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Valproat in der Schwangerschaft

Risiko für neuronale Entwicklungsstörungen

Die Einnahme des Antikonvulsivums Valproat während der Schwangerschaft erhöht das Risiko für neuronale Entwicklungsstörungen des Babys in der frühen Kindheit um das Vier- bis Fünffache, so die Ergebnisse einer neuen Studie aus Frankreich.
Daniela Hüttemann
27.10.2020  10:36 Uhr

Das embryotoxische Potenzial von Valproat beziehungsweise Valproinsäure bei Einnahme in der Schwangerschaft ist schon seit Langem bekannt. Valproinsäure scheint laut Embryotox sogar das riskanteste antiepileptische Medikament für den Embryo zu sein und sollte, wenn irgendwie möglich, bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter nicht eingesetzt werden. Trotzdem kommt es immer wieder zu Schwangerschaften unter Valproinsäure-Therapie. 

Das Risiko für Fehlbildungen bei Einnahme im ersten Schwangerschaftsdrittel liegt bei bis zu 20 Prozent. Typisch sind Neuronalrohrdefekte wie Spina bifida, aber auch über neurokognitive Entwicklungsstörungen wurde berichtet. In Frankreich wurde das Vorkommen letzterer nun systematisch untersucht. Rosemary Dray-Spira und ihre Kollegen von der französischen Arzneimittelbehörde ANSM werteten dazu die anonymisierten Patientenakten von 1.721.990 Kindern aus, die zwischen Januar 2011 und Dezember 2014 in Frankreich geboren wurden und deren Entwicklung bis Dezember 2016 nachverfolgt wurde.

Auf der einen Seite zählten die Forscher 11.549 Mütter, die während der Schwangerschaft mit Antikonvulsiva behandelt wurden. Auf der anderen Seite erhielten 15.458 Kinder (0,9 Prozent der Kohorte) im Laufe ihrer ersten Lebensjahre die Diagnose einer neuronalen Entwicklungsstörung. Die Wissenschaftler setzten nun die Daten in Relation, um zu sehen, ob es einen Zusammenhang zwischen antikonvulsiver Therapie der Mütter und Entwicklungsstörung der Kinder gibt.

Demnach erhielten 50 von 991 Kindern (5 Prozent), die im Mutterleib Valproinsäure ausgesetzt waren, eine solche Diagnose gegenüber 15.270 von 1.710.441 nicht exponierten Kindern (0,89 Prozent). Damit hatten die Kinder unter Valproinsäure-Therapie der Mutter ein um den Faktor vier bis fünf erhöhtes Risiko, berichten die Forscher im Fachjournal »Scientific Reports«. Das Risiko für eine intellektuelle Einschränkung stieg um den Faktor 5,1. Sprach-, Lern- und motorische Störungen waren 4,7-mal häufiger und auch Autismus-Spektrum-Störungen traten 4,6-mal häufiger auf.

»Ein erhöhtes Risiko wurde bei Kindern, die nur im ersten Trimester Natriumvalproat ausgesetzt waren, nicht beobachtet, und das Risiko war bei Kindern, die niedrigeren Dosen des Arzneimittels ausgesetzt waren, geringer als bei Kindern, die höheren Dosen ausgesetzt waren«, so eine weitere Beobachtung.

Auch unter Therapie mit anderen Antikonvulsiva stieg das Risiko für neuronale Entwicklungsstörungen, allerdings nicht so hoch wie unter Valproinsäure. Für Lamotrigin erhöhte es sich um den Faktor 1,6, für Carbamazepin um 1,9 und Pregabalin um 1,5. Dagegen stellten die Forscher kein erhöhtes Risiko unter Clonazepam, Gabapentin, Levetiracetam und Oxcarbazepin fest.

Embryotox nennt zurzeit als Mittel der Wahl für Epilepsie-Patientinnen, die einen Kinderwunsch haben oder schwanger sind, Lamotrigin, wenn es ausreichend wirksam ist, oder auch Levetiracetam.

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