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Multiple Sklerose

MS-Therapie für Kinder wird besser

Typischerweise tritt die Multiple Sklerose (MS) zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Doch auch im Kindesalter kann sich die Autoimmunerkrankung bereits manifestieren. Die Prognose ist dann schlechter, hat sich aber in den letzten Jahren deutlich verbessert.
Daniela Hüttemann
22.01.2021  11:00 Uhr

Der S1-Leitlinie »Pädiatrische Multiple Sklerose« zufolge zeigen nur 3 bis 5 Prozent der MS-Patienten bereits im Kindes- oder Jugendalter erste Krankheitssymptome. Vor dem zehnten Lebensjahr liegt die Prävalenz bei neun Fällen pro zehn Millionen Kinder, womit die MS in dieser Altersgruppe zu den sehr seltenen Erkrankungen zählt. In der Pubertät sind bereits 264 von zehn Millionen betroffen. »Während bei erwachsenen MS-Patienten Frauen deutlich häufiger betroffen sind als Männer, ist das Geschlechterverhältnis bis zur Pubertät ausgeglichen«, berichtete Professor Dr. Peter Huppke vom Deutschen Zentrum für MS im Kindes- und Jugendalter in Göttingen im November beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Das spricht für einen hormonellen Einfluss auf die Autoimmunerkrankung.

Vor der Pubertät dominieren vor allem motorische Symptome, danach sensorische. »Typisches Merkmal einer MS im Kindesalter ist die höhere entzündliche Aktivität, erkenntlich an mehr Läsionen im MRT«, erklärte Huppke. Auch die Schubrate sei höher, aber die Kinder erholten sich davon schneller und besser. Dadurch steige der Behinderungsgrad langsamer. Trotzdem habe die pädiatrische MS insgesamt ein schlechtere Prognose als eine MS, die sich erst im Erwachsenenalter manifestiere. Es können auch früh zu kognitiven Defiziten kommen. »Ein vergleichbarer Behinderungsgrad tritt im Schnitt zehn Jahre früher auf«, so der Neurologe.

Als Standard erhalten die betroffenen Kinder und Jugendlichen mit milder bis moderater Erkrankung zunächst rekombinantes Interferon-β oder Glatirameracetat (Copaxone®), wobei sich Letzteres laut Huppke immer mehr durchsetzt. Diese Präparate sind ab zwölf Jahren zugelassen (Rebif® bereits ab zwei Jahren), sollten aber auch bei jüngeren Kindern eingesetzt werden. In Ausnahmen kann auch Dimethylfumarat (Tecfidera®) bei milden und moderaten Verlaufsformen verordnet werden.

Schreitet die Erkrankung voran oder ist sie bei Diagnose bereits hochaktiv, kommen Fingolimod (Gilenya®) oder Natalizumab (Tysabri®) bevorzugt zum Einsatz, alternativ auch Alemtuzumab (Lemtrada®) oder Rituximab (MabThera®). Während Fingolimod für Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren zugelassen ist, erfolgt die Anwendung der monoklonalen Antikörper off Label.

Neuere Medikamente verbessern Prognose

In den vergangenen Jahren habe sich die Prognose durch die neueren MS-Medikamente deutlich verbessert, berichtete Huppke. In einer von ihm selbst geleiteten Studie konnte die Schubrate innerhalb von zehn Jahren um 46 Prozent reduziert werden. Auffällig war jedoch, dass 2015 die Schubrate bei Kindern mit milder bis moderater MS etwa dreimal so hoch war wie bei Kindern mit hochaktiver Erkrankung. »Das zeigt, dass wir noch nach besseren Therapieparametern suchen müssen«, so Huppke. Bislang orientieren sich die Neurologen vor allem an der Schubrate und an Läsionen im MRT. Hilfreich könnte hier der Biomarker NLF (Neurofilament Light Chains) im Serum sein. Er werde bei Neuronenzerfall freigesetzt. Eine aktuelle Studie habe gezeigt, dass die NFL-Werte im Serum von MS-Patienten deutlich höher lägen als in Kontrollgruppen, sagte der Experte.

Auch das Gewicht scheint eine Rolle zu spielen. »Uns sind viele übergewichtige Patienten aufgefallen«, berichtete Huppke. Eine retrospektive Studie habe gezeigt, dass Adipositas das MS-Risiko bei Kindern mehr als verdoppele. Zudem sprächen diese Patienten oft schlecht auf eine Basistherapie an. Dies könne mit einem größeren Verteilungsvolumen und einer daraus resultierenden Unterdosierung zusammenhängen. Huppke kritisierte, dass solche pharmakokinetischen Zusammenhänge bei Kindern zu wenig untersucht würden.

Insgesamt sei jedoch absehbar, dass durch eine Optimierung der Therapie eine weitere Verbesserung der Situation für pädiatrische MS-Patienten erreicht werden könne. Die Leitlinie, bei der Huppke einer von zwei federführenden Autoren ist und die zuletzt im Januar 2016 aktualisiert wurde, soll ab Januar überprüft werden.

Seitdem kamen mehrere neue MS-Medikamente für Erwachsene auf den Markt: Die monoklonalen Antikörper Daclizumab (Zinbryta®, mittlerweile jedoch schon nicht mehr auf dem Markt) und Ocrelizumab (Ocrevus®), Cladribin (Mavenclad®) als orale Kurzzeittherapie sowie die oral verfügbaren Sphingosin-1-Phosphat (S1P)-Rezeptormodulatoren Siponimod (Mayzent®) und Ozanimod (Zeposia®). Ob sie aus Sicht der Leitlinienautoren auch bei Kindern eingesetzt werden können, bleibt abzuwarten.

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