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Demenzpatienten

Wie gelingt eine gute Ernährung?

Ältere und alte Menschen brauchen weniger Energie, doch genauso viele Nährstoffe wie Jüngere. Das ist oft nicht einfach umzusetzen. Besonders Menschen mit Demenz sind oft mangelhaft versorgt, weil ihnen das Essen zunehmend schwerfällt.
Hannelore Gießen
27.02.2022  08:08 Uhr

Viele Senioren sind unzureichend mit Makro- und Mikronährstoffen versorgt. Besonders gefährdet sind kranke, pflegebedürftige und hochbetagte Menschen. Gesicherte Daten zur Häufigkeit von Mangelernährung im Alter insgesamt liegen für Deutschland bisher nicht vor, wohl aber zur Situation in Kliniken und Pflegeheimen. Laut dem aktuellen Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind bis zu 30 Prozent der Patienten und bis zu 25 Prozent der Heimbewohner mangelernährt.

Dies ergab die Auswertung der nutritionDay-Daten, die zwischen 2006 und 2018 erhoben wurden, um die Häufigkeit von Mangelernährung in Kliniken und Pflegeheimen in Deutschland erstmals systematisch zu erfassen (DOI: 10.4455/eu.2019.045). »Ich plädiere sehr dafür, die Ernährung in Kliniken und Pflegeheimen verstärkt in den Blick zu nehmen, um einer Mangelernährung vorzubeugen und bestehenden Problemen möglichst rasch und umfassend zu begegnen«, sagt Projektleiterin Professor Dr. Dorothee Volkert vom Institut für Biomedizin des Alterns der Universität Erlangen-Nürnberg im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung.

Aufgrund dieser Daten empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) ein Screening auf Mangelernährung als festen Bestandteil einer klinischen Behandlung.

Weniger Energie-, aber gleicher Nährstoffbedarf

Der Energiebedarf sinkt im Alter, doch der Bedarf an wichtigen Nährstoffen bleibt unverändert oder steigt aufgrund der nachlassenden Resorption sogar (Kasten). Professor Dr. Diana Rubin, Vorstandsmitglied der DGEM, weist im Gespräch mit der Pharmazeutischen Zeitung auf die oft kritische Versorgung mit den Vitaminen D, B12 und Folat hin, aber auch mit den Vitaminen B1, B6 und C sowie Eisen. Zur Mangelversorgung trage neben einer zu geringen Zufuhr die im Alter sinkende Resorption bei, erläutert die Leiterin des Vivantes-Zentrums für Ernährungsmedizin in Berlin. Vor allem pflegebedürftigen und bettlägerigen Senioren fehle es an Vitamin D, da 90 Prozent dieses Vitamins in der Haut gebildet werden, stimuliert durch das Sonnenlicht bei einem Aufenthalt im Freien. Zudem lässt die endogene Vitamin-D-Synthese mit den Jahren nach.

Bei Vitamin B12 ist das Defizit auf die geringere Sekretion von Magensäure zurückzuführen. Zeigt das Blutbild einen Eisen- oder Folsäuremangel, sei dies meist Ausdruck einer hypokalorischen Ernährung. Da die Vitamine B1, B6, B12 sowie Folsäure den Verlauf psychiatrischer und neurodegenerativer Erkrankungen erheblich beeinflussen, rät die Ernährungsmedizinerin bei einem Mangel zu einer Supplementierung.

Inwieweit ältere Menschen mit Mikronährstoffen schlechter versorgt sind als jüngere, untersuchte kürzlich eine Forschungsgruppe der Abteilung Ernährung und Gerontologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam (DOI: 10.1016/j.redox.2020.101461). Sie wertete die Daten von Teilnehmenden der Berliner Altersstudie aus und bestimmte in deren Blutproben die Konzentration von Carotin, Lycopin, Lutein sowie der Vitamine A und E. Wenig überraschend, aber nun mit harten Daten belegt: Das Blut enthielt deutlich weniger dieser Vitamine und sekundären Pflanzenstoffe, auch nachdem die Werte mit den Ernährungs- und Gesundheitsdaten der Probanden statistisch abgeglichen und andere mögliche Einflussfaktoren herausgerechnet worden waren. Inwieweit die schlechtere Versorgung auf eine verminderte Bioverfügbarkeit im Alter zurückgeht, wird nun weiter erforscht.

Auch an Protein fehle es Senioren häufig, erläutert Ernährungswissenschaftlerin Volkert. Genügen in jüngeren Jahren 0,8 g Protein/Kilogramm Körpergewicht (kg KG), so sollte dieser Anteil bei Menschen ab 65 Jahren auf 1,0 g/kg KG erhöht werden (bei intakter Nierenfunktion). Am besten wird die Eiweißmenge auf die drei Hauptmahlzeiten verteilt, damit mehrmals am Tag eine ausreichend große Menge zur Anregung der Muskelproteinsynthese aufgenommen wird.

Bei älteren Menschen ist der Muskelaufbau schwieriger zu stimulieren als bei jüngeren Erwachsenen. Ursache dieser »anabolen Resistenz« sind Entzündungsprozesse und eine verminderte postprandiale Proteinsynthese. Nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität sei entscheidend, betont Volkert. Besonders gut werde Molkeprotein verwertet, das viel Leucin enthält. Die essenzielle Aminosäure stellt nicht nur ein wichtiges Substrat für den Proteinaufbau dar, sondern stimuliert auch dessen Synthese.

Nicht nur untergewichtige Senioren, sondern auch ältere Menschen mit Normal- oder Übergewicht, die sich einseitig ernähren, sind durch einen Mangel an einzelnen Nährstoffen gefährdet oder können durch Appetitlosigkeit und geringe Nahrungsaufnahme einen Gewichtsverlust erleiden. »Je älter und je gebrechlicher ein Mensch ist, desto schwieriger wird es, genügend und abwechslungsreich zu essen«, so Volkerts Fazit.

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