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Schwangerschaft

Welche Antiepileptika gelten als sicher?

Wenn schwangere Epilepsie-Patientinnen Antikonvulsiva einnehmen, ist unter einigen Wirkstoffen das Risiko für Schäden beim ungeborenen Kind erhöht, wie eine kürzlich veröffentlichte Studie bestätigt. Allerdings kann auch ein epileptischer Anfall Mutter und Kind gefährden. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie rät nun, wie am besten vorzugehen ist.
Daniela Hüttemann
26.08.2019  15:06 Uhr

Etwa 3 bis 4 Prozent aller Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer der zahlreichen Formen der Epilepsie. Die neurologische Erkrankung ist nicht heilbar, laut Deutscher Gesellschaft für Neurologie (DGN) aber in der Regel gut behandelbar. »Doch nicht jedes Medikament ist für jede Epilepsieform geeignet und das individuelle Ansprechen kann unterschiedlich sein, sodass manchmal mehrere Präparate ausgetestet werden müssen, bevor die Patientin optimal eingestellt ist«, erklärt Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.

Bei schwangeren Patientinnen mit Epilepsie sei eine möglichst sichere Anfallskontrolle von besonderer Bedeutung, da Anfälle zu Stürzen führen können, die Mutter und Kind gefährden. Zudem könne es bei sogenannten großen Krampfanfällen auch zur Sauerstoff-Unterversorgung des Fetus kommen. »Eine gute medikamentöse Einstellung ist also wichtig; andererseits sind einige Antiepileptika in der Schwangerschaft problematisch, da sie in der Zeit der embryonalen Organentwicklung, also in den ersten zehn bis zwölf Wochen der Schwangerschaft, zu Fehlbildungen des Embryos führen können«, so Berlit.

Risiko für zehn Arzneistoffe analysiert

Im Juli erschienen im Fachjournal »Neurology« die Ergebnisse einer französischen Kohortenstudie, für die die Daten von knapp 1,9 Millionen Schwangerschaften zwischen Januar 2011 und März 2015 ausgewertet wurden. Dabei untersuchten die Forscher um Pierre-Olivier Blotière von der französischen Gesetzlichen Krankenversicherung das Risiko der zehn am häufigsten eingesetzten Antiepileptika mit Blick auf 23 spezifische angeborene Fehlbildungen.

Als relevante Antiepileptika-Exposition galt eine Einnahme von einem Monat vor bis zwei Monate nach Schwangerschaftsbeginn. In die Auswertungen flossen nur die Daten von Patientinnen mit Monotherapie ein, keine Kombinationen oder andere Substanzen. 2997 Schwangere hatten den Wirkstoff Lamotrigin erhalten, 1671 Pregabalin, 980 Clonazepam, 913 Valproat (Valproinsäure), 579 Levetiracetam, 517 Topiramat, 512 Carbamazepin, 365 Gabapentin, 139 Oxcarbazepin und 80 Phenobarbital. Diesen Patientinnen wurden die Kinder von Schwangeren ohne Medikamentenexposition zur Kontrolle gegenübergestellt.

Laut einer Zusammenfassung der Ergebnisse durch die DGN zeigte sich für Valproat dosisabhängig ein fast zwanzigfach erhöhtes Risiko für die Entstehung einer Spina bifida (umgangssprachlich »offener Rücken«), ein neunfaches Risiko für Herzscheidewand-Defekte, ein über fünffaches Risiko für Lippen-, Kiefer-Gaumenspalten sowie höhere Risiken für Analatresien (fehlende Analöffnung) und Fehlbildungen der Harnröhre.

Bei Topiramat war das Risiko für Lippenspalten fast siebenfach erhöht, während es unter Clonazepam zu höheren Raten an Mikrozephalien (zu kleiner Kopf/Gehirn) kam und unter Phenobarbital zu mehr Herzscheidewand-Defekten. Unter Pregabalin traten Fehlbildungen der Hauptschlagader (Aorta) häufiger auf.

Fünf sichere Alternativen

Keine Zunahme der Fehlbildungsrisiken ließen sich dagegen für Lamotrigin, Levetiracetam, Carbamazepin, Oxcarbazepin und Gabapentin beobachten, berichten die Forscher. Die Studie zeige, dass es Präparate gebe, die nach jetzigem Erkenntnisstand nicht zur Schädigung des Embryos führen, resümiert die DGN.

Wie sollten Ärzte nun bei der Verordnung vorgehen? »Bei einer geplanten Schwangerschaft sollte die Medikation nach Möglichkeit vorab auf risikofreie Substanzen umgestellt werden«, empfiehlt der Neurologe Berlit. Auch könne ein Wechsel auf ein solches Therapieregime in der frühen Schwangerschaft noch sinnvoll sein. »Wenn allerdings aus klinischer Sicht der Einsatz eines Medikaments notwendig ist, das mit Risiken für das Kind einhergeht, weil mit den risikofreien Substanzen keine ausreichende Anfallsprophylaxe erzielt werden kann, muss das Vorgehen mit der Patientin besprochen werden – im Idealfall natürlich vor der Schwangerschaft«, so der Experte. Patientin und Arzt sollten dann gemeinsam die Risiken unkontrollierter Anfälle für Mutter und Kind gegen die Toxizität des Medikaments abwägen.

Die Fachgesellschaft weist im Übrigen nochmals darauf hin, dass Valproinsäure aufgrund der erheblichen Risiken für das ungeborene Kind grundsätzlich nicht bei Frauen im gebärfähigen Alter zur Migräneprophylaxe eingesetzt werden soll. Ähnliches gelte für die psychiatrischen Indikationen von Valproat. Hier könne oft auf Lamotrigin ausgewichen werden.

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