Pharmazeutische Zeitung online
Rekombinanter Spaltimpfstoff

Porträt des Novavax-Impfstoffs Nuvaxovid

Nuvaxovid® von Novavax ist der fünfte in der EU zugelassene Covid-19-Impfstoff. Im Gegensatz zu den bislang verfügbaren Impfstoffen basiert er auf einem altbewährten Prinzip. Die PZ stellt die Vakzine vor.
Theo Dingermann
20.12.2021  17:30 Uhr

Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) gab heute ein positives Votum für die Zulassung des Covid-19-Impfstoffs Nuvaxovid (NVX-CoV2373) der US-amerikanischen Firma Novavax in der EU ab. Später am selben Tag folgte die EU-Kommission der Empfehlung und ließ den Impfstoff bedingt zu. Er darf somit in der EU zur Immunisierung von Personen ab 18 Jahren eingesetzt werden. Das Impfschema zur Grundimmunisierung sieht zwei Dosen à 0,5 ml vor, die im Abstand von 21 Tagen in den Muskel verabreicht werden.

Der Impfstoff ist als gebrauchsfertige Flüssigformulierung in einem Fläschchen mit zehn Dosen konfektioniert, die bei 2 bis 8 °C gelagert werden. Die EU-Kommission hat mit Novavax eine Lieferung von 100 Millionen Dosen in die EU vereinbart mit Option auf 100 Millionen weitere Dosen in den Jahren 2022 und 2023.

Worum handelt es sich?

Nuvaxovid (NVX-CoV2373) von Novavax ist ein proteinbasierter Impfstoff (Spaltimpfstoff). Als Antigen enthält er das Spike-Protein von SARS-CoV-2 als gentechnisch hergestelltes Protein. Zudem ist das Adjuvans Matrix M™ enthalten. Dieses besteht aus Saponinen, die aus der Rinde des chilenischen Seifenrindenbaumes (Quillaja saponaria) extrahiert wurden. Der Zusatz eines Adjuvans ist erforderlich, da hochgereinigte Proteine in Spaltimpfstoffen oft nur eine schwache Immunabwehr induzieren. Eine Dosis des Impfstoffs enthält 5 μg Antigen und 50 μg Adjuvans.

Wie werden die Antigene hergestellt?

Die Herstellung der Spike-Protein-Antigene erfolgt in einem Baculovirus-Insektenzell-Expressionssystem (IC-B EVS). Gentechnisch mit dem Spike-Gen von SARS-CoV-2 modifizierte Baculoviren vermehren sich in einer Zelllinie (Sf-9-Zellen), die von den Ovarien des Nachfalters Spodoptera frugiperda abgeleitet wurden. Die Sf-9-Zellen exprimieren die Spike-Proteine in der durch zwei Mutationen (K986P, V987P) stabilisierten Präfusionskonformation auf ihrer Oberfläche. Zusätzlich enthält das rekombinante Spike-Protein eine Mutation an der Furin-Spaltstelle, um es vor dem Abbau durch Proteasen zu schützen.

Während der Aufreinigung lagern sich die Spike-Proteine spontan zusammen und bilden Partikel, die in ihrer Struktur Viren ähneln. Diese Virus-ähnlichen Partikel (VLP) besitzen einen Durchmesser von durchschnittlich 27,2 nm. Im Schnitt enthält jedes VLP bis zu 14 Protein-Trimere.

Ist NVX-CoV2373 ein Totimpfstoff?

Die Novavax-Vakzine gehört genauso wie die mRNA- und Vektorimpfstoffe gegen Covid-19 zu den Totimpfstoffen, da keine vermehrungsfähigen Viren enthalten sind. Als Spaltimpfstoff enthält Nuvaxovid aber keine vollständigen abgetöteten Viren wie etwa der noch nicht zugelassene Impfstoff VLA2001 von Valneva, der zu den Ganzvirus-Impfstoffen gehört (und damit ein klassischer Totimpfstoff ist).

Worin bestehen die größten Unterschiede zu den zugelassenen mRNA- und Vektorimpfstoffen?

Im Gegensatz zu den mRNA- und Vektorimpfstoffen kommt das Prinzip der proteinbasierten Impfstoffe mit einem gentechnisch hergestellten Antigen bereits bei anderen Vakzinen zum Einsatz, beispielsweise bei dem Hepatitis-B-Impfstoff, dem Impfstoff gegen das Humane Papillomavirus (HPV) und dem Herpes-Zoster-Impfstoff. Das könnte die Akzeptanz der Impfung zum Schutz vor Covid-19 in bestimmten Bevölkerungsgruppen erhöhen.

Allerdings muss man bei Spaltimpfstoffen auch Nachteile in Kauf nehmen. Der relevanteste Nachteil besteht darin, dass NVX-CoV2373 nicht die Synthese spezifischer zytotoxischer T-Zellen (CD8+-Zellen) induzieren kann. Damit steht eine wichtige Abwehrstrategie des Immunsystems, die Zerstörung der mit Viren infizierten Zellen, nicht zur Verfügung. Dies gewinnt derzeit große Relevanz im Kontext der Diskussion zu immunologischen Fluchtvarianten, zu denen auch die Omikron-Variante zählt. Gegen sie bieten Antikörper ersten Daten zufolge nur noch wenig Schutz, weshalb die sogenannte T-Zell-Immunität als wichtig angesehen wird, um zumindest einen Teil des Immunschutzes aufrechtzuerhalten. Mit T-Zell-Immunität ist genau diese Synthese von spezifischen CD8+-Zellen gemeint, die Spaltimpfstoffe eben nicht induzieren.

Zwar lösen Spaltimpfstoffe neben der Bildung spezifischer Antikörper auch die von T-Helfer-Zellen (CD4+-Zellen) aus. Diese sind aber bei Fluchtvarianten von untergeordneter Relevanz, da sie »nur« den B-Zellen helfen, nicht mehr funktionierende Antikörper zu produzieren. Eine Induktion der für eine T-Zell-Immunität wichtigen zytotoxischen T-Zellen, die unabhängig von Antikörpern und teils über ganz andere Epitope die Immunabwehr ergänzen, bleibt bei Spaltimpfstoffen aus.

Wie gut wirkt der Impfstoff?

In einer Phase-III-Studie, die in England durchgeführt wurde und an der circa 30.000 Probanden teilnahmen, erreichte NVX-CoV2373 bei einer Applikation von zwei Dosen à 5 µg VLP im Abstand von 21 Tagen eine Wirksamkeit von fast 90 Prozent (DOI: 10.1056/NEJMoa2107659). Die Studie wurde allerdings in einem Zeitraum durchgeführt, in dem neben dem Wildtyp des Coronavirus nur die Alpha-Variante (B.1.1.7) zirkulierte. Gegen diese beiden, die inzwischen weltweit verdrängt sind, schützt der Impfstoff somit zuverlässig.

Das zeigen auch die ersten Ergebnisse der Phase-III-Studie PREVENT-19, an der knapp 30.000 Erwachsene in den USA und Mexiko teilnahmen, wobei auf die Berücksichtigung verschiedener Ethnien sowie von Personen mit hohem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe geachtet wurde. Insgesamt traten 77 symptomatische Coronainfektionen auf, 14 unter den Geimpften und 63 in der Placebogruppe; die meisten waren ausgelöst durch die Alpha-Variante. Das entspricht einer Wirksamkeit von 90,4 Prozent (DOI: 10.1101/2021.10.05.21264567v1). Da alle 14 Fälle im Verumarm als leicht bewertet wurden, lag die Schutzwirkung vor moderatem bis schwerem Covid-19 sogar bei 100 Prozent.

Gegen die Beta-Variante (B.1.351) fiel die Schutzwirkung einer Phase-IIb-Studie zufolge aber geringer aus: Sie betrug 60 Prozent gegenüber symptomatischen Covid-19-Erkrankungen (DOI: 10.1056/NEJMoa2103055).

Schützt der Impfstoff gegen die SARS-CoV-2-Varianten Delta und Omikron?

Die Studien zur Wirksamkeit von NVX-CoV2373 wurden durchgeführt, bevor die die aktuell dominante SARS-CoV-2 Variante Delta und die sich schnell ausbreitende Variante Omikron zirkulierten. Folglich lässt sich nur schwer vorhersagen, wie der Impfstoff vor Covid-19-Erkranungen schützt, die durch diese beiden Varianten verursacht werden.

Zum Schutz vor einer Infektion durch die Delta-Variante hat Novavax keine präklinischen Studien durchgeführt. Vielmehr sieht das Unternehmen für seinen Impfstoff die wahrscheinlich größten Chancen auf den entwickelten Märkten, wenn er als Auffrischungsimpfung eingesetzt wird. Allerdings zeigt eine erst jüngst publizierte Studie auch für dieses Szenario bestenfalls durchschnittliche Resultate.

Da die Omikron-Variante einen deutlich höheren Immunescape aufweist als die Delta-Variante, entfalten auch die zugelassen mRNA-Impfstoffe ersten Daten zufolge erst dann einen akzeptablen Schutz vor Erkrankung, wenn drei Impfdosen verabreicht wurden. Selbst wenn dies auch für NVX-CoV2373 der Fall sein sollte, wird es mindestens sieben Monate dauern bis diejenigen, die jetzt erst mit der Impfung beginnen, dieses Schutzstadium erreichen. Allerdings rechnen auch Vertreter des Unternehmens damit, dass der Impfstoff wohl keinen ausreichenden Schutz vor der Omikron-Variante bieten wird. Aus diesem Grund ließ Novavax verlauten, bereits an einer angepassten Vakzine zu arbeiten.

Eignet sich der Impfstoff als Booster?

Nach dem Auftreten der besorgniserregenden Varianten Alpha, Beta und Delta analysierte Novavax die Antikörperreaktionen in der laufenden Phase-I/II-Studie in den USA und Australien. Für Patienten, die sechs Monate nach der zweiten Dosis NVX-CoV2373 eine dritte erhalten hatten, wurden »ermutigende« Ergebnisse registriert: Die Titer neutralisierender Anti-Spike-Antikörper stiegen gegenüber den Werten nach der zweiten Impfung deutlich an und es wurde eine hohe Wirksamkeit gegen die getesteten besorgniserregenden Varianten gesehen. Die Omikron-Variante war jedoch nicht darunter und auch ein heterologes Impfschema, bei dem die Grundimmunisierung mit einem anderen Impfstoff erfolgt wäre, wurde nicht getestet.

Mehr von Avoxa