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Vor-Ort-Apotheke

Nachwuchs verzweifelt gesucht!

Mit jeder Apotheke, die wegen Personalmangel Öffnungszeiten reduzieren oder gar für immer schließen muss, bröckelt die Versorgungssicherheit. Wie erklärt sich die anhaltende Personalnot in den Apotheken? Und wie könnte sich dieser Negativtrend aufhalten lassen? Eine Übersicht.
Ev Tebroke
Cornelia Dölger
21.05.2023  08:00 Uhr

Seit 220 Jahren gibt es die kleine Apotheke am Marktplatz des rheinland-pfälzischen Dorfs Kaub. Am 31. August 2023 ist Schluss: Dann wird Dagmar Vogel, Apothekerin in der fünften Generation, die Hindenburg-Apotheke für immer schließen. Ein schwarzer Tag für die Inhaberin, die die Offizin seit 2011 führt. Und ein schwarzer Tag für die Bürgerinnen und Bürger von Kaub und Umgebung. Denn diese müssen dann weite Wege auf sich nehmen, wenn sie Medikamente oder pharmazeutischen Rat benötigen: »Wenn meine Apotheke hier wegfällt, dann beträgt die Distanz zwischen den verbleibenden Apotheken zwischen 15 bis 18 Kilometer«, sagt Vogel im Gespräch mit der PZ.

Gern hätte sie die Arzneimittelversorgung in Kaub aufrechterhalten. Seit Anfang 2022 suchte sie eine Nachfolge. Aber die Rahmenbedingungen waren noch schwieriger als anderswo. Denn erstens ist der mit 800 Einwohnern sehr kleine Ort für junge Menschen oft unattraktiv. Und zweitens – und das wiegt noch schwerer – gibt es in Kaub seit 2014 keine medizinische Versorgung mehr. Das wollte kein Nachfolger auf sich nehmen.

»Insgesamt hatte ich fünf Bewerber, aber sobald sie hörten, dass es vor Ort keinen Arzt mehr gibt, sprangen sie ab.« Verständlich, denn die Apotheke war seit Jahren ein Minusgeschäft. »Das will keiner mitmachen. Ich hätte meiner Nichte die Offizin als Filialapotheke übergeben können, aber auch als Filialleitung war es wirtschaftlich uninteressant.«

Mit der Schließung falle die Verbindungsstelle zwischen Arzt, Patient und Pflegedienst weg. Und wenn die Apotheke am Markt nicht mehr da ist, dann werde auch der Bäcker nebenan den Kundenschwund spüren. Und so gehe es sukzessive bergab mit der Infrastruktur in Kaub. »Am 31. August 2023 geht eine Ära zu Ende. Und das ist bitter«, sagt Vogel.

Mit der Schließung der Hindenburg-Apotheke in Kaub geht in Rheinland-Pfalz also eine weitere Apotheke vom Netz. Im vergangenen Jahr haben nach ABDA-Angaben bundesweit 393Apotheken für immer ihre Türen geschlossen. Trauriger Spitzenreiter ist Rheinland-Pfalz – und das seit Jahren. 2022 war dort für 27 Offizinen Schluss. In den vergangenen zehn Jahren waren es fast 200 Offizinen, die Zahl der Standorte ist auf rund 890 gesunken, so wenig wie zuletzt in den 1970er-Jahren.

Die Ursachen sind vielfältig. Neben wirtschaftlichen Aspekten bereitet vor allem auch der fehlende Nachwuchs Sorgen. Auch gutgehende Offizinen in attraktiven Wohnlagen haben Schwierigkeiten, Approbierte zu finden.

»Mein jüngster Sohn ist Pharmazeut und promoviert derzeit in Mainz«, berichtet Peter Stahl, Präsident der Landesapothekerkammer (LAK) Rheinland-Pfalz. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könnte, mittelfristig die Apotheke des Vaters zu übernehmen, habe der Sohn geantwortet, er wolle mal die nächsten drei Jahre abwarten, wo es mit der öffentlichen Apotheke hingeht. Dies spreche doch Bände, so Stahl. Seine Apotheke liegt in Neustadt. »Das ist nicht unattraktiv, dort zu wohnen«, so der Kammerpräsident. Die Suche nach einem Nachfolger sei trotzdem schwierig.

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