Viel mehr als nur Krampfschutz |
Erste Wahl bei neuropathischen Schmerzen sind Gabapentin und Pregabalin (4) (Tabelle 2). Gabapentin hat eine schlechte orale Bioverfügbarkeit, weshalb deutlich höhere Dosierungen erforderlich sind. Zudem führt seine Pharmakokinetik aufgrund von sättigbaren Transportern bei der Absorption und an der Blut-Hirn-Schranke dazu, dass Wirkung (und Nebenwirkung) nicht linear verlaufen. Die Einstellung muss daher in kleineren Schritten erfolgen und dauert länger. Pregabalin wird über nicht sättigbare Transporter aufgenommen, sodass eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht.
Hinsichtlich des Missbrauchspotenzials der Gabapentinoide konnte gezeigt werden, dass dies nur bei Menschen mit Abhängigkeit von Opioiden bedeutsam ist (5). Andere Studien beschreiben jedoch auch einen möglichen Zusammenhang bei Menschen mit Benzodiazepin- und Alkoholabhängigkeit (6). Eine Abhängigkeit bei Menschen ohne Suchterkrankung in der Vorgeschichte ist extrem unwahrscheinlich. Patienten sollten entsprechend beruhigt werden, wenn sie durch den Hinweis in der Packungsbeilage verunsichert sind.
Indikation | In Deutschland für die Indikation zugelassene Antikonvulsiva | Leitlinienempfehlung* |
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neuropathische Schmerzen | Carbamazepin, Pregabalin, Gabapentin, Phenytoin | Pregabalin, Gabapentin (für beide gilt: soll),Carbamazepin und Oxcarbazepin (können nicht generell empfohlen werden),Lamotrigin (kann nicht generell empfohlen werden),Lacosamid (kann nicht empfohlen werden),Phenytoin, Levetiracetam, Topiramat (für alle gilt: sollte nicht),Benzodiazepine (sollten nicht),Cannabinoide (können nicht empfohlen werden) |
Trigeminusneuralgie | Carbamazepin | Carbamazepin (erste Wahl),Oxcarbazepin, Valproat, Topiramat, Pregabalin, Gabapentin, Lamotrigin, Phenytoin, Clonazepam (Leitlinie in Aktualisierung, derzeit nicht abrufbar) |
Post-Zoster-Neuralgie | Gabapentin | Pregabalin, Gabapentin (für beide gilt: soll) |
Fibromyalgie | keine | Pregabalin (soll) |
Akutbehandlung der Migräne | keine | Benzodiazepine (abratend) |
Migräneprophylaxe | Topiramat | Valproat, Topiramat (für beide gilt: wirksam) |
Prophylaxe von Cluster-Kopfschmerzen | keine | Topiramat (Mittel der zweiten Wahl),Valproat (Mittel der dritten Wahl) |
Prophylaxe von SUNCT (short-lasting unilaterial neuralgiform headache with conjunctival injection and tearing) | keine | Lamotrigin (Mittel der Wahl),Topiramat, Valproat, Gabapentin, Carbamazepin, Oxcarbazepin (für alle gilt: wirksam) |
Diabetische Neuropathie | Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin | Gabapentin (kann),Pregabalin (sollte),Carbamazepin (kann nicht empfohlen werden),Oxcarbazepin, Zonisamid, Valproat (für alle gilt: soll nicht)Lacosamid, Lamotrigin, Topiramat (für alle gilt: sollte nicht) |
*) unterschiedliche Empfehlungsgrade in S1-, S2-, S2k-, S3- und NVL-Leitlinien für die in der Praxis eingesetzten Präparate (in und off Label)
Beide Wirkstoffe werden nicht metabolisiert, sondern nur renal eliminiert, sodass sie ein günstiges Interaktionspotenzial haben. Bei Niereninsuffizienz muss eine Dosisanpassung erfolgen.
Topiramat, Oxcarbazepin und Carbamazepin werden von der Leitlinienkommission in dieser Indikation aufgrund eines schlechten Risiko-Nutzen-Verhältnisses nicht mehr empfohlen (4).