Nur Fehlendes ersetzen |
Testosteron ist im weiblichen Körper an der Estradiol-Synthese beteiligt. Wie bei Männern stimuliert das Hormon auch bei Frauen den Aufbau der Muskulatur, die Bildung von Erythrozyten und deren Eisenaufnahme sowie den Knochenaufbau und wirkt Libido-steigernd. Der Normwert für Gesamttestosteron bei Frauen liegt bei etwa 0,5 bis 2,0 nmol/L. Während der Wechseljahre sinkt nicht nur die Estrogen-Produktion in den Ovarien, sondern auch die Testosteron-Bildung. Eine Folge des Hormonabfalls ist eine reduzierte Knochendichte und ein damit einhergehendes erhöhtes Risiko für eine Osteoporose.
Ob Frauen eine Substitutionstherapie mit Testosteron erhalten sollen, ist bei Medizinern umstritten. Bei ovarektomierten oder postmenopausalen Frauen mit krankhaft vermindertem sexuellen Interesse kann der Arzt einen Behandlungsversuch unternehmen. Bevorzugt wird die dermale Applikation. Durch die Behandlung sollte die Testosteron-Konzentration jedoch nicht den Normbereich bei Frauen von etwa 2 nmol/L längerfristig überschreiten.
Angepriesen wird Testosteron neuerdings auch als Mittel, um das sexuelle Wohlbefinden von Frauen nach der Menopause zu steigern. »Für diese Anwendung gibt es kein zugelassenes Arzneimittel«, macht Leiber deutlich. Kritiker merken an, dass es sich dabei um eine Medikalisierung der Sexualität handelt und zählen solche Testosteron-Gaben für Frauen zu den Lifestyle-Arzneimitteln.
Ein Risiko der Anwendung von Testosteron bei Frauen sind unerwünschte androgene Effekte wie Akne, Hirsutismus, Alopezie und eine tiefere Stimme, die nicht immer reversibel sind. Langfristig ist eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Brustkrebs, ein Endometriumkarzinom oder kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln, zu bedenken (22).
Wichtigste Kontraindiktion für eine TRT ist eine Schwangerschaft. Testosteron könnte den Fetus durch seine virilisierende Wirkungen schädigen (23).
Wissenschaftler von der Universität Jena haben mit internationalen Kollegen entdeckt, dass Leukotriene und Prostaglandine geschlechtsspezifisch Entzündungsvorgänge steuern (27-29). Grund könnte das männliche Sexualhormon sein, das antientzündlich wirkt. Testosteron greift in die Biosynthese der Leukotriene ein, sodass deren Produktion sinkt. Die verminderte Leukotrien-Synthese führt dazu, dass der Körper mehr Prostaglandine herstellt. Das könnte erklären, warum entzündliche Erkrankungen wie Asthma, Psoriasis oder Rheumatoide Arthritis bei Frauen häufiger auftreten und warum Entzündungen bei ihnen heftiger verlaufen als bei Männern.
Erhalten Frauen Testosteron, verlaufen Entzündungsreaktionen wie bei Männern ebenfalls schwächer. Auch unter Inhibitoren der Leukotrien-Biosynthese verläuft eine Inflammation sanfter.
Das macht einmal mehr deutlich, dass geschlechtsspezifische Arzneimittel sinnvoll sein können.
Männliche TRT-Patienten sollten wissen, dass extern zugeführtes Testosteron kein Jungbrunnen ist, der ihnen im Alter Jugendlichkeit und Männlichkeit zurückbringt. Ein weiterer wichtiger Hinweis: Die Substitution führt oft erst nach Wochen zur Verbesserung der Symptome. Wichtig ist auch, dass Männer unter einer TRT an die von ihrem Arzt empfohlenen Kontrolluntersuchungen denken.
Dr. Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin in Bonn, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach dem zweiten Staatsexamen und der Approbation 2010 absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 mit ihrer Dissertation »Traditionelle pflanzliche Febrifuga als moderne Phytopharmaka« zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Dr. Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.
Bitte beachten Sie das Interview mit Professor Dr. Patrick Rene Diel unter www.pharmazeutische-zeitung.de/hochriskante-muskelmacher