Im Alter häufig atypisch |
HWI zählen zu den häufigsten bakteriellen Infektionen im ambulanten und stationären Bereich. Neben der Pneumonie zählen sie zu den zweithäufigsten Infektionen alter Menschen. Die genaue Prävalenz ist jedoch schwer zu ermitteln, weil Patienten teilweise gar keine medizinische Behandlung in Anspruch nehmen oder aber gleich mehrere (Fach-)Arztpraxen oder Kliniken aufsuchen.
Bei multimorbiden Patienten über 70 Jahren sind HWI besonders kritisch, ebenso bei Menschen über 80 Jahren ohne zusätzliche Grunderkrankungen. Geriatrische Patienten stellen somit eine besonders vulnerable Gruppe dar (5). Die Gründe für das Auftreten von HWI im höheren Lebensalter sind sehr vielfältig und hängen oft mit der persönlichen Lebens- und Wohnsituation zusammen.
Mit postmenopausalen Frauen ohne Begleiterkrankungen geht die Leitlinie auf eine weitere wichtige, meist ältere Patientengruppe ein. Die Postmenopause zeichnet sich durch einen signifikanten Rückgang der Estrogenproduktion aus, der sehr oft mit trockenen vaginalen Schleimhäuten einhergeht.
Durch einen veränderten pH-Wert und eine dadurch verringerte Besiedlung mit Milchsäurebakterien können sich vermehrt Enterobakterien und Anaerobier in der Vagina ausbreiten. Es lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Zunahme der HWI-Rate und zunehmendem Alter der Frau erkennen. Bei einer Nierenbeckenentzündung (Pyelonephritis) lässt sich nach Auswertung von Daten deutscher Krankenkassen jedoch kein Unterschied in der Häufigkeit zwischen postmenopausalen und jüngeren Frauen feststellen (6).
In 16 bis 50 Prozent der Fälle liegt bei Frauen über 70 Jahren eine asymptomatische Bakteriurie vor (7). Da diese bei bis zu einem Drittel der Frauen von allein wieder verschwindet, sprechen sich die Leitlinienautoren gegen eine Behandlung aus.
Bei postmenopausalen Frauen sollte der Fokus mehr auf rezidivierenden Harnwegsinfekten liegen. Die erhöhte Rate betroffener Patientinnen kann verursacht werden durch eine zunehmende Harninkontinenz, eine Vorwölbung der Harnblase in die vordere Scheidenwand (Zystozelen), bedingt durch Beckenbodenschwäche, sowie eine erhöhte Restharnmenge nach dem Wasserlassen, die in der Blase zurückbleibt. Ebenfalls trägt eine Dysbiose in der Scheidenflora zu einer erhöhten Rezidivrate bei.