Pharmazeutische Zeitung online
Hygiene im Alltag

Vom Händewaschen bis zur Desinfektion

08.11.2016  14:57 Uhr

Von Mirko Bergmann und Lisa Schlegel / Die wichtigste Hygienemaßnahme im Haushalt ist das Händewaschen mit Seife. Doch manchmal reicht das nicht. Wenn Magen-Darm-Infekte kursieren, immungeschwächte Personen oder infizierte Pflegebedürftige im Haushalt leben, ist Desinfektion angezeigt. Auch in der Wund­versorgung und auf Reisen sind Desinfektionsmittel nützlich.

Mikroorganismen haben sich als unsichtbare Welt in allen Bereichen unserer Umgebung (Geosphäre, Hydrosphäre, Atmosphäre) und unseres Lebens (physiologische mikrobielle Flora, Tabelle 1) etabliert. Ihre Zahl kann nur geschätzt werden und nur ein Bruchteil, vermutlich etwa 1 bis 2 Prozent, ist im Labor kultivierbar. Obwohl Mikroorganismen oft mit Krankheitserregern assozi­iert werden, ist der größte Teil für den Menschen apathogen und hat vielfältige positive Funktionen. Auch nutzt der Mensch sie aktiv in biotechnolo­gischen Prozessen, zum Beispiel zur Herstellung von Lebens- oder Arzneimitteln oder zum Auf- und Abbau ­organischer Stoffe.

Das pathogene Potenzial von Mikro­organismen ergibt sich nicht allein aus der Art des Erregers. Hinzu kommen Pathogenitätsfaktoren, zum Beispiel die Fähigkeit, Toxine zu synthetisieren, Adhärenzfaktoren zu bilden oder die körpereigene Immunabwehr zu unterlaufen und dadurch das Wachstum im menschlichen Organismus zu ermög­lichen. Dann spricht man von obligat pathogenen Erregern. Aber auch eine gewisse Empfänglichkeit eines immungeschwächten Körpers kann Voraussetzung für eine Infektionserkrankung durch einen bestimmten Erreger sein. Dies sind fakultativ pathogene Erreger.

 

Der positive Effekt der physiologischen Keimflora auf zahlreiche Körperfunktionen (Verdauung, Hautgesundheit und Immunabwehr) kann nicht hoch genug eingeschätzt werden ­(Tabelle 1). Auch wenn in aktuelleren Publika­tionen das Verhältnis körper­eigener Zellen zu Mikroben auf 1:1 relativiert wurde, ist das immer noch eine beträchtliche Anzahl und kennzeichnet den Menschen eher als multiorganismische Lebensform (4).

Tabelle 1: Typische physiologische Kolonisationsflora des gesunden Menschen (1)

Körperregion Physiologische Flora
Gewebe, Liquor, Blase, Uterus, Tuben, Mittelohr, Nasennebenhöhlen keine, da steril
Haut, distale Urethra, äußerer Gehörgang, vordere Nasenhöhle Propionibakterien, Koagulase-negative Staphylokokken, Korynebakterien
Mund: Zungen- und Wangenschleimhaut vergrünende Streptokokken, Neisserien, Moraxella, Hefen
Gingiva, Tonsillenkrypten Bacteroides, Fusobakterien, Peptostreptokokken, Aktinomyceten, ­Spirochäten
Nasopharynx Mikroorganismen der Mundflora; gelegentlich: Streptococcus pneumoniae, Haemophilus, Neisseria meningitidis, ­Anaerobier, Moraxellen
Ösophagus Mundflora (transient)
Magen transient nach Mahlzeiten
Dünndarm obere Abschnitte steril, untere wie Kolon
Kolon (Erwachsene und Säuglinge, die mit Kuhmilch oder Babynahrung ernährt werden) Bacteroides, Eubakterien, anaerobe Kokken, Bifidobakterien, ­Clostridien, Laktobazillen, Enterokokken, Enterobakterien
Kolon (Säugling) während der Stillperiode Bifidobakterien, Laktobazillen, vergrünende Streptokokken
Vagina: pubertär und postmenopausal Haut- und Kolonflora
Vagina im fortpflanzungsfähigen Alter Laktobazillen, α-hämolysierende Streptokokken, Hefen, Gardnerella vaginalis, Mobiluncus spp., Koagulase-negative Staphylokokken

Desinfektion, Sterilisation und Sanitisierung

 

Die ursprüngliche Bedeutung des vom Lateinischen »inficere« abstammenden Wortes Infektion ist das Anste­cken, Färben, Vermischen oder auch Vergiften. Im Wortsinn ist es Ziel einer Desinfektion, einen Gegenstand in einen Zustand zu versetzen, in dem er nicht mehr infektiös, also nicht mehr ansteckend ist. Defini­tionsgemäß ist dafür eine Keimreduktion um den Faktor 10-5 nötig. Das bedeutet, dass nach der Desinfektion von einer Million Keimen nur noch zehn lebensfähig sind.

Die Sterilisation (lateinisch: sterilis; unfrucht­bar, ertraglos) zielt auf vollständige Keimfreiheit ab. Sie kommt beispielsweise als terminaler Prozess bei parenteral anzuwendenden Produkten zum Einsatz oder bei der Aufbereitung von medizinischen Instrumenten. Die angestrebte Keimreduktion liegt um eine Zehnerpotenz höher als bei der Desinfektion. Es erfolgt eine Abreiche­rung um den Faktor 10-6. Im Idealfall bliebe also nur ein einziger Keim aus einer Million Einheiten übrig. Auch Mikroorganismen im Sporen­zustand werden inaktiviert.

 

Im Zusammenhang mit pharmazeutischen Wassersystemen, zum Beispiel industriellen Rohrleitungen und Containern, fällt häufig der Begriff Sanitisierung (lateinisch: sanitas, Gesundheit, gesunder Zustand). Er steht für eine Anwendung von Methoden, die über gewöhnliche Reinigungsmaß­nahmen hinausgehen und die Keim­belastung möglichst weitgehend vermindern sollen, ohne zwangsläufig auf vollständige Keimfreiheit abzuzielen.

 

Unter dem Begriff Antiseptik versteht man die Abtötung von Mikro­organismen auf Schleimhäuten oder Wunden mit Desinfektionsmitteln. Dagegen steht der Begriff Aseptik für das Ziel, keimfrei zu arbeiten und Mikro­organismen von lebendem Gewebe fernzuhalten. Hierfür können verschiedene Maßnahmen eingesetzt werden, zum Beispiel Verwendung steriler In­strumente, Desinfektion der Luft und Tragen steriler Handschuhe und eines Mundschutzes.

 

Desinfektionsmittel im Überblick

 

Generell kann eine Keimabreicherung sowohl durch physikalische Maßnahmen wie Behandlung mit UV-Strahlung, trockener oder feuchter Hitze als auch durch chemische Agenzien erreicht werden. Neben Gasen wie Ozon spielen die flüssigen Desinfektionsmittel die Hauptrolle, wobei eine Vielfalt an Substanzgruppen mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen verfügbar ist (Tabelle 2, Seite 35).

 

Die am häufigsten eingesetzten Mittel basieren auf verdünnten Alkoholen – aufgrund der hervorragenden Verträglichkeit und der in aller Regel ausreichenden Wirksamkeit. Ein gewisser Wasseranteil ist für die Wirkung der Alkohole notwendig, damit die Zellwände der Mikroorganismen ausreichend aufquellen und das Desinfek­tionsmittel zum Wirkort gelangen kann. Daneben werden Aldehyde, Oxidationsmittel, Halogene (Chlor- oder Iod-abspaltende Verbindungen), oberflächenaktive Verbindungen wie Alkylamine, quartäre Ammoniumverbindungen und Guanidine sowie Phenolderivate, Säuren und Laugen und Glykol­derivate verwendet.

 

Desinfektionsmittel wirken vor allem unspezifisch durch Schädigung der Zellmembran von Mikroorganismen, durch Denaturierung von Enzymen, Wechselwirkungen mit Nukleinsäuren (DNA, RNA) oder durch oxidative Reaktionen mit verschiedenen Zielstrukturen. Da diese Wirkmechanismen meist große Substanzklassen betreffen, ist die Ausbildung von Resistenzen durch Mutationen, wie sie bei Antibiotika vorkommen können, deutlich seltener, aber nicht unmöglich. Die Aktivität ­gegen bestimmte Mikroben hängt nicht nur von der Art des Desinfektions­mittels ab, sondern auch von der ein­gesetzten Konzentration der Bestandteile.

 

Um festzustellen, ob ein Desinfek­tionsmittel auch gegen Viren wirkt, gibt es definierte Prüfverfahren mit bestimm­ten Testviren, die deren Inaktivierung nachweisen müssen. Dabei wird zwischen begrenzt viruzid und viruzid unterschieden. Begrenzt viruzide Mittel sind meist alkoholbasiert und haben grenzflächenaktive Zusätze. Sie inaktivieren vor allem Viren mit einer Lipidhülle. In diese sind Rezeptoren integriert, die für das Eindringen in Zellen notwendige Funktionen ermöglichen.

 

Viren, die nur ein Kapsid ohne Lipid­hülle haben, sind meist schwieriger durch Desinfektionsmittel zu inaktivieren. Präparate, die diese Prüfverfahren erfolgreich bestehen, werden als viruzid bezeichnet. Eine unabhängige ­Prüfung und Benennung viruzider und begrenzt viruzider Präparate bietet die Liste des Verbunds für angewandte Hygiene (VAH; www.vah-online.de).

 

Desinfektionsmittel, die am Menschen angewendet werden, müssen als Arzneimittel zugelassen sein. Für andere Anwendungsarten gilt die Biozid- und gegebenenfalls die Medizinprodukteverordnung. Wünschenswerte Eigen­schaften sind breites Wirkungsspektrum, schneller Wirkeintritt, geringe Umweltbelastung und das Fehlen eines toxischen oder allergisierenden Potenzials. Meist sind nicht alle gewünschten Merkmale in ein und demselben Präparat vereint, sodass für die jeweilige Zielanwendung ein Kompromiss nötig ist.

 

Ein allergisierendes Potenzial geht von allen Desinfektionsmitteln aus, wenn sie über längere Zeit angewendet werden. Dem kann man nur ent­gegenwirken, wenn man in größeren Zeitabständen Präparate mit unterschiedlichen Wirkstoffen anwendet.

 

Einen guten Überblick über zugelassene, auf Basis der Standardmethoden der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) getestete Desinfektionsmittel bietet die Liste des VAH. Sie führt Präparate auf zur prophylaktischen Desinfektion von Händen, Haut, Flächen, Instrumenten und Wäsche und für die hygienische Händewaschung inklusive der nötigen Einwirkzeit und Konzentration sowie des jeweiligen Wirkspektrums.

Tabelle 2: Einteilung gängiger Stoffgruppen in Desinfektionsmitteln; nach VAH-Liste (Stand April 2015)

Stoffgruppe und Beispiele Wirkweise Wirkspektrum Einsatzgebiet Besondere Eigenschaften
Alkohole: Ethanol, 2-Propanol, n-Propanol in Konzentrationen von 60 bis 95 Prozent Denaturierung von mikrobiellen Eiweiß­strukturen nach ­Aufquellen der Zellwände Bakterien, Pilze und behüllte Viren Hände- und Hautantiseptik, Flächen sehr gute Verträglichkeit, schnelle Wirkung, Wirkungslücken bei unbehüllten Viren und Bakteriensporen, Brand- und Explosionsrisiko, ­Eiweißfehler
Aldehyde und Aldehyd­abspalter: Formaldehyd, Glutaraldehyd, Glyoxal Bakterien, Pilze, Viren, zum Teil Sporen Flächen, Instrumente, Wäsche und Räume langsame Wirkung, allergisierendes Potenzial, Schleimhautreizung, Langzeitgefährdung, Geruchs­belastung, Eiweißfehler
Oxidationsmittel: Wasserstoffperoxid, Peroxicarbonsäuren Bakterien, Pilze, Viren, zum Teil Sporen Flächen, Instrumente und Wäsche gute Umweltverträglichkeit, Instabilität (Herstellung der fertigen Lösung kurz vor Gebrauch), Explosionsgefahr, Korrosionsgefahr für manche Materialen
Halogene: Chlor-abspaltende Verbindungen, Chloramide, Chlorhexidin-Derivate Iod-haltige Verbindungen: Povidon-Iod Störung der ­mikrobiellen Proteinbio­synthese ­(Hemmung der Enzymbildung) Chlorderivate: Bakterien, Pilze, Viren, zum Teil Sporen, Iodverbindungen: Bakterien, Pilze und Viren Chlorderivate: Trink- und Badewasser, Chlorhexidin: antiseptische Mund­spülungen Iodverbindungen: ­Hände-, Haut-, Schleimhaut-, Wundantiseptik Chlorderivate: schlechte Materialverträglichkeit Iodverbindungen: schnelle ­Wirkung, Eiweißfehler, Verfärbung von Gewebe und ­Textilien, Resorptionsrisiko
Alkylamine: Glucoprotamin breites Wirkspektrum Flächen und Instrumente gute Materialverträglichkeit (außer Elastomere und Silikone), gute reinigende Eigenschaften
Quartäre Ammonium­verbindungen: Benzal­konium und Cetylpyridinium Veränderung der bakteriellen Zellmembran und Auflösung teilweise wirksam gegen Bakterien und behüllte Viren Händedesinfektion (Zusatz zur Wirkungs­steigerung und -­verlängerung), Konservierungs­mittel, Lebens­mittel- und Küchenbereich geringe Toxizität, gute Reinigungsleistung und Materialverträglichkeit, kleines Wirkspektrum, Wirkungs­verlust durch hartes Wasser, Eiweißfehler, Klebeeffekt auf Flächen, Risiko der Resistenzentwicklung
Guanidine: Polyhexanid teilweise wirksam gegen Bakterien, Pilze und behüllte Viren Schleimhaut-, ­Wundantiseptik (in Kombi­präparaten) schmales Wirkungsspektrum, kein Eiweißfehler , kein allergisierendes Potenzial, gute Verträglichkeit, Förderung der Wundheilung, ­lange Wirksamkeit (Remanenz)
Pyridine: Octenidin Bakterien, Pilze und behüllte Viren Händedesinfektion, ­Haut-, Schleimhaut-, Wundantiseptik (Kombination mit ­Phenoxyethanol, ­ Iso- oder n-Propanol) kein allergisierendes Potenzial, gute Verträglichkeit, lange Wirksamkeit (Remanenz)
Amphotere Tenside: Alkyloligoamin­carbonsäure Bakterien, behüllte Viren und Pilze Lebensmittelbereich kleiner Eiweiß- und Seifenfehler
Phenole: Chlorokresol Bakterien, behüllte Viren, zum Teil Pilze Flächen und ­Instrumente (in Kombipräparaten), Desinfektion von Ausscheidungen Eher obsolet, geringer Eiweiß­fehler, starke Geruchsbelastung und Toxizität, schlechte Umwelt­verträglichkeit
Säuren und Laugen: Benzoesäure, Alkalihydroxide teilweise wirksam gegen Bakterien, Pilze und behüllte Viren Hände, Instrumente und Flächen (Säuren, als Zusatz), ­Desinfektion von Ausscheidungen (Laugen)
Glykolderivate: Propylenglycol teilweise ­wirksam gegen Bakterien und Pilze Konservierungsstoff Beispiel: Basiscreme DAC

Desinfektion von Wunden

 

Zunächst muss bei einer Verletzung geklärt werden, ob es ausreicht, dass die Wunde selbst behandelt wird. Starke Rötung, Schwellung, Schmerzen und starke Eitersekretion weisen auf eine Wundinfektion hin und machen einen Arztbesuch unumgänglich. Ebenso gehören sehr tiefe Wunden unter ärzt­liche Aufsicht. Bei oberflächlichen, kleineren Schnitt- oder Schürfverletzungen spricht nichts gegen eine Selbstversorgung durch den Patienten.

 

Nach vorsichtiger Reinigung mit Trinkwasser ist eine Desinfektion der Wunde sinnvoll, um das Infektions­risiko zu reduzieren und eine ungestörte Wundheilung zu ermöglichen. Bei Wunden spielt der sogenannte Eiweißfehler von Desinfektionsmitteln eine Rolle. Er beschreibt eine Wirkungsverminderung bei Kontakt mit Ausscheidungen oder Körperflüssigkeiten wie Blut, Sekreten und Faeces durch eine Reaktion mit Proteinen, die zu einer Koagula­tion führt. In diesen Proteinkonglomeraten werden auch Keime eingeschlossen, zu denen das Desinfektionsmittel nicht mehr vordringen kann. Sie bleiben dadurch infektiös und erschweren in der Folge die Wundheilung. Für nässende oder blutende Wunden sollte also ein Mittel ohne oder mit nur geringem Eiweißfehler verwendet werden (Tabelle 2).

Das Apothekenteam kann ver­schiedene Mittel empfehlen. Sehr beliebt ist die Kombination aus Octenidin und Phenoxyethanol oder n- sowie ­Isopropanol. Das Pyridin-Derivat Octenidin hat kein allergisierendes Poten­zial und ist gut verträglich. Die Wirkung setzt zügig ein und hält lange an. Zudem ist der Eiweißfehler gering. Octenidin erwies sich in In-vitro-Untersuchungen aufgrund seines kationischen Charakters als nicht geeignet zur Spülung von Knorpelgewebe. Gründe, die gegen eine äußerliche Anwendung sprechen, gibt es aus dieser Sicht jedoch nicht, da die Resorption in tiefere Gewebeschichten zu keinen relevanten Konzentrationen führt.

 

Eine Alternative stellt das Guanidin Polyhexanid dar, das keinen Eiweißfehler aufweist und ebenfalls lange wirksam, gut verträglich und frei von einem allergisierenden Potenzial ist. Das Wirkspektrum ist zwar etwas schmaler und die Wirkung tritt mit einer Verzögerung von etwa einer halben Stunde ein; dafür werden Polyhexanid wundheilungsfördernde Effekte zugeschrieben und es hat eine tiefe Gewebegängigkeit.

 

Aufgrund der geringen Datenlage zur Anwendung bei Säuglingen und Kleinkindern empfehlen die Hersteller solcher Präparate die Anwendung nur bei strenger Indikationsstellung.

 

Schließlich sind Präparate mit Povidon-Iod zu nennen. Auch sie wirken schnell und haben ein breites Wirkspektrum (bakterizid, sporozid, fungizid, viruzid), haben jedoch einige Nachteile. Iod hat einen nicht zu vernachlässigenden Eiweißfehler, kann resorbiert werden und verfärbt Textilien und Gewebe. Da resorbiertes Iod die Schilddrüse beeinflussen kann, sollten Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen solche Präparate nicht großflächig oder über längere Zeit anwenden. Besser ist es, auf andere Desinfektionsmittel ­auszuweichen. Aufgrund der hohen ­Resorption sind Iod-haltige Desinfek­tionsmittel auch für Schwangere, Stillende, Neugeborene, Säuglinge und Kinder ungeeignet.

 

Infektionserkrankungen auf Reisen können nicht nur das Erlebnis schmälern, sondern gesundheitlich an Grenzen führen. Umso wichtiger sind – je nach Reiseziel – die entsprechenden Impfungen. Zudem sollte jeder Reisende grundlegende hygienische Regeln beachten.

 

Hygieneregeln auf Reisen

Die mit Abstand häufigsten Infektionserkrankungen betreffen den Gastro­intestinaltrakt und führen zu Diarrhö oder Erbrechen. Meist sind sie auf hygienische Mängel in Lebensmitteln oder Leitungswasser zurückzuführen, da die hygienischen Standards in der Lebensmittelverarbeitung in vielen Reise­ländern nicht den gleichen strengen Regeln unterliegen wie in den meisten Industrieländern. Generell gilt die präventive Grundregel: »cook it, peel it or forget it«.

 

Das klassische Haut- und Händedesinfektionsmittel kann Übertragungswege unterbrechen, die auf der peroralen Aufnahme von Keimen aus Kontakten mit Oberflächen in der Umgebung basieren. Als allgemeine Empfehlung sollte ein Desinfektionsmittel mit begrenzt viruzider Aktivität verwendet werden, da ein sehr breites Spektrum von Erregern abgedeckt wird. Wenn spezifische Infektionserreger bekannt sind, kann ein Präparat nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts ausgewählt werden.

 

Ein nicht unwesentliches Risiko auf Reisen stellen Infektionen von Wunden, Verletzungen oder Insekten­stichen dar. Neben übertragbaren Krankheiten durch Insekten kann es zu Wundinfektionen durch Umge­bungskeime kommen. Daher sollten Wundreinigung und Desinfektion nicht vernachlässigt werden. Hier sind Präparate mit Octenidin, Polyhexanid oder Iod-abspaltenden Verbindungen, zum Beispiel Povidon-Iod, geeignet. Um unnötige Schmerzen und Brennen zu vermeiden, sollte das Desinfek­tionsmittel möglichst keinen Alkohol enthalten.

 

Trinkwasser aufbereiten

 

Insbesondere Fernreisende sollten nur abgekochtes Wasser oder Wasser aus original verschlossenen Flaschen trinken und Eiswürfel in Getränken meiden. Um Wasser aus unsicheren Quellen trinkbar zu machen, ist die wichtigste Maßnahme das Abkochen. Bei ausreichend langer Erhitzung, zum Beispiel Kochen für mindestens fünf Minuten auf Meereshöhe, werden alle Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Viren, Protozoen und andere Parasiten inaktiviert. In größeren Höhen muss die Abkochzeit verlängert werden, da der Siedepunkt von Wasser niedriger liegt (97 °C bei 900 m, 93 °C bei 2100 m, 90 °C bei 3000 m) und somit eine längere Erhitzung zur sicheren Abtötung von Keimen nötig ist.

Auch mit Wasserentkeimungstabletten, die auf Basis von Silberionen oder Chlorverbindungen antimikrobiell wirken, gelingt eine Aufreinigung des Wassers. Dabei werden keine Trübstoffe oder Chemikalien entfernt und die Inaktivierung von Viren, Protozoen oder Parasiten kann unter Umständen unvollständig sein. Zudem wird der Geschmack von Chlorrückständen meist als sehr störend empfunden. Dafür sind solche Tabletten leicht und kompakt und eignen sich insbesondere bei eingeschränktem Wandergepäck.

 

Weitere Systeme zur Wasseraufbereitung sind Filter mit Porengrößen im Mikrometerbereich. Filter mit Porengrößen ≤ 0,2 µm halten die meisten Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze oder Einzeller zurück. Die meisten Viren oder Chemikalien werden allerdings kaum erfasst. Um auch Chemikalien oder Viren zuverlässig abzutrennen, werden kombinierte Systeme mit Aktiv­kohle-Einheiten und Filtern im Mikrometer­bereich verwendet. Solche umfänglichen Systeme sind nur für Reisende notwendig, die sich abseits aller Wege in naturbelassenen Gebieten befinden und ihr Trinkwasser vor Ort gewinnen müssen.

 

Haushalt: Meist reicht normale Hygiene

 

Der Hygienestandard in privaten Haushalten ist heutzutage sehr hoch, nicht zuletzt bedingt durch technische Errungenschaften wie Kühlschrank und Spülmaschine sowie der ständigen Verfüg­barkeit von fließendem sauberem Trinkwasser. Im Allgemeinen reicht daher eine gründliche Reinigung, vor allem von Händen, Küche und Bad mit Seife oder handelsüblichen tensidischen Reinigern. Das Apothekenteam sollte darauf hinweisen, dass der übermäßige und falsche Einsatz von Des­infektionsmitteln zu resistenten Mikroorganismen und Allergien beim Menschen führen kann.

 

Die wichtigste Hygienemaßnahme im Haushalt ist das Händewaschen mit Seife. Dies gilt grundsätzlich vor jeder Zubereitung von Lebensmitteln und vor dem Essen, nach Kontakt mit Risikolebensmitteln wie rohem Fleisch oder mit Körperflüssigkeiten, nach Toilettenbenutzung, Windelwechseln, Naseputzen, Kontakt mit Tieren oder mit kontaminierten Gegenständen wie Abfall. Das Verschleppen von Keimen aus rohen Lebensmitteln oder die unzureichende Lagerung oder Zubereitung von Lebensmitteln sind nicht zu unterschätzen, denn diese sind oft alleinige Ursache für gastrointestinale Beschwerden.

 

Beim Wäschewaschen in der Maschine ist in der Regel kein Desinfiziens nötig, wenn regelmäßig bei 60 °C gewaschen wird. Die Zugabe von bleichmittelhaltigem Waschmittel beugt zudem Biofilmen im Gerät vor. Für die Wäsche selbst gilt: Je heißer, desto besser, sofern es die Beschaffenheit der Textilien zulässt. Vor allem bei Haut- und Schleimhautpilzen, zum Beispiel Fuß- oder Vaginalpilz, oder Magen-Darm-Infektionen sind hohe Temperaturen angezeigt. Die Zugabe von Des­infektionsmitteln ist in vielen Fällen eine Zusatzmaßnahme und nicht zwingend notwendig. Am ehesten ist sie zu vertreten, wenn die Wäsche deutlich unter 60 °C gewaschen wird und eine Infektion mit resistenten Erregern, Salmonellen oder anderen hartnäckigen Krankheitserregern vorliegt.

 

Manche Situationen erfordern zusätzliche Maßnahmen, vor allem wenn Familienmitglieder einer Risikogruppe angehören, zum Beispiel Säuglinge, Kleinkinder, Schwangere und alte ­Menschen. Dies gilt zum Beispiel bei Magen-Darm-Infektionen in der Familie. Hier ist eine zusätzliche Verwendung von Desinfektionsmitteln für die ­Hände und auch für Oberflächen wie WC-Brille, Badarmaturen, Schalter und Türgriffe sinnvoll. Da bei Magen- Darm-Infekten nicht immer geklärt ist, welcher Erreger verantwortlich ist, empfiehlt es sich, auf ein Desinfektions­mittel zurückzugreifen, das auch viruzid wirkt. Insbesondere Noroviren sind relativ widerstandsfähig gegenüber Umweltbedingungen und werden verläss­licher inaktiviert. Desinfektionsmittel mit viruzider Aktivität sind sowohl in der VAH-Liste als auch in der IHO-Viruzidie-Liste aufgeführt.

Richtig verhalten bei Immunschwäche

Jede Infektionskrankheit bedeutet ein sehr großes Risiko für immungeschwächte Personen. Dazu gehören auch Pilzinfektionen, die aufgrund kleinster Pilzsporen bis in die unteren Atemwege vordringen können. Daher ist es für Patienten sehr wichtig, potenzielle Schimmelquellen zu vermeiden. Das sind nicht nur feuchte Wände in Bad oder Keller, sondern auch Blumenerde im Wohnbereich, Bioabfall oder verdorbene Lebensmittel in der Küche, Baustaub oder jegliches biologisches Material im Garten. Vogelkäfige und Katzentoiletten sollte unbedingt eine gesunde Person reinigen.

 

Bei der Nahrungsauswahl gilt: Rohes Fleisch, rohe Eier und Rohmilchprodukte sind tabu. Vorsicht ist angesagt bei Leitungswasser und Salat, der nicht selbst gewaschen wurde. Obst und Gemüse muss entweder effektiv gewaschen oder durcherhitzt werden. Auch Nüsse sollten nur hitze­behandelt verzehrt werden.

 

Einen Patientenleitfaden mit weiterführenden Informationen, zum Beispiel zu Körperhygiene, sozialen Kontakten, Haustieren, Sport und Impfungen, hat das Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit erstellt (www.ihph.de/aktuelles.php).

 

Desinfektion schützt Immunsupprimierte

 

Lebt im Haushalt ein Patient, der zum Beispiel durch Zytostatika-Therapie oder Medikamente nach einer Organtransplantation immunsupprimiert ist, müssen der Betroffene und alle Mit­bewohner zahlreiche Hygienemaßnahmen beachten. Ziel ist es, das Risiko einer Infektion für den Patienten zu redu­zieren. Das Ausmaß der Immunschwäche hängt von vielen Faktoren ab, wie Behandlungsintensität, Therapiezeitpunkt und Grunderkrankung. Der behandelnde Arzt kann über die zu erwartende Immunschwäche informieren.

 

Grundregel für alle Personen im Haushalt ist eine konsequente Händehygiene. Einige Hinweise, wie man sich vor der Übertragung von Keimen über die Hände schützen kann:

 

  • Vermeiden von Handkontakten wie Händeschütteln,
  • Benutzung des Ellenbogens zum Öffnen von Türen und Bedienen der Waschbeckenarmaturen,
  • Händewaschen mit Wasser und Seife aus dem Spender mit täglichem Wechsel von Handtuch und Waschlappen,
  • Händedesinfektion und
  • Tragen von Einmalhandschuhen.

Geeignete Hände-Desinfektionsmittel sind alkoholbasierte Produkte, die verschiedene Zusätze enthalten können. Zweckmäßige Präparate sind in der Liste des VAH aufgeführt.

 

Sollen Desinfektion und Händereinigung kombiniert werden, müssen die Hände zuerst gewaschen und sorgfältig abgetrocknet werden. Erst danach folgt die Desinfektion. Dabei ist auf eine vollständige Benetzung aller Areale zu achten. Vor allem Fingerzwischenräume, Nagelfalzbereiche und Daumen werden häufig vergessen. Ferner ist entscheidend, dass die vom Hersteller vorgegebene Einwirkzeit eingehalten wird und die Hände während der ganzen Zeit durch das Desinfektionsmittel feucht bleiben.

 

Eine Hände-Desinfektion ist angezeigt nach jedem Toilettenbesuch, nach Naseputzen, Niesen oder Husten in die Hand, dem Wechseln von Windeln, dem Sortieren von schmutziger Wäsche, nach dem Nachhausekommen sowie vor und nach jeder Mahlzeitenzubereitung. Ringe sowie Schmuck an den Händen, Nagellack und künstliche Fingernägel sind zu vermeiden, da sie den Erfolg von hygienischen Maßnahmen erschweren.

 

Patienten sollten alle unsauberen Arbeiten möglichst vermeiden oder ­gegebenenfalls beim Verarbeiten von rohem Fleisch, Putzen, Gartenarbeit, Windelwechseln oder Kontakt mit Erbrochenem Einmalhandschuhe tragen.

 

Kontaktpersonen von immunsupprimierten Patienten sollten einen Mund-Nase-Schutz (MNS) tragen, wenn sie Husten, Schnupfen oder Halsschmerzen haben oder an einem Lippenherpes leiden. Der Patient selbst sollte einen MNS verwenden, wenn er sich in Phasen hochgradiger Immunschwäche in der Öffentlichkeit bewegt. Der Aufenthalt im gleichen Raum mit Personen, die an Wind­pocken, Masern, Ringelröteln, Keuchhusten, Grippe und Dreitagefieber ­erkrankt sind, ist unbedingt zu vermeiden (Expositionsprophylaxe). Ist die potenzielle Gefährdung unvermeidlich, sollte das Apothekenteam ihm eine passgenaue FFP2-Atemschutzmaske empfehlen.

 

Sonderfall: Pflege einer Person mit MRSA

 

Staphylococcus aureus ist ein typischer Besiedler der physiologischen Haut- und Schleimhautflora. Er gehört aber auch zu den häufigsten Keimen, die in Zusammenhang mit Wundinfektionen, Abszessen, Osteomyelitiden, Endoprothesen-Infektionen, Sepsis und Pneumonie diagnostiziert werden.

 

Die Abkürzung MRSA steht für »Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus«. Methicillin war eines der ersten klinisch eingesetzten Penicillinase-resistenten ß-Lactamantibiotika. Darüber hinaus können weitere Resistenzen gegen andere Antibiotikaklassen, zum Beispiel Makrolid-, Lincosamid oder Chinolon-Antibiotika, vorhanden sein. Die Übertragung von S. aureus erfolgt vorwiegend über Schmierinfektionen bei zwischenmenschlichen Kontakten oder über kontaminierte Gegenstände. Im klinischen Umfeld sind MRSA-Infektionen durch eine erhöhte Letalität gekenn­zeichnet.

 

Im häuslichen Bereich erkranken gesunde Menschen eher selten, können aber durch Kontakt selbst zu MRSA-Trägern werden. Eine Isolation MRSA-tragender Pflegebedürftiger, wie sie im klinischen Umfeld praktiziert wird, ist aufgrund des sehr geringen Risikos für die Pflegeperson zuhause weder notwendig noch sinnvoll. Eine der wichtigsten und einfachsten Möglichkeiten, die Übertragung von MRSA zu unterbrechen, ist die konsequente Händehygiene – sowohl durch den Pflegenden als auch den Patienten. Das heißt: vor und nach Mahlzeiten, nach Toilettengängen, Berührung von Oberflächen oder Gegenständen von MRSA-Trägern sowie nach Kontakt mit MRSA-Trägern Hände waschen und möglichst desinfizieren.

 

MRSA wie auch nicht multiresistente Staphylokokken werden zuverlässig durch bakterizide Desinfek­tionsmittel inaktiviert. Entsprechende Präparate enthalten vor allem Alkohole in Kombination mit quartären oder Iod-abspaltenden Verbindungen oder Guanidinen. MRSA-Träger sollten bei der täglichen Körperhygiene nur eigene Utensilien benutzen. In der am­bulanten Pflege MRSA-besiedelter Patien­ten reduziert persönliche Schutzkleidung und deren regelmäßige hygienische Aufarbeitung wesentlich die Erregerübertragung auf das Pflegepersonal.

 

Kritischer ist der MRSA-Keim für Patien­ten mit geschwächtem Immunsystem, Menschen mit Diabetes oder Dialysepatienten. Insbesondere die Übertragung auf Wunden kann zu schwer heilbaren Infektionen führen. Bei diesen Patienten sollte eine MRSA-Sanierung erfolgen. Hier sind meist noch striktere Hygienemaßnahmen einzuhalten, kombiniert mit einem ­rationalen Einsatz von Antiseptika ­(antiseptische Waschung) und der Anwendung von Antibiotika wie Mupi­rocin-Nasensalbe. /

Literatur 

  1. Suerbaum, S., et al., Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, 7. Aufl., Springer-Verlag GmbH Berlin 2012.
  2. Stock, I., Bakterien, Viren, Wirkstoffe. Mikrobiologie für Pharmazeuten und Mediziner. Govi-Verl. Eschborn 2009.
  3. RKI, Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle von Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus-Stämmen (MRSA) in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen. Bundesgesundheitsbl. 57 (2014) 696-732. DOI 10.1007/s00103-014-1980-x
  4. Sender, R., et al., Revised estimates for the number of human and bacteria cells in the body. PLOS Biology Aug 2016.
  5. Exner, M., et al., Hygiene-Tipps für immunsupprimierte Patienten zur Vermeidung übertragbarer Infektionskrankheiten. www.ihph.de/hygienetipps-immunsupprimiert.pdf

Die Autoren

Mirko Bergmannstudierte Pharmazie in Leipzig und erhielt Ende 2004 die Approbation zum Apotheker. Er kann auf mehrere Jahre Erfahrung in der öffentlichen Apotheke zurückblicken und absolvierte ein Promo­tionsstudium am Institut für Virologie der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden. Nach Ende der Promotion 2012 arbeitet Dr. Bergmann seit Anfang 2013 im ZL in der Abtei­lung QS-Apothekenpraxis.

 

Lisa Schlegel studierte Pharmazie an der Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz, und erhielt 2007 die Approbation. Seit Mitte 2007 arbeitet sie im ZL. Schlegel ist stellvertretende Leiterin der Abteilung QS-Apothekenpraxis und betreut die Ringversuche zur Qualitätssicherung von Blutuntersuchungen sowie des Hygienemonitorings für Apotheken.

 

Dr. Mirko Bergmann und Lisa Schlegel

Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker

Carl-Mannich-Straße 20

65760 Eschborn

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