Im Alter häufig atypisch |
Bei allen Patienten ohne klare medizinische Indikation eine umfassende Diagnostik durchzuführen, ist weder ökonomisch noch praktikabel. Die Leitlinie sieht daher abhängig von der Art des Harnwegsinfekts und der Risikogruppe, der der Patient zugeordnet ist, unterschiedliche diagnostische Maßnahmen und Behandlungsstrategien vor.
Für die Diagnostik wird Mittelstrahlurin abgenommen. Liegt ein Katheter, wird Urin mit einem Einmalkatheter oder mittels Blasenpunktion entnommen (9). Die Diagnose sollte allerdings nicht allein auf Basis eines positiven Teststreifens, der Leukozyten und Nitrit bestimmt, gestellt werden. Die Gesamtkonstellation des Patienten muss berücksichtigt werden, inklusive klinischer Untersuchung, mikrobiologischer und laborchemischer Befunde und untypischer Symptome. Experten sprechen von einer mehrdimensionalen Diagnostik.
Escherichia coli (E. coli) ist mit 80 bis 85 Prozent der häufigste Auslöser einer unkomplizierten HWI. Danach folgen Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis mit einer Rate von circa 5 bis 10 Prozent. Bei älteren Patienten lassen sich Unterschiede im Erregerspektrum feststellen: Die Wahrscheinlichkeit, dass E. coli den Infekt auslöst, liegt nur noch bei 30 Prozent, gefolgt von Enterococcus mit 22 Prozent. Pseudomonas schließt sich mit 20 Prozent Wahrscheinlichkeit an und auf Platz 4 liegt Staphylococcus epidermidis (10 Prozent der Infektionen) (10). Bei bis zu 30 Prozent der älteren Menschen liegen Mischinfektionen vor.
Wichtig für das krankheitsauslösende Potenzial der Bakterien sind das Adhärenzvermögen am Oberflächengewebe des Harntrakts sowie die Fähigkeit, dort zu überleben und sich zu vermehren. Bakterien wie E. coli heften sich an mannosylierte Proteine des Blasenepithels an.
Nicht vergessen darf man zudem Infektionen mit Hefepilzen der Gattung Candida. Sie sind nicht selten der Auslöser bei Patienten mit vorangegangener antibiotischer Therapie, Diabetes oder Dauerkatheter. Normalerweise stammen die Keime aus der körpereigenen analen beziehungsweise anovaginalen Flora. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist die Ausnahme.