Viel mehr als nur Krampfschutz |
Durch die ZNS-Gängigkeit der Antikonvulsiva treten insbesondere zentralnervöse Nebenwirkungen auf, die die Patienten als sehr störend empfinden und die die Lebensqualität sehr stark einschränken können (Tabelle 5). Weniger spürbar, jedoch riskanter sind potenzielle Blutbildveränderungen und Leberwerterhöhungen, die unter dieser Wirkstoffgruppe auftreten können. Eine regelmäßige Laborkontrolle ist daher extrem wichtig.
Indikation | In Deutschland für die Indikation zugelassene Antikonvulsiva | Leitlinienempfehlung* |
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Generalisierte Angsterkrankung | Pregabalin | Pregabalin (sollte),Benzodiazepine (abratend) |
Bipolare Erkrankung | Carbamazepin, Valproat, Lamotrigin | akute Depression: Carbamazepin (kann), Lamotrigin (kann), Valproat (abratend)akute Manie: Carbamazepin (sollte), Valproat (sollte), Lamotrigin (keine Empfehlung), Oxcarbazepin (keine Empfehlung), Topiramat (abratend), Levetiracetam (abratend), Gabapentin (abratend), Benzodiazepine (kann, nur kurzfristig)Phasenprophylaxe: Carbamazepin (kann), Lamotrigin (sollte), Valproat (sollte), Gabapentin (keine Empfehlung) |
Schizophrenie | Benzodiazepine (bei Erregungszuständen) | Carbamazepin, Lamotrigin, Valproat (für alle gilt: soll nicht),Benzodiazepine (bei Erregungszuständen: kann, aber zeitlich begrenzt, bei katatoner Schizophrenie: kann, bei Schlafstörungen: nur zeitlich befristet) |
Gewichtsreduktion bei Menschen mit Schizophrenie | keine | Topiramat (soll) |
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) | keine | Valproat, Benzodiazepine, Topiramat, Tiagabin (für alle gilt: soll nicht) |
Impulskontrollstörung im Rahmen von Intelligenzminderungen | keine | Valproat, Topiramat (für beide gilt: wirksam) |
Angstzustände (akute Suizidalität, psychiatrischer Notfall) | Benzodiazepine | Lorazepam, Diazepam (für beide gilt: wirksam) |
Soziale Phobie | keine | Pregabalin (wirksam) |
Depression (unipolar) | keine | Benzodiazepine, alle Antikonvulsiva (für alle gilt: abratend) |
Zwangsstörungen | keine | Benzodiazepine, Topiramat, Pregabalin, Lamotrigin (für alle gilt: soll nicht) |
Tourette, Tic-Störungen | keine | Topiramat (kann als Reservemedikament eingesetzt werden) |
Autismus | keine | Levetiracetam, Valproat, Lamotrigin, Topiramat (für alle gilt: soll nicht eingesetzt werden) |
Alkoholentzugssyndrom | Carbamazepin | Benzodiazepine (soll), Antikonvulsiva (sollte) |
Insomnie | Benzodiazepine | Benzodiazepine (soll, kurzfristig) |
Multiple Sklerose | keine | bei Augenbewegungsstörungen: Gabapentin (kann).Bei epileptischen Anfällen: Carbamazepin (soll nicht) |
*) unterschiedliche Empfehlungsgrade in S1-, S2-, S2k-, S3- und NVL-Leitlinien für die in der Praxis eingesetzten Präparate (in und off Label)
Das Apothekenteam muss über Nebenwirkungen von Antikonvulsiva insbesondere bei der Erstabgabe informieren. Einige Effekte wie Sedierung und Benommenheit lassen im Verlauf der Therapie nach. Bei anderen Nebenwirkungen, zum Beispiel allergischen Hautreaktionen, sollte der Patient sofort Kontakt zum Arzt aufnehmen beziehungsweise sich in der Notaufnahme vorstellen. Diese Beratungshinweise bei Erstabgabe sind essenziell, da ein letaler Verlauf möglich ist.