Medikamentöse Therapie im Umbruch |
Oberstes Ziel bei der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz ist es, die Prognose der Patienten zu verbessern, das heißt die Sterblichkeit zu verringern. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei, erneute Krankenhausaufnahmen aufgrund einer kardialen Dekompensation, also einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz, zu vermeiden, da jede erforderliche stationäre Behandlung ein Indikator für eine Verschlechterung der Prognose des Patienten ist.
Herzinsuffizienz ist die häufigste Diagnose, die zu einer Krankenhauseinweisung führt. Klinikaufenthalte zu vermeiden, ist ein wichtiges Therapieziel. / Foto: Adobe Stock/upixa
In großen klinischen Studien haben vier Wirkstoffklassen gezeigt, dass sie bei Patienten mit HFrEF die Häufigkeit von Krankenhausaufnahmen aufgrund einer Verschlechterung der HF reduzieren und die Mortalität senken: Inhibitoren des RAS-Systems, Betablocker, Mineralocorticoid-Rezeptorantagonisten und zuletzt SGLT2-Inhibitoren. Auch Schleifendiuretika sind nach wie vor bei Patienten mit Stauungszeichen und -symptomen (Ödeme) empfohlen, auch wenn sie keinen eigenständigen Einfluss auf die Prognose haben. Aus Sicht des Patienten ist auch relevant, die Symptome zu mildern, die körperliche Belastbarkeit zu stärken und die Lebensqualität und soziale Teilhabe zu verbessern oder zu erhalten.
Bei der Therapie der Herzinsuffizienz müssen begleitende und zugrunde liegende Herzfunktionsstörungen unbedingt mitberücksichtigt werden. So müssen Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit, Hypertonie, Diabetes, Nierenfunktionsstörungen, Erkrankungen der Herzklappen, des Perikards und des Endokards sowie Herzrhythmusstörungen (Tachyarrhythmie, Bradyarrhythmie) adäquat therapiert werden.
Die Pharmakotherapie wird durch den Phänotyp der HF bestimmt, richtet sich also weitgehend nach der linksventrikulären Auswurffraktion (Tabelle 1).
Noch in der Ausgabe der Herzinsuffizienz-Leitlinie 2016 wurde empfohlen, die einzelnen Wirkstoffklassen Schritt für Schritt nacheinander und aufeinander aufbauend einzusetzen. Man startete mit einem ACE-Hemmstoff (ACE: Angiotensin converting enzyme) und ergänzte dann einen Betablocker und einen Mineralocorticoid-Rezeptorantagonisten (MRA) und ersetzte bei Bedarf den ACE-Inhibitor durch einen Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI). Vor Zugabe der nächsten Wirkstoffgruppe wurde erst die Dosis jedes Therapiebausteins optimiert (austitriert) (6). Dieses Konzept beruhte letztlich auf der historischen Reihenfolge, in der ein Nutzen der Wirkstoffklassen für Patienten mit HF nachgewiesen wurde. Für SGLT2-Inhibitoren (SGLT: Sodium dependent glucose transporter) lagen im Jahr 2016 noch keine Therapiestudien für HF-Patienten vor.
Die ESC-Leitlinie von 2021 bricht mit diesem Konzept der stufenweisen Intensivierung. Die wesentliche Änderung ist ein vereinfachter Therapiealgorithmus für die Gabe von mortalitätssenkenden Therapien bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF) (1). Die vier Säulen der prognoseverbessernden Basistherapie bilden heute:
Bei Unverträglichkeit von ACE-Hemmern werden Angiotensin-1-Rezeptorantagonisten (ARB, Sartan) wie Candesartan, Losartan und Valsartan eingesetzt.
▶ Das bedeutet konkret: Patienten mit HFrEF im NYHA-Stadium II bis IV sollen diese vier wichtigen Basistherapien nicht zeitraubend in abgestuften Schritten, sondern gleichzeitig innerhalb kurzer Zeit – möglichst in einem Zeitraum von vier Wochen – erhalten, um deren klinische Vorteile so früh wie möglich zur Geltung zu bringen (Abbildung 3). Die Titration auf die Zieldosis sollte erst nach Einleitung aller vier Therapien erfolgen.
Abbildung 3: Behandlungsalgorithmus der Herzinsuffizienz bei Patienten mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF; LVEF ≤ 40 Prozent); modifiziert nach ESC-Guidelines 2021 (1); ACE-I: Angiotensin-Converting-Enzym-Inhibitor, ARNI: Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor, MRA: Mineralocorticoid-Rezeptorantagonist, SGLT2: Sodium dependent glucose transporter 2 / Foto: PZ/Pfeifer