Neue Einsatzgebiete in der Psychiatrie |
Ketamin und Esketamin sind NMDA-Rezeptorantagonisten, die in der Anästhesie und Schmerztherapie eingesetzt werden. In niedrigen subanästhetischen Dosen wirken sie auch als schnelle Antidepressiva. Esketamin ist in Kombination mit einem SSRI oder SSNRI seit März 2021 in Deutschland in zwei Indikationen zugelassen:
Die Substanzen können Patienten mit schweren therapieresistenten Depressionen, die auf herkömmliche Antidepressiva nicht ansprechen, schnell helfen, manchmal innerhalb weniger Stunden bis Tage.
Die genaue Wirkweise von Ketamin und Esketamin bei Depressionen ist noch nicht vollständig verstanden, aber sie scheinen wie Psilocybin und MDMA neuroplastische Veränderungen im Gehirn zu fördern und die Kommunikation zwischen Nervenzellen zu verbessern. Die Ausschüttung des neuronalen Wachstumsfaktors BDNF, die Blockade von NMDA-Rezeptoren sowie eine Aktivierung von AMPA-Rezeptoren und des Proteinkomplexes mTORC1 scheinen an der Wirkung beteiligt zu sein. Die Substanzen verbessern damit die Neuroplastizität stark: Die Synapsendichte nimmt innerhalb von 24 Stunden zu (zum Vergleich: unter SSRI/SSNRI erst nach drei bis fünf Wochen).
Esketamin-Nasenspray ist zugelassen zur Behandlung therapieresistenter Depression (Symbolbild). / Foto: Getty Images/Karl Tapales
Die Anwendung von Ketamin und Esketamin erfolgt nur in kontrollierter klinischer Umgebung mit einer Beobachtungszeit von einer Stunde, in der mehrfach der Blutdruck gemessen werden muss, um die Sicherheit und effektive Dosis zu gewährleisten. Die Substanzen werden in der Regel intravenös (off Label) als Kurzinfusion oder intranasal (in Label) verabreicht.
Häufige Nebenwirkungen umfassen Übelkeit, Schwindel, Blutdruckerhöhung, Benommenheit und Dissoziationen. Auch Angst, Euphorie, Verwirrtheit, Derealisation, Reizbarkeit, Halluzinationen einschließlich optischer Halluzinationen, Agitiertheit, Illusionen und Panikattacken können auftreten.
Esketamin in Dosen von 28, 56 oder 84 mg zweimal wöchentlich über vier Wochen wirkt gut auf depressive Symptome; bezüglich anhaltender Effekte und antisuizidaler Wirkungen sind die Daten jedoch sehr inkonsistent (9). Die Studien waren klein. Frauen sprachen besser an als Männer. Während die schnelle Wirkung von Ketamin und Esketamin bei Depressionen vielversprechend ist, sind Langzeitstudien und weitere Forschungen notwendig, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit zu bewerten. Abhängigkeiten wurden beschrieben, was den zeitlichen Umfang des Einsatzes stark begrenzt.
Psychoaktive Substanzen sind Mittel der letzten Wahl, also zum Beispiel bei Nichtansprechen auf Antidepressiva oder herkömmliche pharmakotherapeutische und psychotherapeutische Verfahren. Das aufwendige Setting (Schulungen der Behandelnden, Vorhalten von entsprechenden »gemütlich« eingerichteten Zimmern), der hohe Personalressourcen-Einsatz (mehrwöchige Vorbereitungsphase, Nachbeobachtungszeiten, Dauer der Sitzungen bei Psilocybin sechs Stunden, bei Esketamin 60 Minuten) und die hohen Behandlungskosten beschränken den Einsatz weiter.
Die Mittel werden daher insgesamt wenigen Patienten vorbehalten sein. Für diese können sie aber einen Game-Changer darstellen.