschlossen und zeigen positive Ergebnisse (6).

Allerdings sind die Ergebnisse aus Studien gemischt und es gibt immer noch erhebliche Unsicherheiten über Langzeitwirkungen, die optimale Dosierung und potenzielle Risiken von Cannabis in der Behandlung von psychischen Erkrankungen. Darüber hinaus kann der Missbrauch zu psychotischen Störungen und zur Abhängigkeit führen.

Die meisten CBD-Produkte sind als Kosmetika, Aroma- oder Mundöle im Handel und gar nicht zur Einnahme bestimmt. In vielen konnte zudem ein höherer THC-Gehalt festgestellt werden als zugelassen (0,2 Prozent). Von der Einnahme ist daher abzuraten. Sind CBD-Produkte zum Einnehmen vorgesehen, benötigen sie eine Zulassung der Europäischen Union als neuartiges Lebensmittel. Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit prüfte mehrere Herstelleranträge, doch im Juni 2022 wurde das Verfahren vorerst gestoppt.

CBD verursacht viele pharmakokinetische Interaktionen. Es hat mittelschwere inhibitorische Eigenschaften auf die Cytochrom-Enzyme CYP1A2, 2B6, 2C8, 2C9, 2C19 und 2D6 und interagiert daher mit vielen Arzneistoffen.

MDMA bei PTBS

Die medizinische Anwendung von MDMA (3,4-Methylendioxymethamphetamin, »Ecstasy«) bei PTBS ist vielversprechend und wird in jüngster Zeit verstärkt erforscht (7). MDMA ist ein Entactogen (griechisch: »von innen berührt«), was es in der Klasse der Stimulanzien besonders macht. Es wurde 2023 in Australien zur Behandlung von PTBS zugelassen. Wie bei Psilocybin gibt es kein Fertigpräparat; Apotheken müssen entsprechende Kapseln herstellen.

Die Wirkung beruht vor allem auf einer Ausschüttung und Wiederaufnahmehemmung von Serotonin und Noradrenalin. Nebenwirkungen ähneln daher denen anderer Stimulanzien: Übelkeit, Appetitverlust, Muskelverspannungen, kardiale Nebenwirkungen und Hyperhidrose. Auch schwere psychische Nebenwirkungen wie Psychose und Suizidgedanken traten auf.

In klinischen Studien wird eine ein- oder zweimalige Gabe von MDMA in Dosierungen von 75 bis 125 mg im Abstand von drei bis fünf Wochen unter kontrollierten Bedingungen und ärztlicher Aufsicht verabreicht. Die Psychiater oder Psychotherapeuten erhalten spezielle Schulungen in einem extra für die MDMA-Therapie entwickelten psychotherapeutischen Verfahren (»manualized inner-directed therapy«).

MDMA wird immer mit psychotherapeutischen Sitzungen kombiniert. Die Substanz kann die Widerstandsfähigkeit des Patienten verringern und ihm so ermöglichen, traumatische Erinnerungen auf eine weniger angstbesetzte Weise zu bearbeiten. MDMA fördert eine tiefere emotionale Verarbeitung und stärkt das Vertrauen zwischen Patient und Therapeut. Dies kann dazu beitragen, negative Emotionen und Symptome zu lindern.

Frühe klinische Studien deuten darauf hin, dass MDMA in der Therapie von PTBS positiv wirken und zum Beispiel Angst und Depression reduzieren sowie die Lebensqualität verbessern kann (8). Frauen sprachen besser an als Männer. Bislang gibt es erst wenige Daten aus Phase-II- und -III-Studien. Dosisintervalle und Dosierungen, Langzeitwirkungen und Risiken müssen noch umfassend erforscht werden.

Es gibt Hinweise auf eine stark neurotoxische Wirkung bei Mehrfachkonsum.

(Es-)Ketamin als schnell wirksame Antidepressiva

Ketamin und Esketamin sind NMDA-Rezeptorantagonisten, die in der Anästhesie und Schmerztherapie eingesetzt werden. In niedrigen subanästhetischen Dosen wirken sie auch als schnelle Antidepressiva. Esketamin ist in Kombination mit einem SSRI oder SSNRI seit März 2021 in Deutschland in zwei Indikationen zugelassen:

  • therapieresistente majore Depression, die in der aktuellen mittelgradigen bis schweren depressiven Episode auf mindestens zwei unterschiedliche Therapien mit Antidepressiva nicht angesprochen hat, und
  • als akute Kurzzeitbehandlung zur schnellen Reduktion depressiver Symptome, die nach ärztlichem Ermessen einem psychiatrischen Notfall entsprechen.

Die Substanzen können Patienten mit schweren therapieresistenten Depressionen, die auf herkömmliche Antidepressiva nicht ansprechen, schnell helfen, manchmal innerhalb weniger Stunden bis Tage.

Die genaue Wirkweise von Ketamin und Esketamin bei Depressionen ist noch nicht vollständig verstanden, aber sie scheinen wie Psilocybin und MDMA neuroplastische Veränderungen im Gehirn zu fördern und die Kommunikation zwischen Nervenzellen zu verbessern. Die Ausschüttung des neuronalen Wachstumsfaktors BDNF, die Blockade von NMDA-Rezeptoren sowie eine Aktivierung von AMPA-Rezeptoren und des Proteinkomplexes mTORC1 scheinen an der Wirkung beteiligt zu sein. Die Substanzen verbessern damit die Neuroplastizität stark: Die Synapsendichte nimmt innerhalb von 24 Stunden zu (zum Vergleich: unter SSRI/SSNRI erst nach drei bis fünf Wochen).

Die Anwendung von Ketamin und Esketamin erfolgt nur in kontrollierter klinischer Umgebung mit einer Beobachtungszeit von einer Stunde, in der mehrfach der Blutdruck gemessen werden muss, um die Sicherheit und effektive Dosis zu gewährleisten. Die Substanzen werden in der Regel intravenös (off Label) als Kurzinfusion oder intranasal (in Label) verabreicht.

Häufige Nebenwirkungen umfassen Übelkeit, Schwindel, Blutdruckerhöhung, Benommenheit und Dissoziationen. Auch Angst, Euphorie, Verwirrtheit, Derealisation, Reizbarkeit, Halluzinationen einschließlich optischer Halluzinationen, Agitiertheit, Illusionen und Panikattacken können auftreten.

Esketamin in Dosen von 28, 56 oder 84 mg zweimal wöchentlich über vier Wochen wirkt gut auf depressive Symptome; bezüglich anhaltender Effekte und antisuizidaler Wirkungen sind die Daten jedoch sehr inkonsistent (9). Die Studien waren klein. Frauen sprachen besser an als Männer. Während die schnelle Wirkung von Ketamin und Esketamin bei Depressionen vielversprechend ist, sind Langzeitstudien und weitere Forschungen notwendig, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit zu bewerten. Abhängigkeiten wurden beschrieben, was den zeitlichen Umfang des Einsatzes stark begrenzt.

Was sind neue psychoaktive Stoffe?

Bei den sogenannten neuen psychoaktiven Stoffen (NPS) handelt es sich meist um synthetische Stoffe; daher werden die Synonyme »Designerdrogen« und »Research Chemicals« verwendet. Es sind Varianten bekannter psychoaktiver Substanzen wie Heroin oder Ecstasy, deren Verkehr im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geregelt wird. Zumeist ahmen sie von ihren psychoaktiven, also bewusstseinsverändernden Effekten her andere illegale Drogen nach, schreibt die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren (DHS).

Die Commission on Narcotic Drugs definiert NPS in ihrer Resolution 55/1 vom 16. März 2012 als »Substanzen, die nicht unter die Kontrollregelungen der Vereinten Nationen von 1961 (Suchtstoffe) und 1971 (psychotrope Stoffe) fallen«. Der Begriff »Legal Highs« bezieht sich darauf, dass die neuen Substanzen nicht im BtMG verboten sind, da der Gesetzgebungsprozess mit der Neuentwicklung nicht Schritt halten kann. Jedes Jahr werden in der Europäischen Union etwa 50 neue psychoaktive Subtanzen ermittelt, insgesamt schon mehr als 880.

Während Research Chemicals als Einzelsubstanzen zumeist richtig deklariert sind, da sie als Ausgangsprodukte der Pharmaindustrie dienen, ist bei Legal Highs auf der Verpackung meist nicht das angegeben, was tatsächlich darin enthalten ist. Im Gegenteil: Kreative Produktnamen und die aufgedruckten Anleitungen führen den Konsumenten gezielt in die Irre. Sie werden zum Beispiel als »Badesalze«, »Düngerpillen« oder »Kräutermischungen« angeboten, die »nicht zum Verzehr geeignet sind«. Es wird nicht deklariert, um welche Substanzen es sich handelt, was ein hohes Risiko für die Konsumenten darstellt. Unter dem gleichen Produktnamen werden unterschiedlichste Rezepturen vertrieben; dies erhöht das Risiko weiter, da Konsumenten vom gleichen Gehalt und gleicher Wirkung beim nächsten Konsum ausgehen. Gefährliche Überdosierungen sind das Resultat.

Die Langzeitfolgen sind gänzlich unbekannt. Die Substanzen sind weder pharmakologisch noch toxikologisch geprüft.

Aufgrund möglicher zusätzlich enthaltener Substanzen kann ein einziges Legal-High-Produkt bereits einen Mischkonsum darstellen. Wie bei anderen illegalen Drogen kann es besonders schnell zur Toleranzentwicklung kommen – ein Effekt, der vom Hersteller beabsichtigt ist. Auch Entzugserscheinungen wie depressive Stimmung, Angst, Antriebslosigkeit, Erschöpfung, Schlaf-, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie Krampfanfälle sind möglich.

Mit der Einführung von »Spice« sind NPS seit den 2000er-Jahren zunehmend auf dem Drogenmarkt zu finden, wie die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht berichtet. Ziel der zahlreichen Neueinführungen ist es, die Suchtstoffgesetze der EU-Mitgliedstaaten durch gezielte Veränderung der Molekülstruktur zu umgehen. Die psychotrope Wirkung bleibt dabei erhalten und wird sogar teilweise noch verstärkt; ein Beispiel sind synthetische Cannabinoide.

NpS-Gesetz in Deutschland

2016 wurde in Deutschland das Gesetz zur Bekämpfung der Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe eingeführt, kurz das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) (10). In der Anlage (analog BtMG) werden die verbotenen chemischen Strukturen inklusive möglicher alternativer Strukturelemente (Ringe, Ringsysteme, Reste, Brücken und so weiter) aufgeführt und kontinuierlich erweitert. Dadurch ist es nicht mehr möglich, Verbote durch kleine chemische Veränderungen zu umgehen.

Nach der letzten Ergänzung im März 2023 sind insgesamt sieben Stoffgruppen aufgelistet (Tabelle):

  • von 2-Phenethylamin abgeleitete Verbindungen (mit Amfetamin verwandte Stoffe, einschließlich Cathinone),
  • Cannabimimetika/synthetische Cannabinoide (Stoffe, die die Wirkung von Cannabis imitieren),
  • Benzodiazepine,
  • von N-(2-Aminocyclohexyl)amid abgeleitete Verbindungen,
  • von Tryptamin abgeleitete Verbindungen,
  • von Arylcyclohexylamin abgeleitete Verbindungen,
  • von Benzimidazol abgeleitete Verbindung.

Das NpSG stellt in erster Linie solche Handlungen unter Strafe, die auf die Weitergabe der Stoffe abzielen, um deren Verfügbarkeit einzuschränken. Das Verbot erfasst den Handel, das Inverkehrbringen, die Herstellung, Ein-, Aus- und Durchfuhr, den Erwerb, Besitz und das Verabreichen von NPS. Anerkannte Verwendungen zu gewerblichen, industriellen oder wissenschaftlichen Zwecken sind ausgenommen. Das Gesetz sieht Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren bei Vergehen vor.

Das NpSG ergänzt so das BtMG. Besonders häufig vorkommende und stark wirksame Präparate werden auch in die Anlage des BtMG aufgenommen. Die Gesetzgebung hinkt jedoch immer einen Schritt hinterher und so wurden im NpSG Stoffgruppen mit sehr unterschiedlichen Resten und Ringsystemen systematischer unter Strafe gestellt.

Psychoaktive Substanz Pharmakologische Wirkung Als negativ empfundene Effekte Als positiv empfundene Effekte Beispiele für NPS
Stimulanzien: von 2-Phenethylamin abgeleitete Verbindungen
Amfetamin, Ecstasy, MDMA, Ephedrin, Mescalin, LSD Serotonin-, Noradrenalin- und Dopamin-Freisetzung Schweißausbrüche, Herzrasen, Zittern, Übelkeit, Schwindel, Angstgefühle, Wahnvorstellungen, Stimmungsschwankungen, Mundtrockenheit, Psychose Wachheit, Konzentrations-verbesserung, erhöhte Leistungsfähigkeit, Euphorie, gesteigertes Selbstvertrauen, Wohlgefühl, bei MDMA: Gefühl von »Weltverständnis«, Verbundenheit und Zugehörigkeit Bromo-Dragonfly, Mephenon, Clephedron, Dipentylon
Cannabimimetika, synthetische Cannabinoide
Cannabis, Haschisch, Marihuana, Nabilon, Nabiximol Bindung an den CB1-Rezeptor Herzrasen, Atemnot, Krampfanfälle, Panikattacken, Depression, Gedächtnisstörungen, Antriebsstörungen (»amotivationales Syndrom«), Psychose Entspannung, Heiterkeit, Schmerzfreiheit, veränderte Sinneseindrücke Spice, K2, Yucatan Fire, Chill X
Sedativa: Benzodiazepine
Lorazepam, Diazepam und andere verlängerte Öffnung der Chloridkanäle Atemstillstand, Benommenheit, Gedächtnisstörungen, paradoxe Reaktionen Losgelöstheit, Angstfreiheit, Schlafförderung Etizolam, Flualprazolam und viele mehr
Opiate: von N-(2-Aminocyclohexyl)amid abgeleitete Verbindungen
Morphin, Heroin Agonisten am µ-Rezeptor Atemstillstand, Übelkeit, Erbrechen, Verdauungsstörungen, Desorientierung, Schwindel Losgelöstheit, Schmerzfreiheit AH-47700 und AH-7921, Spiradolin, Bromadolin
Psychedelika: von Tryptamin abgeleitete Verbindungen
Psilocybin, LSD psychedelische Wirkung über Aktivierung des 5-HT2A-Rezeptors Herzrasen, Lichtempfindlichkeit, Sehstörungen, Panikattacken, Psychose, Desorientiertheit, Stimmungsschwankungen spirituelle Verbundenheit, veränderte Sinneswahrnehmungen MBT, DiPT, Dimethyltryptamin (DMT)
Dissoziativa: von Arylcyclohexylamin abgeleitete Verbindungen
Ketamin, Esketamin Freisetzung von BDNF, Erhöhung der glutamatergen Neurotransmission Bewusstlosigkeit, optische und akustische Halluzinationen, Fehlwahrnehmungen, Blutdruckanstieg, Schwindel, Muskelzuckungen, verminderter Muskeltonus, Dissoziationen, Angst- und Verlassenheitsgefühle Euphorie, Schmerzlosigkeit, synästhethische Erfahrungen Methoxetamin, Phenylcyclidin
Opioide: von Benzimidazol abgeleitete Verbindungen
Opioide wie Fentanyl Agonisten am µ-Rezeptor Atemstillstand, Übelkeit, Erbrechen, Verdauungsstörungen, Desorientierung, Schwindel Losgelöstheit, Schmerzfreiheit Isotonitazen, Protonitazen, Metonitazen, in Kombi mit Benzodiazepinen »Tranq-Dope« und »Benzo-Dope«
Tabelle: Verbotene Substanzgruppen nach NpSG, sortiert nach Substanzgruppen; NPS: neue psychoaktive Substanzen

Verbrauch nimmt rasant zu – die Gefahren auch

In Deutschland wie in der ganzen EU sind NPS weit verbreitet. Wöchentlich kommen neue Substanzen hinzu und über Internetforen werden Tipps und mögliche Dosierungen schnell verbreitet.

Ein besonderer Zuwachs wird aktuell für synthetische Cannabinoide beobachtet, die zum Beispiel auf Haschisch oder Marihuana aufgesprüht werden. Dies ist besonders tückisch, da dieses für Verbraucher nicht von »normalen« Cannabisprodukten zu unterscheiden ist. Auch als Süßigkeiten kommen synthetische Cannabinoide in den Umlauf, was vermitteln soll, dass es sich um legale Lebensmittel handelt. Neuerdings wurden sie auch in E-Shisha-Mischungen gefunden – natürlich ohne Deklaration.

Einige Stoffe sind 100-mal wirksamer als THC. Das Psychoserisiko ist deutlich erhöht. Ähnliches gilt für die von den Opioiden abgeleitete Gruppe der Nitazene, die 100-mal stärker wirksam sind als Fentanyl. Es kann daher leicht zu versehentlichen Überdosierungen mit Todesfolge durch Atemdepression kommen.

In der Praxis kommt es leicht zu Überdosierungen und unabsichtlichen Mischintoxikationen, die lebensgefährlich verlaufen können. Der Konsument hat keine Chance, vorab zu prüfen, was im Produkt enthalten ist. Selbst bei bekannten Produkten ändern die Hersteller im Lauf der Zeit die Inhaltsstoffe, um dem BtMG und NpSG zu entgehen.

Die bisherigen Not- und Todesfälle haben gezeigt, dass gerade die synthetischen Cathinone und Phenethylamine schwere bis lebensgefährliche Intoxikationen auslösen können. Insbesondere »Bromo-Dragonfly«, ein bromiertes Phenethylamin, ist sehr toxisch. Die Patienten fallen durch Aggressivität, Krampfanfälle, psychotische Symptome wie Verfolgungswahn sowie Kreislaufversagen und Hyperthermie auf. Muskelschäden bis hin zur Rhabdomyolyse (Auflösung der quergestreiften Muskulatur) mit Nierenversagen können sich entwickeln, in schwersten Fällen auch Multiorganversagen. Solche Todesfälle sind vor allem bei Polysubstanzkonsum aufgetreten.

Probleme bei der Analytik

Problematisch ist auch die Analytik der Substanzen im Drogenscreening. Im Handel befinden sich immunologische Urin- und Speicheltests auf neue psychoaktive Substanzen. Im normalen Drogenschnelltest schlagen die Wirkstoffe aufgrund der ähnlichen Struktur teilweise an, lassen sich jedoch dann nicht von den »altbekannten« Substanzen unterscheiden.

Einige Labore bieten spezielle Screenings auf NPS an. Um welche Substanz es sich genau handelt, kann nur massenspektrometrisch aufgeschlüsselt werden. Dabei ist es eine große Herausforderung, reine Substanzen für eine Validierung der Methode zu erhalten, sodass auch diese Analytik mit der schnellen Neuentwicklung an Wirkstoffen nie Schritt halten kann.

Für die Analytik von bekannten und unbekannten Substanzen ist die empfindliche und hochauflösende Q-TOF-Massenspektrometrie optimal. Diese ist besonders geeignet, um Designerdrogen in biologischen Matrizes zu bestimmen. Die Systeme sind schnell, hochselektiv und erlauben die simultane Analyse bekannter wie auch unbekannter neuartiger Verbindungen. Die Kombination mit aktuellen forensischen Datenbanken oder externen Strukturdatenbanken hilft, neue Substanzen zu identifizieren.

Auch intelligente Softwarelösungen sind von großem Nutzen. Neuartige Algorithmen erleichtern es, chromatografisch auffällige Signale zu finden und Fragment-Informationen zu verarbeiten. Dies ist in der Strafverfolgung hilfreich, hilft aber einem Patienten in der Notaufnahme nicht.

Fazit

Psychoaktive Substanzen wie MDMA, Psilocybin, CBD und (Es-)Ketamin ergänzen das Behandlungsspektrum bei vielen psychischen Erkrankungen. Erste Zulassungen sind erfolgt, weitere werden in naher Zukunft und in weiteren Ländern erwartet. Unerlässlich ist es, dass die Substanzeinnahme in eine Psychotherapie eingebettet ist. Von Selbstversuchen ist angesichts von Kontraindikationen und schweren Nebenwirkungen dringend abzuraten.

Neue psychoaktive Substanzen stellen immer ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Intoxikationen stellen eine Herausforderung für jeden Arzt in der Notaufnahme dar. Todesfälle sind möglich. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor den Gefahren zu warnen und vor der Einnahme zu schützen. Gerade in der Hirnreifungsphase haben psychoaktive und neue psychoaktive Substanzen eine besonders schädigende Wirkung auf das Gehirn.

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