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Harnwegsinfekte

Im Alter häufig atypisch

Bei älteren Menschen gilt es, bei der Diagnostik und Therapie unkomplizierter Harnwegsinfektionen (HWI) besondere Aspekte zu berücksichtigen – zumal die Symptome häufig atypisch sind. Die aktualisierte S3-Leitlinie zu unkomplizierten HWI führt geriatrische Patienten erstmals als eigenständige Gruppe. Was das Apothekenteam wissen sollte.
AutorKontaktDaniel Finke
Datum 09.10.2025  09:00 Uhr

Harnwegsinfekte sind häufig, insbesondere bei Frauen und geriatrischen Patienten. Regelmäßig wird das pharmazeutische Personal in der Apotheke damit konfrontiert – meist, bevor die Patientin oder der Patient zum Arzt geht. Daher ist es für das Apothekenteam wichtig, sich mit der aktuellen leit­liniengerechten Therapie der unkomplizierten Harnwegsinfektion auseinanderzusetzen.

Nach rund sieben Jahren gab es im vergangenen Jahr ein Update der S3-Leit­linie »Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegs­infektionen bei Erwachsenen (HWI)« (AWMF-Registernummer 043-044). Sie ist unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) entstanden. Die Kurzfassung der vorherigen Version aus dem Jahr 2017 war mit etwa 3,3 Millionen Zugriffen eine der am häufigs­ten auf­gerufenen Leitlinien auf der Website der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) (1).

Neuerungen der Leitlinie

In der aktualisierten Leitlinie berücksichtigen die Autoren erstmals geriatrische Patienten als eigene Gruppe. Bei ihnen sind besondere Umstände hinsichtlich der Diagnose und Behandlung zu beachten. Oft erschweren untypische Symptome und chronische Beschwerden im Urogenitaltrakt eine ­Diagnose. Auch die Behandlung, die häufig neben einer bestehenden Poly­medikation stattfinden muss, ist oft kein leichtes Unterfangen.

In der neuen Leitlinienfassung werden zudem nicht antibiotische Behandlungsmöglichkeiten von unkompli­zierten akuten und rezidivierenden Harnwegsinfekten stärker betont (1). Von einem unkritischen Einsatz von Reserve­antibiotika raten die Autoren ab, insbesondere von Fluorchino­lonen, und weisen auf mögliche Schäden durch den unreflektierten Einsatz dieser Substanzen hin. Für das Patienten­kollektiv ­geriatrische Patienten mit und ohne Katheter wurden spezifische Informationen gesammelt und bewertet (1).

Darüber hinaus hat die DGU eine S3-Leitlinie zu komplizierten Harnwegs­infekten bei Frauen und Männern angemel­det. Mit der Fertigstellung ist im Juni 2026 zu rechnen (2).

Unkomplizierte Harnwegsinfektionen

Als unkompliziert werden Harnwegs­infektionen eingestuft, wenn im Harntrakt keine relevanten funktionellen oder anatomischen Anomalien vorliegen. Hierzu zählen Nierenfunktionsstörungen oder weitere Vor- oder Begleiterkrankungen.

Klinisch hat sich die Einteilung in untere und obere HWI bewährt. Die Diagnose einer klas­sischen unteren Harnwegsinfektion (Zystitis) wird getroffen, wenn sich die Symptome auf den unteren Harntrakt beschränken. Dazu zählen neu aufgetretene Schmerzen beim Wasserlassen (Algurie), wiederkehrender und als ungewöhnlich dringend empfundener Harndrang (imperativer Harndrang), häufige Miktionen bei unphysiologisch niedrigem Blasenfüllstand (Pollakis­urie) und Schmerzen oberhalb der Schambeinfuge.

Infekte der oberen Harnwege – die als kompliziert einzustufen sind – sind häufig mit einem Flankenschmerz, einem klopfschmerzhaften Nierenlager und/oder Fieber über 38 Grad Celsius verbunden. Dies sind oft Hinweise auf eine Nierenbeckenentzündung. Auch ist jede HWI bei Männern nach Definition kritisch (Kasten) (3).

Geriatrische Patienten als vulnerable Gruppe

HWI zählen zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im ambulanten und stationären Bereich. Neben der Pneumonie zählen sie zu den zweithäufigsten Infektionen alter Menschen. Die genaue Prävalenz ist jedoch schwer zu ermitteln, weil Patienten teilweise gar keine medizinische Behandlung in ­Anspruch nehmen oder aber gleich mehrere (Fach-)Arztpraxen oder Kliniken aufsuchen.

Bei multimorbiden Patienten über 70 Jahren sind HWI besonders kritisch, ebenso bei Menschen über 80 Jahren ohne zusätzliche Grunderkrankungen. Geriatrische Patienten stellen somit eine besonders vulnerable Gruppe dar (5). Die Gründe für das Auftreten von HWI im höheren Lebensalter sind sehr vielfältig und hängen oft mit der persönlichen Lebens- und Wohn­situation zusammen.

Postmenopausale Frauen

Mit postmenopausalen Frauen ohne Begleiterkrankungen geht die Leitlinie auf eine weitere wichtige, meist ­ältere Patientengruppe ein. Die Postmenopause zeichnet sich durch einen sig­nifikanten Rückgang der Estrogen­produktion aus, der sehr oft mit trockenen vaginalen Schleimhäuten einhergeht.

Durch einen veränderten pH-Wert und eine dadurch verringerte Besiedlung mit Milchsäurebakterien können sich vermehrt Enterobakterien und Anaerobier in der Vagina ausbreiten. Es lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Zunahme der HWI-Rate und zunehmendem Alter der Frau erkennen. Bei einer Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) lässt sich nach Auswertung von Daten deutscher Krankenkassen jedoch kein Unterschied in der Häufigkeit zwischen postmenopausalen und jüngeren Frauen feststellen (6).

In 16 bis 50 Prozent der Fälle liegt bei Frauen über 70 Jahren eine asymptomatische Bakteriurie vor (7). Da diese bei bis zu einem Drittel der Frauen von allein wieder verschwindet, sprechen sich die Leitlinienautoren gegen eine Behandlung aus.

Bei postmenopausalen Frauen sollte der Fokus mehr auf rezi­divierenden Harnwegsinfekten liegen. Die erhöhte Rate betroffener Pa­tientinnen kann verursacht werden durch eine zunehmende Harninkontinenz, eine Vorwölbung der Harnblase in die vordere Scheidenwand (Zysto­zelen), bedingt durch Beckenbodenschwäche, sowie eine erhöhte Restharnmenge nach dem Wasserlassen, die in der Blase zurückbleibt. Ebenfalls trägt eine Dys­biose in der Scheiden­flora zu einer erhöhten Rezidivrate bei.

Asymptomatische Bakteriurie

Haben Betroffene Bakterien im Urin, aber keine Symptome, spricht man von einer asymptoma­tischen Bakteriurie. Es liegt eine Kolonisation vor, aber keine Infektion. Daher sollte der Begriff »asymptomatische Harnwegsinfektion« nicht mehr verwendet werden.

Die asymptomatische Bakteriurie bedarf einer differenzierten Bewertung durch einen Arzt. Betroffene werden oftmals engmaschig überwacht und erst behandelt, wenn Symptome auftreten.

Bei Menschen mit Diabetes mellitus kommt die asymptomatische Bakteriurie doppelt so häufig vor wie bei ­anderen Gruppen. Die Ursachen sind unter anderem die diabetische Stoffwechsellage mit einer vermehrten Urinbildung und erhöhten Glucoseausscheidung.

Bei postmenopausalen Frauen ohne relevante Begleiterkrankungen soll die asymptomatische Bakteriurie laut Leitlinie nicht behandelt werden (1).

Auf untypische Symptome achten

Da die physiologische Temperaturregulation bei Menschen ab dem 70. Lebensjahr häufig verändert ist, ist die Grenze für Fieber bei ihnen bereits bei 37,4 Grad Celsius festzusetzen. Das entscheidende Kriterium zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose ist die positive Urinkultur.

Im Gegensatz zu jüngeren Personen fehlen bei älteren oft typische Krankheitszeichen wie Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie) oder häufiges Urinieren kleiner Mengen. Oftmals verschleiern weitere Grunderkrankungen oder die veränderte subjektive Wahrnehmung im Alter die Symptomatik.

Beschwerden wie plötzlich auftretender Harnverlust, eine Verschlechterung oder ein Neuauftreten einer Harninkontinenz, Delirium oder Übelkeit und Erbrechen sollten erkannt und als Symptome einer Harnwegsinfektion im Hinterkopf behalten werden (8).

Weitere untypische Symptome sind Verhaltensveränderungen, verminderte Vigilanz, reduzierter Appetit und eine verminderte Flüssigkeitsaufnahme (8). Eine weitere Besonderheit bei manchen geriatrischen ­Patienten sind Dauerblasenkatheter, die die Uringewinnung zur Diagnostik durchaus erschweren.

Die Prävalenz von HWI ist bei Frauen deutlich höher als bei Männern, ­jedoch nimmt der Unterschied mit dem Alter ab. Die Hospitali­sierungsrate aufgrund einer Nierenbeckenentzündung steigt mit dem Alter an. In der ­aktualisierten Leitlinie werden geria­trische Patienten mit mehr als zwei behandlungs­bedürftigen System­erkrankungen gesondert betrachtet. Daher geraten Patienten mit kognitiven Defiziten, Sturzneigung, chronischen Schmerzen, Inkontinenz, Immobilität und Mangelernährung in den Fokus der Behandler.

Urindiagnostik

Bei allen Patienten ohne klare medizi­nische Indikation eine umfassende Diagnostik durchzuführen, ist weder ökonomisch noch praktikabel. Die Leitlinie sieht daher abhängig von der Art des Harnwegsinfekts und der Risikogruppe, der der Patient zugeordnet ist, unterschiedliche diagnos­tische Maßnahmen und Behandlungsstrategien vor.

Für die Diagnostik wird Mittelstrahlurin abgenommen. Liegt ein Katheter, wird Urin mit einem Einmalkatheter oder mittels Blasenpunktion entnommen (9). Die Diagnose sollte allerdings nicht allein auf Basis eines positiven Teststreifens, der Leukozyten und Nitrit bestimmt, gestellt werden. Die Gesamtkonstellation des Patienten muss berücksichtigt werden, inklusive klinischer Untersuchung, mikrobiolo­gischer und laborchemischer Befunde und untypischer Symptome. Experten sprechen von einer mehrdimensio­nalen Diagnostik.

Häufigste Erreger

Escherichia coli (E. coli) ist mit 80 bis 85 Prozent der häufigste Auslöser einer unkomplizierten HWI. Danach folgen Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae und Proteus mirabilis mit einer Rate von circa 5 bis 10 Prozent. Bei älteren Patienten lassen sich Unterschiede im Erregerspektrum feststellen: Die Wahrscheinlichkeit, dass E. coli den Infekt auslöst, liegt nur noch bei 30 Prozent, gefolgt von Enterococcus mit 22 Prozent. Pseudomonas schließt sich mit 20 Prozent Wahrscheinlichkeit an und auf Platz 4 liegt Staphylococcus epidermidis (10 Prozent der Infektionen) (10). Bei bis zu 30 Prozent der älteren Menschen liegen Mischinfektionen vor.

Wichtig für das krankheitsauslösende Potenzial der Bakterien sind das Adhärenzvermögen am Oberflächengewebe des Harntrakts sowie die Fähigkeit, dort zu überleben und sich zu vermehren. Bakterien wie E. coli heften sich an ­mannosylierte Proteine des Blasenepithels an.

Nicht vergessen darf man zudem Infektionen mit Hefepilzen der Gattung Candida. Sie sind nicht selten der Auslöser bei Patienten mit vorangegangener antibiotischer Therapie, Diabetes oder Dauerkatheter. Normalerweise stammen die Keime aus der körpereigenen analen beziehungsweise anovaginalen Flora. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist die Ausnahme.

Antibiotische Therapie

Die Arzneimitteltherapie kann bei äl­teren Patienten sehr herausfordernd sein, besonders, wenn verkomplizierende Aspekte hinzukommen wie ­Polymedikation, andere Erkrankungen, ­Resorptionsstörungen und eine nachlassende Leber- oder Nierenfunktion. Ebenfalls sollte die Adhärenz nicht aus den Augen verloren werden, da ältere Patienten die Einnahme öfter vergessen oder mit ihr überfordert sein können. Klinikaufenthalte können zudem das Risiko für Infektionen mit antibio­tikaresistenten Keimen erhöhen. Die Behandlungsstrategie sieht vor, geria­trische Patienten ohne komplizierte ­Aspekte so zu behandeln wie andere Patienten mit unkomplizierter HWI (11).

Die Leitlinie enthält an dieser Stelle auch Hinweise zur Antibiotikatherapie der akuten unkomplizierten Zystitis bei geriatrischen Patienten mit mehr als zwei behandlungsbedürftigen Systemerkrankungen. Die Antibiotika der Wahl sind Fosfomycin-Trometamol und Nitrofurantoin. Ebenfalls eignen sich Nitroxolin und Pivmecillinam (Tabelle).

Substanz Tagesdosierung Dauer
Fosfomycin-Trometamol 1 × täglich 3000 mg 1 Tag
Nitrofurantoin 4 bis 6 × täglich 50 mg 7 Tage
Nitrofurantoin als Retardtablette 2 bis 3 × täglich 100 mg 5 Tage
Nitroxolin 3 × täglich 250 mg 5 Tage
Pivmecillinam 2 bis 3 × täglich 400 mg 3 Tage
Tabelle: Empfohlene Antibiotika-Kurzzeittherapie der akuten unkomplizierten Zystitis bei Frauen ohne sonstige Begleiterkrankungen nach der S3-Leitlinie

Nicht empfohlen aufgrund des ­Reserveantibiotika-Status sind Fluorchinolone, Cephalosporine und Co­trim­oxa­zol (12). Sie sollten für spezifische Indikationen zurückgehalten werden. Fluorchinolonen kommt etwa bei ­nosokomialen Pneumonien eine große Bedeutung zu, da Alternativtherapien zur Behandlung lebensbedrohlicher ­Infektionen mit gramnegativen Erregern begrenzt sind.

Beim Einsatz von Cotrimoxazol bei unkomplizierten HWI lag die E. coli-Resistenz in den Jahren 2010 bis 2013 laut RKI zwischen 25,1 und 29 Prozent. Trotz insgesamt gestiegener Resistenzraten liegen diese nach aktuellen Studien im hausärztlichen Bereich bei unter 20 Prozent – und damit unterhalb der akzeptierten Grenze für eine empirische Therapie. Unter entsprechenden Voraussetzungen ist Trimethoprim bei der akuten unkomplizierten Zystitis einsetzbar (12, 13, 15).

Für Fosfomycin, Nitrofurantoin, Piv­mecillinam, und Cotrimoxazol liegen zwar leichte, aber keine signifikanten altersassoziierten Resistenzeffekte vor, die es notwendig machen würden, den Einsatz bei geriatrischen Patienten ­anders zu bewerten als bei anderen Alters­gruppen.

Ebenfalls zeigen Daten, dass geria­trische Patienten gleichermaßen von einer Kurzzeitantibiotikagabe profitieren wie jüngere Patienten – und nicht immer eine Langzeittherapie über sieben bis 14 Tage angestrebt werden muss.

Antibiotische Langzeitprophylaxe

Für die antibiotische Langzeitprophy­laxe bei geriatrischen Frauen eignen sich Trimethoprim, auch in Kombina­tion mit Sulfamethoxazol, und Nitrofurantoin in niedriger Dosis. Die Priscus-Liste 2.0 eignet sich, um Arzneimittel hinsichtlich ihrer Nebenwirkungen und der Eignung für geriatrische Patienten zu prüfen (15).

Beispielsweise werden Fluorchinolone als potenziell inadäquat eingestuft. Für Nitroxolin fehlen ausreichend validierte Studien, sodass sich keine Aussagen zum Einsatz bei geriatrischen Patienten tätigen lassen (16).

Besonderheiten im Management

Im Gegensatz zu jüngeren Personen mit HWI müssen bei geriatrischen ­Patienten Risiken wie Multimedikation, Gedächtnisprobleme oder Schluckstörungen berücksichtigt werden.

Insbesondere der Einsatz von Fluorchinolonen und Fosfomycin sollte sehr gut ­bedacht sein. Nebenwirkungen, die bei Älteren sehr häufig ­auftreten, sind ZNS-Störungen wie Verwirrt­heit, ­Halluzinationen und Krampf­anfälle. Ebenso kann es zu Entzündungen und Rupturen der ­Sehnen, zu QT-Zeit-Verlängerung und potenziell irreversiblen Neuropathien kommen. Insbesondere bei gleichzei­tiger Antidiabetika-Therapie können Hypoglykämien entstehen (15).

Risikopartner sind Corticosteroide, da diese das Risiko für Sehnenrupturen erhöhen können, zudem Antiarrhythmika wie Amiodaron und Sotalol, die das Risiko für QT-Zeitverlängerungen steigern, und Vitamin-K-Antagonisten, die das Blutungsrisiko erhöhen. Bei der Kombination aus Fluorchinolonen und NSAR wurde eine erhöhte Krampfanfallsrate beobachtet.

Bei Fosfomycin sind Wechselwirkungen weniger bekannt, da der Arzneistoff kaum hepatisch metabolisiert wird und eine geringe Plasmaproteinbindung aufweist. Jedoch muss beachtet werden, dass bei gleichzeitiger Gabe von Medikamenten mit nephrotoxischem Potenzial, zum Beispiel von Vancomycin und Aminoglykosiden, das Risiko für eine Nierenschädigung steigt.

Alternativen zur Antibiotikatherapie

Bei unkomplizierten Verläufen kann eine nicht antibiotische Therapie erwogen werden – ausgenommen sind Schwangere, Männer und Patienten mit funktionellen oder anatomischen Anomalien. Auch relevante Nierenfunktionsstörungen, Störungen der Immunabwehr, eine HIV-Infektion, ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus oder eine Chemotherapie limitieren eine nicht antibiotische Therapie.

Die Selbstmedikation mit Phytopharmaka oder nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) kommt in erster Linie für jüngere, ansonsten gesunde Frauen mit unkomplizierter HWI in ­Betracht, auch als Ergänzung zu Antibiotika. In der Leitlinie wird die Selbstmedikation nicht explizit für geria­trische Patientinnen empfohlen. Das schließt diese Patientengruppe aber umgekehrt nicht automatisch davon aus. Nach der Leitlinie werden NSAR wie Ibuprofen oder Diclofenac, pflanzliche Präparate mit Bärentraubenblätterextrakt, Liebstöckel, Rosmarin und Tausendgüldenkraut oder D-Mannose eingesetzt.

In Studien, die in der Leitlinie aufgeführt sind, konnten durch eine Selbstmedikation 63 Prozent Antibiotika eingespart werden (1). Durch die Therapie mit Bärentraubenblättern konnten 64 Prozent und durch die Gabe von Liebstöckel, Rosmarin und Tausendgüldenkraut sogar 84 Prozent Antibiotika eingespart werden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass pflanzliche Arzneimittel und NSAR laut Leitlinie bei nicht geriatrischen Patientinnen als Antibiotika-Alternative erwogen werden sollten (1). In der früheren Version hieß es noch, diese können erwogen werden. Damit hat sich der Empfehlungsgrad um eine Stufe erhöht (»kann« < »sollte« < »soll«).

Anwenderinnen von Bärentraubenblättern sollten darüber ­informiert werden, dass entsprechende Arzneimittel nicht länger als eine ­Woche und nicht häufiger als fünfmal pro Jahr angewendet werden sollen. Das Prodrug Arbutin wird im Dünndarm resorbiert und anschließend in der Leber enzy­matisch gespalten. Die entstandenen Hydrochinon-Konjugate wirken intrabakteriell und reduzieren die Keimzahl in den ableitenden Harnwegen. Für die Spaltung spielt der pH-Wert des Urins keine Rolle.

Mit D-Mannose lassen sich Infektionen sowohl vorbeugen als auch behandeln. Gebunden an die Fimbrien von E. coli, führt der Einfachzucker zur vermehrten Ausscheidung der Erreger mit dem Urin, da sich diese nicht mehr an die Blasenwand anheften können. Eine erhöhte Trinkmenge unterstützt dabei.

Präventive Ansätze

Die tägliche Einnahme von 2 g D-Mannose kann zur Vorbeugung von Harnwegsinfektionen ausprobiert werden. Da der Wirkstoff gut verträglich ist, kann ein Versuch sinnvoll sein – auch wenn die Studienlage uneinheitlich ist. Zu Cranberry-Produkten gibt es keine offiziellen Dosierempfehlungen.

Bei häufig wiederkehrenden Infekten kann auf die Kombination aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzelextrakt zurückgegriffen werden. In einer Studie reduzierte sich die Zahl der Infekte stärker als unter Placebo. Auch eine Kombination mit antibiotischen Therapien ist möglich. Betroffene fragen in der Apotheke zudem häufig nach Fertigarzneimitteln oder Tees mit Aquaretika wie Orthosiphonisblättern, Birkenblättern sowie Schachtelhalm-, Brennnessel- und Goldrutenkraut. Zur Langzeitprävention liegen allerdings keine Daten vor.

Immunstimulanzien

Das wichtigste Ziel bei wiederkehrenden Blasenentzündungen ist es, die Infekthäufigkeit zu senken. Eine Möglichkeit stellen dabei orale oder parenterale Präparate zur Immunstimula­tion dar.

Vor Beginn einer antibiotischen Langzeitprävention empfiehlt die Leitlinie die orale Einnahme des Immunpropylaktikums OM-89 für drei Monate. Es enthält gefriergetrocknete Lysate von 18 E. coli-Stämmen (17).

Zur parenteralen Immunstimula­tion wird eine Impfung empfohlen, die abgetötete E. coli-Bakterien sowie vier weitere inaktivierte Bakterienspezies enthält, die häufige Auslöser von chronischen Harnwegsinfekten sind. Zur Grundimmunisierung sind drei intramuskuläre Injektionen im Abstand von einer bis zwei Wochen nötig. Nach circa einem Jahr kann eine Auf­frischung erfolgen (18).

In Studien variierte die Reduktion der Rezidivrate sowohl bei dem oralen Immunprophylaktikum als auch bei der Impfung gegenüber Placebo jedoch stark. Die Krankenkassen zahlen in der Regel keine dieser Immunstimulanzien.

Blasenkatheter als Risiko

Durch Blasenkatheter kann es zu einem Eintrag von Keimen in die ableitenden Harnwege kommen. Bei der Einmal­katheterisation beträgt das Risiko für eine Bakteriurie 1 bis 5 Prozent. Höher ist es bei Frauen, Männern mit vergrößerter Prostata und Menschen mit Diabetes. Ab einer Liegedauer von mehr als 28 Tagen spricht man von einem Dauer­katheter. Nach dieser Zeit findet man bei fast allen Patienten asymptomatische Bakteriurien. Mischinfek­tionen mit unterschiedlichen Keimen treten mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 95 Prozent auf. Das Einsetzen von Dauerkathetern sollte auf das medizi­nisch notwendige Mindestmaß begrenzt werden.

Ob katheterisierte Patienten mit asymptomatischer Bakteriurie von einer antibiotischen Behandlung profitieren, wird in der Leitlinie sehr ausführlich beschrieben. Häufig bildet sich auf der Innenseite des Dauerkatheters ein Biofilm aus Bakterien. Um Bakterien im Urin nachzuweisen, sollte eine Urinkultur angesetzt werden – nach Möglichkeit aus ­einem neu gelegten Katheter, um nicht fälschlicherweise eine zu hohe Keimdichte zu ermitteln. Die Leitlinienautoren raten davon ab, bei asymptomatischen Patienten mit Harnwegskatheter routinemäßig Urinkulturen anzulegen.

Die Behandlung einer asymptomatischen Bakteriurie kann auch zu negativen Folgen führen, darunter rasches Auftreten symptomatischer Infektionsepisoden, unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Reinfektionen mit resistenten Erregern. Der therapeutische Nutzen muss das Risiko einer Antibiotikabehandlung deshalb deutlich überwiegen, bevor diese begonnen wird.

Liegt eine bakterielle Infektion bei Patienten mit Katheter vor, kommt Nitroxolin zum Einsatz (19). Es hemmt die bakterielle Adhäsion an Epithelzellen des Harntrakts sowie an die Oberfläche von Blasenkathetern. Von dieser Behandlung profitieren vor allem Patienten, die eine transurethrale Prostataoperation oder andere Eingriffe im Harntrakt, bei denen das Urothel verletzt oder durchtrennt wird, vor sich haben. Sie sollten vor dem Eingriff eine antibiogrammgerechte ­Therapie erhalten.

Fazit

Geriatrische Patienten benötigen besondere Aufmerksamkeit bei der Diagnostik, da atypische Symptome und asymptomatische Bakteriurien auftreten können. Bei der Beurteilung der Symptomatik sollte der Fokus nicht nur auf den klassischen Beschwerden liegen, sondern insbesondere auch auf plötzlich auftretenden, nicht unmittelbar erklärbaren Delir-Zuständen sowie einem allgemeinen Rückgang der Leistungsfähigkeit. Bei geriatrischen Patienten stehen die gleichen antibiotischen Therapien wie bei jüngeren Menschen zur Verfügung. Allerdings müssen die Leber- und Nierenfunktion sowie die Therapietreue, die mit dem Alter alle abnehmen können, berücksichtigt werden.

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