Arzneimittel und Nahrung per Sonde |
Arzneistoffe mit Verdacht auf krebserzeugende, mutagene und reproduktionstoxische Eigenschaften (KMR, früher CMR genannt) erfordern spezielle Vorsicht im häuslichen Umfeld, besonders bei der Applikation über eine Ernährungssonde. Zu diesen Substanzen gehören vor allem klassische Zytostatika zur intravenösen und peroralen Verabreichung. Aber auch tumorwirksame niedermolekulare Wirkstoffe zur oralen Verabreichung gehören vielfach in diese Gruppe.
Diese Medikamente können bei falscher Anwendung auch für die umstehenden Personen toxische Wirkungen haben. Die pflegende Person muss bei der Vorbereitung und Applikation Handschuhe tragen, die eine chemoprotektive Wirkung mit einer Durchdringzeit von mindestens 20 Minuten aufweisen. Die Werkzeuge sind separat nur für diese Anwendung zu nutzen und die Bildung von Stäuben ist zu vermeiden. Tabelle 2 zeigt einige ausgewählte Zytostatika, die über eine Sonde appliziert werden können.
Wirkstoff, Fertigarzneimittel (Beispiel) | Arzneistoffgruppe | Indikation | Bemerkung |
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Anastrozol, Arimidex® | Aromatase-Inhibitor | Mammakarzinom | Mindestgröße der Sonde 6,5 CH |
Capecitabin, Xeloda® | 5-FU-Prodrug, Pyrimidinanalogon | kolorektales Karzinom | Mindestgröße der Sonde 6,5 CH |
Cyclophosphamid, Endoxan® INF | Alkylans | liquide Tumore, Mammakarzinom | Infusionslösung muss zur Applikation verwendet werden |
Estramustin, Multosin® | Alkylans, Estrogen | Mammakarzinom | |
Etoposid, Vepesid® | Topoisomerase-Hemmer II | Lungenkarzinom | |
Hydroxycarbamid, Litalir® | DNA-Synthese-Hemmer | CML | |
Imatinib, Glivec® | Tyrosinkinase-Inhibitor | CML | |
Letrozol, Femara® | Aromatase-Inhibitor | Mammakarzinom | |
Lomustin, Cecenu® | Alkylans | Hirntumore, liquide Tumore | |
Methotrexat, Lantarel® | Folsäure-Antagonist | liquide Tumore, Hirntumore | |
Niraparib, Zejula® | PARP-Inhibitor | Ovarialkarzinom | |
Tamoxifen, Tamoxistada® | Estrogenrezeptor-Modulator | Mammakarzinom | ohne Zermörsern in Wasser suspendierbar |
Tivozanib, Fotivda® | Tyrosinkinase-Inhibitor | Nierenzellkarzinom | |
Treosulfan, Ovastat® | Alkylans | Ovarialkarzinom |
Da Arzneimittel in festen Darreichungsformen für eine sondengängige Vorabproduktion in der Apotheke in aller Regel zu instabil sind, muss die Sondenlösung kurz vor der Applikation vorbereitet werden. Dabei ist zu beachten, dass ein Zerkleinern oder Mörsern von oralen Zytostatika im häuslichen Umfeld nicht infrage kommt, da dies unter geeigneten Sicherheitsbedingungen durch ausgebildetes Fachpersonal erfolgen muss (8). Dies ist eine pharmazeutische Arbeit, die eine Apotheke übernehmen muss. Gleiches gilt für das Öffnen von Kapseln mit KMR-verdächtigen Arzneistoffen.
Zur Suspension sollte ein in sich geschlossenes System verwendet werden. Das heißt: Tabletten oder Kapseln werden mit dem Suspensionsmittel in eine Spritze gegeben; dann wird die Spritze über einen weiblich/weiblich-Adapter mit einer zweiten Spritze verbunden und durch Hin- und Herspritzen in die beiden Spritzen wird eine Verwirbelung erzeugt, mit der die Suspension oder Lösung entsteht. Bei einer Filmtablette gilt folgendes: Vor dem Mischen über die zweite Spritze kann man die gelöste Tablette in die zweite Spritze überführen und somit den Film abfiltern und die erste Spritze durch eine saubere dritte ersetzen.
Die Arzneimittel sollten stets gut verschlossen aufbewahrt werden, damit ein Zugang durch Unbefugte des Haushalts, zum Beispiel Geschwisterkinder, verhindert wird.
Bei der Entsorgung von Arzneimittelresten gelten grundsätzlich die Empfehlungen des Medikamentenbeipackzettels. Für die Entsorgung von Zytostatika-Resten gilt, dass sie nicht über Hausmüll, Toilette oder Spüle entsorgt werden dürfen (9). Restmengen von Zytostatika-haltigen Arzneimitteln sollten immer über Apotheken entsorgt werden, die Sammelbehältnisse für Zytostatikaabfälle besitzen. Diese Sammelbehältnisse werden von speziellen Entsorgungsunternehmen abgeholt und hochtemperiert verbrannt. Bei der Sammlung und der späteren Übergabe an die Entsorgungsfirma sind die abfallrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes einzuhalten (10).
Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) www.dgem.de/sites/default/files/PDFs/Leitlinien/S3-Leitlinien/073-021l_S3_K%C3%BCnstliche_Ern%C3%A4hrung_ambulant_2014-04.pdf
European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) www.espen.org/files/ESPEN-Guidelines/ESPEN_guideline_on_home_enteral_nutrition.pdf
BAK Arbeitshilfen, Formblatt Verabreichung von Arzneimitteln über die Sonde www.abda.de/fuer-apotheker/qualitaetssicherung/leitlinien/leitlinien-und-arbeitshilfen/
Gudrun Heyn wurde an der Freien Universität Berlin promoviert und hat in verschiedenen Institutionen geforscht und gearbeitet, darunter am Forschungszentrum Karlsruhe und am Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung. Sie erfüllte Lehraufträge an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg, und der Freien Universität Berlin. Nach ihrer journalistischen Ausbildung war sie als freie Wissenschaftsjournalistin in Berlin tätig. Dr. Heyn ist Chefredakteurin der Fachzeitschrift »Onkologische Pharmazie« der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP).
Katrin Wolber ist Inhaberin der Apotheke am Kreisel in Königstein und weitergebildete Apothekerin für onkologische Pharmazie, Palliativpharmazie und parenterale Ernährung. Sie betreibt in ihrer Apotheke ein eigenes Sterillabor, in dem sie ein großes Portfolio an sterilen Zubereitungen herstellt, angefangen von Ophthalmika über Infusionszubereitungen im Bereich Zytostase bis zu parenteraler Ernährung. Wolber betreut Palliativpatienten aus den umliegenden Palliativteams im Rahmen eines AMTS-Programms mit Medikationschecks und arbeitet ehrenamtlich in der Europäischen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (ESOP) als erste Delegierte für Deutschland und in der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP) als Europabeauftragte mit.