Wenn Arzneimittel das Herz angreifen |
Viele Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) weisen durch eine unspezifische Bindung an andere Kinasen mehrfache Off-Target-Effekte auf. Einige der so blockierten Signalwege, zum Beispiel die der Tyrosinkinasen RAF1 und KIT, sind in gesunden Herzmuskelzellen an Reparaturmechanismen beteiligt (15).
Die beim Multiplen Myelom eingesetzten Proteasom-Inhibitoren Bortezomib und Carfilzomib können eine Herzinsuffizienz begünstigen. Schon in den Toxizitätsstudien war eine fast komplette Hemmung der Proteasomaktivität in Kardiomyozyten aufgefallen.
Der RAS/RAF/MEK/ERK-Signalweg, der am Wachstum einer Zelle wesentlich beteiligt ist, steht schon seit Jahren im Fokus der Arzneimittelforschung. Ein Eingriff in diese Kaskade hat eine spezifische Therapie beim malignen Melanom und beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom erst ermöglicht. Dazu zählen Inhibitoren der B-RAF-Kinase wie Dabrafenib und Vemurafenib sowie der MAP-Kinasen MEK 1 und MEK 2 wie Binimetinib. Auch bei diesen Substanzen traten unter anderem Kardiomyopathien auf, vor allem bei einer kombinierten Anwendung. Da diese Arzneistoffe noch nicht sehr lange am Markt sind, kann das Risiko erst unzureichend quantifiziert werden (16).
Die relativ neue Gruppe der Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) wie Ipilimumab oder Nivolumab ist häufig mit autoimmun vermittelten Nebenwirkungen assoziiert. Limitierend für eine weiterführende Therapie kann eine durch ICI induzierte Myokarditis sein, die bis zu 5 Prozent der Patienten entwickeln (17).
Foto: ABDA
Orale Onkologika können wie ihr parenteral angewandtes Pendant auf unterschiedliche Art und Weise das Herz-Kreislauf-System schädigen. Vielfältige Arrhythmien, zum Beispiel supraventrikuläre Tachykardien, Bradykardien oder QTc-Zeit-Verlängerungen, sind möglich. Auch ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Erkrankungen und für eine Beeinträchtigung des Herzmuskels konnte gezeigt werden.
Die Verlagerung der Therapie in den ambulanten Sektor bringt auch mehr Verantwortung für die Apotheker und erfordert eine erhöhte Aufmerksamkeit, um die Patienten gut im Auge zu behalten. Mitunter berichten Patienten, die ein oral verfügbares Medikament wie Capecitabin erhalten, in der Apotheke früher über Beschwerden als in der Klinik, wo der nächste Untersuchungstermin vielleicht erst in einigen Wochen ansteht. Dann muss der Patient schnell an den behandelnden Onkologen oder die Klinik verwiesen werden, damit die Therapie angepasst oder auch abgebrochen werden kann.