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Kinderkrankheiten

Harmloser Infekt oder Wolf im Schafspelz?

Lebensbedrohliche Diphtherie

Diphtherie wird durch Diphtherie-Toxin-produzierende Stämme von Corynebacterium diphtheriae verursacht. Es werden zwei Formen unterschieden: respiratorische Diphtherie und Hautdiphtherie.

Die respiratorische Form ist gekennzeichnet durch starke Halsschmerzen mit grau-weißen oder bräunlichen Belägen der Tonsillen und Fieber (39 °C). Durch Schwellung des Kehlkopfs kann es zum Erstickungstod kommen. Auch in Hautschäden (kleinere Verletzungen) kann sich der Erreger vermehren und eine Hautdiphtherie auslösen. Tritt das Toxin ins Blut über, sind Komplikationen wie Herzmuskelentzündung oder Lähmung möglich.

Die Therapie mit Diphtherie-Antitoxin und Antibiotika (Penicillin, Erythromycin, Azithromycin oder Clarithromycin) verringert die Toxinbildung. Die WHO strebt eine hohe Durchimpfungsrate an, um Epidemien zu verhindern. Jedoch kommt es durch Impflücken weltweit immer wieder zu lokalen Ausbrüchen.

Wie wichtig ist die Grundimmunisierung?

Zur Prophylaxe der durch »Kinderkrankheiten« verursachten Komplikationen ist die Impfung die beste Maßnahme. Impfreaktionen und Nebenwirkungen sind heutzutage äußerst selten. Ist die Impfquote hoch, können einzelne Erreger sogar regional eliminiert werden, wie das Beispiel der Kinderlähmung zeigt. Europa wurde 2002 für Polio-frei erklärt, Afrika Mitte 2020. Die Pocken gelten weltweit als ausgerottet.

Die WHO will auch die Erreger von Masern, Mumps und Röteln europaweit ausrotten. Dies scheitert an der zu niedrigen Durchimpfungsrate einiger Länder, darunter auch Deutschland. Hier ist das Apothekenpersonal gefordert, sachlich und kompetent aufzuklären und Fehlmeinungen entgegenzutreten.

Argument 1: Die meisten Krankheiten, gegen die geimpft wird, treten in Deutschland gar nicht mehr auf.

Antwort: Obwohl Deutschland als Polio-frei gilt, sollte nicht auf eine Impfung verzichtet werden. Es gibt etliche Länder, in denen die Kinderlähmung noch wütet und es auch zu Diphtherie-Ausbrüchen kommt. Die Erreger können durch den globalen Reiseverkehr leicht nach Europa gelangen und wieder Fuß fassen, sobald Impflücken entstehen. Da Polio-Erkrankungen heute zunehmend auf eine Virusmutante, sogenannte zirkulierende Vakzine-abgeleitete Polioviren (cVDPV), zurückzuführen sind, hat die WHO eine Notfallzulassung für einen neuen oralen Impfstoff gegen Typ 2 des Poliovirus erteilt. Diese gilt zum Beispiel für Länder in Afrika oder Südostasien, aber nicht in Deutschland.

Argument 2: Die Nebenwirkungen und Risiken von Impfungen sind unkalkulierbar.

Antwort: Immer wieder tauchen Berichte auf, die einen Zusammenhang von Impfungen im Kindesalter mit einem erhöhten Risiko für Erkrankungen wie Autismus, Multiple Sklerose, Darmerkrankungen, plötzlicher Kindstod, Allergien oder Diabetes postulieren. Es fehlt allerdings der eindeutige Nachweis. Keine Studie konnte diesen Zusammenhang bislang belegen. In einzelnen Fällen kann es zu einem unglücklichen Zusammentreffen einer Impfung und dem Ausbruch einer Erkrankung kommen, was aber keinen kausalen Zusammenhang beweist.

Tatsache ist, dass auch Impfungen Nebenwirkungen haben können. Verdachtsmomente sollte das Apothekenpersonal über die bekannten Pharmakovigilanz-Wege melden. Auch die Familie kann unter www.nebenwirkungen.bund.de eigene Angaben machen. Das RKI führt alle Informationen zusammen und wertet sie aus.

Argument 3: Durch die vielen Impfungen und Mehrfachimpfstoffe wird das Immunsystem des kleinen Kindes überlastet.

Antwort: Bei Säuglingen reift das Immunsystem durch die tägliche Auseinandersetzung des Körpers mit einer sehr hohen Zahl an Antigenen im natürlichen Umfeld. Hochgereinigte moderne Impfstoffe führen dem Säugling und Kleinkind auch bei Mehrfachimpfungen eine immer geringere Zahl an Antigenen zu. Bei dem Sechsfach-Impfstoff sind Antigenkomponenten von Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Haemophilus influenzae, Polio und Hepatitis B kombiniert. Es gibt keinen Hinweis, dass das kindliche Immunsystem dadurch überlastet wird; vorteilhaft ist dagegen, dass die Anzahl der Impfungen reduziert wird.

Hepatitis-B-Viren werden vorwiegend durch Blut- oder Sexualkontakte übertragen, die Gefahr einer Ansteckung ist für Säuglinge gering. Da es aber im Kleinkindalter zu chronischen Verlaufsformen der Leberentzündung kommen kann und die Impfquote im Jugendalter gering ist, empfehlen RKI und WHO, bereits Kleinkinder gegen Hepatitis B zu immunisieren.

Argument 4: Ein Baby bekommt von der Mutter genügend Abwehrstoffe. Dieser natürliche Schutz reicht doch aus.

Antwort: Hat die Mutter durch Impfung oder durchgemachte Erkrankung genügend Antikörper gegen spezielle Erreger gebildet, werden einzelne Immunglobuline schon zu Beginn der zwölften Schwangerschaftswoche auf den Embryo übertragen. Dieser sognannte Nestschutz ist schwach ausgebildet und richtet sich nicht gegen alle möglichen Erreger, sondern hängt von der Immunität der Mutter ab, die sie dem Säugling quasi leiht. Dieser Schutz ist kurzzeitig und kein Ersatz für eine Impfung. Im Lauf der ersten Lebenswochen schwindet der Nestschutz, da die mütterlichen Antikörper abgebaut werden. Die Muttermilch, besonders das Kolostrum in den Anfangstagen, führt dem Säugling beim Stillen weitere Abwehrstoffe zu, vor allem sIgA-Antikörper, die vor Magen-Darm-Infektionen schützen. Diese bieten keinen Schutz vor anderen Infektionskrankheiten.

Argument 5: Impfungen verursachen die Erkrankung, gegen die sie schützen sollen.

Antwort: Man unterscheidet Lebend- und Totimpfstoffe. Bei Lebendimpfstoffen (Masern, Mumps, Röteln) kann es in einzelnen Fällen zu einer der Erkrankung ähnlichen Symptomatik mit Ausschlag oder leichtem Fieber kommen. Dies zeigt die Auseinandersetzung des Immunsystems an und verläuft in der Regel komplikationslos. Die meisten Impfstoffe sind Totimpfstoffe oder azelluläre Vakzinen, die infolge der Reaktion des Immunsystems geringe Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle oder leichtes Fieber hervorrufen können.

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