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Orale Tumortherapeutika

Krebstherapie zu Hause

In der Krebstherapie gewinnen orale Tumortherapeutika an Bedeutung. Zugleich wird die Behandlung der Krebskranken immer komplexer. Mitten in diesem Wandel steht der Patient mit seiner Diagnose, den Ängsten und Medikamenten, die er eigenverantwortlich zu Hause einnehmen soll.
Alena Härtel
Gudrun Heyn
Franziska Ockert-Schön
07.11.2021  08:08 Uhr

Zu den oralen Tumortherapeutika zählen klassische Zytostatika, Immunmodulatoren, Hormonrezeptorantagonisten und -agonisten sowie Kinase-Inhibitoren (Tabelle 1). Derzeit sind mehr als 100 Wirkstoffe auf dem Markt. Sie haben oftmals eine geringe therapeutische Breite, meist ein erhebliches Neben- und Wechselwirkungspotenzial und zum Teil sehr komplexe Einnahmevorschriften. Zudem weisen einige von ihnen KMR-Eigenschaften (KMR: karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch) auf. Orale Tumortherapeutika sind daher besondere Medikamente mit einem hohen Erklärungsbedarf.

Wirkstoffgruppe Arzneistoffe (Beispiele)
Klassische Zytostatika
Alkylanzien Busulfan, Chlorambucil, Melphalan
Antimetabolite 5-FU-Derivate (Capecitabin, Trifluridin/Tipiracil), 6-Mercaptopurin, Methotrexat
Immunmodulatorische Substanzen Lenalidomid, Pomalidomid, Thalidomid
Mitosehemmstoffe (Vinca-Alkaloide) Vinorelbin
Podophyllotoxin-Derivate Etoposid
Topoisomerase-I-Hemmer Topotecan
Topoisomerase-II-Hemmer Idarubicin
Sonstige Hydroxycarbamid, Hormone und Antihormone
Enzyminhibitoren
Poly-(ADP-ribose)-Polymerase-Inhibitoren (PARPi) Olaparib, Rucaparib, Talazoparib
Proteasomen-Inhibitoren Ixazomib
Histon-Deacetylase-Inhibitoren (HDACi) Panobinostat
DNA-Methyltransferase-Inhibitoren (DNMTi) Azacitidin
Hemmstoffe regulatorischer Proteine Venetoclax
Hedgehog-Inhibitoren (Hhi) Glasdegib, Sonidegib, Vismodegib
Kinase-Inhibitoren
Tyrosinkinase- und Serin-Threoninkinase-Inhibitoren Acalabrutinib, Bosutinib, Cabozantinib, Crizotinib, Encorafenib, Imatinib, Lapatinib, Palbociclib, Selpercatinib, Tucatinib
Tabelle 1: Beispiele von in Deutschland zugelassenen Wirkstoffen zur oralen Behandlung von Krebserkrankungen (Quellen: ABDA-Datenbank, Stand 27.6.2021, Oralia-Datenbank der DGOP, Stand 4.8.2021)

Vor der Verordnung prüft der behandelnde Onkologe, ob der Patient in der Lage ist, die Therapie eigenverantwortlich allein auszuführen. Löst der Patient anschließend die Verordnung in der Apotheke seiner Wahl ein, kann das pharmazeutische Personal mit seinem Fachwissen die ärztliche Betreuung unterstützen. Dafür sprechen auch psychologische Gründe: So können Kranke beim Erstgespräch mit ihrem Arzt oft nur wenige Fakten aufnehmen. Sie müssen die Diagnose verarbeiten und machen sich Sorgen, wie es zu Hause und in der Arbeit weitergeht. Viele Patienten haben anschließend noch Gesprächs- und Informationsbedarf. Genau da kann die öffentliche Apotheke als niederschwelliger Zugang beratend und betreuend zur Seite stehen.

Wie bedeutend eine engmaschige pharmakologisch-pharmazeutische Therapiebegleitung ist, zeigt die Ambora-Studie (1). Patienten in der Interventionsgruppe, die ausführlich betreut wurden, hatten im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich weniger (schwerwiegende) Nebenwirkungen, ein deutlich besseres Befinden und wussten mehr über die Therapie. Therapieabbrüche, ungeplante Klinikaufenthalte und Todesfälle traten seltener auf.

Auch wegen der spezifischen Besonderheiten der Tumortherapeutika ist die Betreuung von Krebskranken für jede Apotheke eine Herausforderung. Insbesondere für das Personal in öffentlichen Apotheken ist es daher wichtig, sich auf dem Gebiet der oralen Onkologika fortzubilden und zuverlässige Informationsquellen zu nutzen.

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