Wie wirken endokrine Disruptoren? |
Zu den sogenannten endogenen Disruptoren (ED) zählen zum Beispiel Chemikalien wie Bisphenole in Lebensmittelverpackungen. / Foto: Adobe Stock/nicoletaionescu
Endokrin aktive Substanzen haben viele Namen: Umwelthormone, Phytohormone, Phytoestrogene, hormonaktive Stoffe und andere. Allen gemeinsam ist, dass sie hormonelle Vorgänge im menschlichen Körper beeinflussen und stören können. Je nach Einfluss unterscheidet die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) endokrin aktive Substanzen (EAS), welche die normale Hormonaktivität modulieren, und endokrine Disruptoren (ED), die negative Effekte auf menschliche und tierische Organismen zeigen (1).
Nach ihrem Vorkommen lassen sich die Substanzen einteilen in natürliche Hormone wie 17β-Estradiol (E2), natürliche chemisch definierte Substanzen wie Genistein, synthetisch hergestellte Arzneistoffe unter anderem zur Empfängnisverhütung oder antihormonellen Tumortherapie, und Nebenprodukte der chemischen und landwirtschaftlichen Produktion von Kunststoffen bis Pestiziden (Tabelle 1) (2, 3).
Substanzgruppe | Substanzen (Beispiele) | Vorkommen (Beispiele) |
---|---|---|
natürliche Hormone | 17β-Estradiol (E2) | im Abwasser |
natürliche Substanzen wie Phytoestrogene und Toxine | Genistein, CoumestrolZearalenon | PhytoestrogeneMykotoxine |
synthetisch hergestellte Arzneistoffe | 17α-Ethinylestradiol (EE2) | Kontrazeption |
synthetisch hergestellte Arzneistoffe | Tamoxifen | Antiestrogen in der Krebstherapie |
anthropogene Chemikalien und Nebenprodukte | Parabene (4-Hydroxybenzoesäure) | Konservierungsstoffe in Kosmetika |
anthropogene Chemikalien und Nebenprodukte | Pestizide (chlorierte Verbindungen) und Herbizide | Pflanzenschutzmittel |
anthropogene Chemikalien und Nebenprodukte | Bisphenole | Kunststoffproduktion, Lebensmittelverpackungen |
anthropogene Chemikalien und Nebenprodukte | Polychlorierte Biphenyle (PCB) | industrielle Chemikalien |
anthropogene Chemikalien und Nebenprodukte | Nonylphenol aus nicht-ionischen Tensiden | Waschmittel |
Dabei ist zu unterscheiden zwischen erwünschten und unerwünschten hormonellen Effekten. Bekannte Beispiele für Substanzen mit erwünschten Effekten im weiblichen Organismus sind Estrogenrezeptor-Agonisten wie 17α-Ethinylestradiol (EE2) zur hormonellen Kontrazeption sowie Antagonisten wie Tamoxifen oder Fulvestrant für die Antiestrogen-Therapie bei Mammakarzinom-Patientinnen. Unerwünscht, weil schädigend, sind zum Beispiel die Auswirkungen von Bisphenolen in Kunststoffen oder von Rückständen der früher häufig eingesetzten polychlorierten Biphenyle (PCB).
Auch dies sind endokrin aktive Substanzen. Während der Eingriff in das Hormonsystem bei Kontrazeptiva erwünscht ist, ist er bei vielen anderen Stoffen jedoch unerwünscht. / Foto: Adobe Stock/methaphum
Zell- und gewebespezifisch wirkende Agonisten und Antagonisten werden auch als Selektive Estrogen-Rezeptor-Modulatoren (SERM) bezeichnet. Ihre Wirkung hängt von der Expression der angesprochenen Rezeptoren in einzelnen Zielgeweben sowie der Konzentration des endogen vorhandenen Estrogens ab. Zu ihnen zählen unter anderem Clomifen als Antiestrogen und Ovulationsauslöser bei Kinderwunsch, Raloxifen und Bazedoxifen zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose sowie Tamoxifen und Toremifen zur Brustkrebstherapie bei Estrogenrezeptor-positivem Mammakarzinom (4).
Auch Phytohormone zählen zu den endokrin aktiven Substanzen, die therapeutisch eingesetzt werden. Ihnen werden schon länger gesundheitsfördernde Effekte zugeschrieben, sei es bei Wechseljahresbeschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit, metabolischem Syndrom oder Typ-2-Diabetes (5). Zu diesen phytogenen Sekundärmetaboliten gehören unter anderem Isoflavon- und Stilben-Derivate, Lignane, Coumestan-Derivate, Triterpenglykoside und pflanzliches Progesteron (Gestagen).