Halsschmerzen immer hinterfragen |
Ein grippaler Infekt beginnt oft mit Halsschmerzen. Da meist Viren die Auslöser sind, ist eine symptomatisch lindernde Therapie angebracht. / Foto: Adobe Stock/ajlatan
Der Hals verbindet Kopf und Körper. Im Inneren liegen Wirbelsäule, Luft- und Speiseröhre dicht beieinander, der Kehlkopf sorgt für Stimmbildung und Luftröhrenverschluss und die Schilddrüse für eine lebenswichtige Hormonproduktion. Rachen-, Gaumen- und Zungenmandeln (Tonsillen) sind wichtige Bestandteile des Lymph- und Immunsystems. Mund und Rachen sind mit einer hoch spezialisierten Schleimhaut überzogen. Halsbeschwerden können infektiologisch oder nicht-infektiologisch jeden dieser Bereiche betreffen. Die fundierte Beratung in der Apotheke spielt eine große Rolle, um die Grenzen der Selbstmedikation auszuloten.
Egal ob Erwachsener oder Kind: Jeder kennt das Gefühl, wenn der Hals gerötet ist, das Schlucken schmerzt und sich eine Erkältung anbahnt. Je nach Erreger oder Lokalisation der Entzündung unterscheidet man eine Rachen- (Pharyngitis) oder Mandelentzündung (Angina tonsillaris, Tonsillitis). Sind beide Strukturen betroffen, spricht man von einer Pharyngotonsillitis oder Tonsillopharyngitis. Die Laryngitis beschreibt die Kehlkopfentzündung, die Pharyngolaryngitis betrifft zusätzlich den Rachen.
Es ist nicht sicher möglich, zwischen einer viralen, bakteriellen oder nicht infektiösen Entzündung zu unterscheiden. In jedem Beratungsgespräch sollte der Apotheker auf schwerwiegende Symptome und Warnzeichen (Red Flags) achten (Kasten).
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Im Beratungsgespräch in der Apotheke ist auf Warnzeichen, sogenannte »Red Flags«, zu achten, die eine ärztliche Abklärung der Halsschmerzen erfordern. Dazu zählen:
Störungen der Mundflora, die eine natürliche Schutzbarriere gegen diverse Krankheitserreger bildet, Schleimhautreizungen und unzureichende Mundpflege erhöhen das Risiko für Infektionen. Mucositis, Gingivitis, Stomatitis und Aphthen sowie virale Erkrankungen wie Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Mundfäule (Stomatitis aphthosa) und Herpangina werden von Hals- und Schluckbeschwerden begleitet.
Die aktuelle S3-Leitlinie »Halsschmerzen« vom Oktober 2020 (AWMF-Registernummer 053–010) unterscheidet akute Halsschmerzen mit einer Dauer von weniger als 14 Tagen von länger andauernden, chronischen Beschwerden. Die selbstlimitierende Infektion des Pharynx wird zu 50 bis 80 Prozent verursacht von Viren, hauptsächlich Rhino-, seltener Adeno-, Influenza- oder Coronaviren, und ist altersunabhängig die häufigste infektiologische Ursache für akute Halsschmerzen.
Diese können aber auch ein Symptom einer SARS-CoV-2-Infektion sein. Besonders bei der Infektion mit der Omikron-Variante klagen die Betroffenen über Schnupfen, Halsschmerzen und Husten.
Leitliniengerecht werden zur symptomatischen Linderung Lutschtabletten eingesetzt, die Lokalanästhetika (Lidocain, Benzocain), Ambroxol und/oder nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) enthalten. Lidocain und Benzocain binden an Natriumkanäle und blockieren die Erregungsleitung der Nerven, sodass keine Weiterleitung von Schmerzreizen mehr möglich ist. Damit erleichtern sie schmerzhaftes Schlucken, Essen und Trinken. Dies ist besonders wichtig für ältere Menschen und Kinder zur ausreichenden Versorgung mit Flüssigkeit. Ambroxol hat eine höhere anästhetische Potenz als Lidocain oder Benzocain und wird ab sechs Jahren empfohlen. Flurbiprofen und Benzydamin (als Spray oder Lutschtablette) sind lokal wirksame NSAR mit antiphlogistischem, analgetischem, lokalanästhetischem und antimikrobiellem Potenzial. Schmerzen und Entzündungen werden schnell gelindert, die Schleimhaut schwillt ab. Das Apothekenpersonal sollte darauf hinweisen, dass der Patient bei der Anwendung von Sprays die Luft anhalten sollte, denn der Wirkstoff soll auf die Rachenschleimhaut gelangen und nicht eingeatmet werden.
Auf das mögliche allergische Potenzial sowie Überempfindlichkeitsreaktionen der topisch eingesetzten Analgetika ist in der Apotheke zu achten. Im Gespräch mit dem Kunden sind mögliche Kontraindikationen und Wechselwirkungen der NSAR zu klären. Wichtig ist der Hinweis: Sollte in drei bis vier Tagen keine Besserung eintreten oder sich die Beschwerden verschlimmern, ist der Arzt aufzusuchen.
In der Apotheke können weitere lindernde Allgemeinmaßnahmen empfohlen werden: körperliche Schonung und viel trinken (cave Herz- oder Nierenproblematik), Wärmezufuhr (Wärmeschals, die dichter anliegen als ein normaler Schal), Vermeidung von Reizstoffen wie Alkohol und Nikotin, Luftbefeuchter in geschlossenen Räumen sowie häufiges Lüften und Lutschen von Bonbons.
Das Apothekenpersonal kann dem Patienten bei ausgeprägtem Therapiewunsch auch nicht evidenzbasierte Empfehlungen geben, die lindern, ohne zu schaden, zum Beispiel Lösungen zum Gurgeln oder Lutschtabletten mit naturheilkundlichen, pflanzlichen oder homöopathischen Inhaltsstoffen. Eine besondere Rolle spielen Polysaccharide von Zucker oder Honig in Lutschtabletten. Damit werden Schleimhautzellen umhüllt, vor Austrocknung geschützt und ihre Abwehrkraft gestärkt. Bei Heiserkeit und Halsschmerzen sind Hyaluronsäure-haltige Lutschtabletten hilfreich. Diese bilden beim Lutschen zusammen mit dem Speichel einen Hydrogel-Komplex, der sich schützend über die Schleimhaut legt, regeneriert und Feuchtigkeit speichert. Dexpanthenol unterstützt die Wundheilung, Ectoin (aus Mikroorganismen) schützt physikalisch die Schleimhaut vor weiterem Virenbefall. Zink in Lutschtabletten stärkt die Abwehrkraft der Zellen und reduziert die Virusvermehrung. Als Lösung können Zinkbrausetabletten auch zum Gurgeln eingesetzt werden.
Lutschtabletten mit schleimstoffhaltigen Pflanzenextrakten wie Eibisch, Spitzwegerich, Primelwurzel oder Isländisch Moos regen den Speichelfluss an und wirken befeuchtend, schützend und reizmildernd auf geschädigte Epithelzellen. Für Pelargonium-haltige Arzneimittel gibt es für die Indikation Halsschmerzen nur eine schwache Wirksamkeit. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der EMA hat Salbeiblätter und Kamillenblüten als traditionelle Arzneimittel eingestuft zur symptomatischen Anwendung bei Entzündungen im Mund- und Rachenbereich. Hilfreich sind Salbeilutschtabletten, Salbeitee und alkoholisches Salbeikonzentrat zum Gurgeln sowie ein alkoholisches Kamillenblütenspray zur Anwendung in der Mundhöhle.
Die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) rät ausdrücklich von Rachentherapeutika (Spray, Gurgellösung oder Lutschtabletten) mit Lokalantiseptika und/oder Antibiotika ab. Antiseptika stören die Mundflora und dringen nicht zur Entzündung in die Tiefe vor. Antibiotika sind unterdosiert. Zur kurzzeitigen Therapie von Halsschmerzen eignen sich auch systemische NSAR wie Ibuprofen oder vor allem Naproxen mit einem günstigeren Risikoprofil. Durch die orale Applikation dauert es länger bis zum vollen Wirkeintritt. Das Apothekenteam kann dem Patienten erklären, dass Lokalantibiotika bei einer viralen Infektion nicht sinnvoll sind.
Eine systemische antibiotische Therapie kann die Symptomdauer laut Leitlinie abkürzen (um circa 16 Stunden). Allerdings besteht die Gefahr der Resistenzbildung und von Nebenwirkungen wie Diarrhö, Anaphylaxie oder Mykosen. Die Leitlinie rät zur sogenannten »Delayed Prescription«. Das bedeutet, dass der Patient ein Rezept über ein Antibiotikum bekommt, dieses aber erst einlöst bei akuter Verschlechterung oder wenn nach drei bis fünf Tagen keine Besserung eintritt. Orale Corticosteroide sollen laut Leitlinie nicht zur analgetischen Therapie bei Halsschmerzen eingesetzt werden.
Ursachen | Begleitsymptome | Behandlung |
---|---|---|
Nicht infektiologisch | ||
Alkohol, Nikotin, Heizungsluft, Tragen von Masken | trockener Mund | Luftbefeuchter, Lokalanästhetika, NSAR, Arzneimittel mit naturheilkundlichen oder pflanzlichen Inhaltsstoffen |
Allergie, Autoabgase, Umweltfaktoren | Juckreiz, Hustenreiz | auslösende Noxen feststellen, Allergietest, Befeuchtung, lokale Allgemeinmaßnahmen |
Schnarchen | trockener Mund | Ursachen von Schnarchen abklären, Befeuchtung, lokale Allgemeinmaßnahmen |
Singen, lautes und langes Sprechen | Heiserkeit | Stimmschonung, Luftbefeuchter, Lokalanästhetika, NSAR, Befeuchtung, lokale Allgemeinmaßnahmen |
Postnasal Drip, gastroösophagealer Reflux, Ösophagitis | Schleimbildung, Heiserkeit, Räuspern, kloßige Sprache | Behandlung der Grunderkrankung nach ärztlicher Abklärung,Lokalanästhetika, NSAR |
Schilddrüsenerkrankung, Vaskulitis (Kawasaki-Krankheit), Neoplasien, Malignome | Druckgefühl im Rachen, kloßige Sprache | Behandlung der Grunderkrankung nach ärztlicher Abklärung |
Schleimhautläsionen im Mund-Rachenbereich (Stomatitis, Mucositis, Aphthen) | Schluckstörungen, Schmerzen im Mund | Lokalanästhetika, NSAR, pflanzliche und naturheilkundliche Arzneimittel, lokale Allgemeinmaßnahmen |
Arzneimittelbedingt | ||
Probleme bei der Arzneimitteleinnahme (inhalative Glucocorticoide, Bisphosphonate) | Mundsoor, entzündliche Speiseröhre, Heiserkeit | Aufklärung in der Apotheke, lokale Allgemeinmaßnahmen |
Arzneimittelnebenwirkungen (ACE-Hemmer, Chemotherapeutika), Agranulozytose, Xerostomie | Husten, Erkrankungen der Mundschleimhaut, Fieber | möglicher Wechsel des Arzneimittels, Aufklärung in der Apotheke, lokale Allgemeinmaßnahmen |
Infektiologisch: Bakterien und Viren | ||
Bakterien/Viren | virale Infekte: symptomatische Behandlung, Lokalanästhetika, NSAR, lokale Allgemeinmaßnahmen, pflanzliche und naturheilkundliche Arzneimittelbakterielle Infekte:Antibiotika (Penicillin, Makrolidantibiotika oder Cephalosporine), Lokalanästhetika, NSARlokale Allgemeinmaßnahmen, pflanzliche und naturheilkundliche Arzneimittel | |
Tonsillitis, Pharyngotonsillitis, Laryngitis, Pharyngolaryngitis, Sinusitis, Pneumonie, Bronchitis, Otitis media | Schleimbildung, Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Fieber, Schmerzen | |
Peritonsillarabszess | einseitige Schluckbeschwerden, Ohrenschmerzen, Fieber | |
Scharlach | Fieber, Exanthem | |
Epiglottitis | hohes Fieber, Stridor, kloßige Sprache | |
Viren | ||
Erkältung | Erkältungssymptome | |
Covid-19 | Fieber, Geschmacks- und Geruchsstörungen | |
Herpangina | Fieber, Ausschlag im Mund | |
Hand-Fuß-Mund-Krankheit, Mundfäule (Stomatitis aphthosa) | Fieber, Ausschlag | |
Pfeiffersches Drüsenfieber (Mononukleose) | Fieber, Lymphknotenschwellungen | |
Infektiologisch: Pilzinfektion (Candida albicans) | ||
Mundsoor | Soor-typischer weißlicher Belag im Mund | Antimykotika lokal oder systemisch |
Akute, bakteriell verursachte Halsschmerzen sind deutlich seltener und überwiegend durch β-hämolysierende Streptokokken bedingt. Bei Kindern und Jugendlichen (Alter bis 15 Jahre) kann auf Antibiotika verzichtet werden, wenn ein negatives Schnelltestergebnis für Gruppe-A-Streptokokken vorliegt und die Red Flags beachtet werden.
Sind Antibiotika indiziert, wird leitliniengerecht in diesem Alter Penicillin V 0,05 bis 0,1 Million IE/kg Körpergewicht (KG)/Tag, verteilt auf drei Einzeldosen, peroral über fünf bis sieben Tage eingesetzt. Bei Penicillin-Unverträglichkeit ist Clarithromycin 15 mg/kg KG/Tag, verteilt auf zwei Einzeldosen, peroral für fünf Tage vorzuziehen. Da Messlöffel zu ungenau sind, empfiehlt sich bei kleinen Patienten die Dosierung mittels Dosierspritze. Das Antibiotikum sollte vorzugsweise bei aufrechter Körperhaltung in die Wangentasche appliziert werden. So werden eine Aspiration und die Berührung mit Geschmacksknospen der Zunge vermieden. Bei fehlender Akzeptanz des Rabattvertragsarzneimittels können pharmazeutische Bedenken angemeldet werden.
Bei bakteriellen Infekten können systemische Antibiotika indiziert sein. Ziel ist, die Dauer der Erkrankung abzukürzen, nicht die Vermeidung von Komplikationen. / Foto: Adobe Stock/rocketclips
Die antibiotische Therapie für Jugendliche ab 15 Jahren und Erwachsene soll laut Leitlinie mit Penicillin V dreimal täglich 0,8 bis 1,0 Million I.E. für fünf bis sieben Tage oder Clarithromycin zweimal täglich 250 bis 500 mg für fünf Tage erfolgen. Bei Patienten in Gemeinschaftseinrichtungen (Schule, Kindergarten, Pflegeeinrichtungen) kann die Penicillindosis auf zwei anstatt drei Einzelgaben verteilt werden; dann beträgt der Einnahmeabstand zwölf Stunden. Bessern sich die Beschwerden nach drei bis vier Tagen nicht deutlich, ist der Arzt erneut aufzusuchen. Zusätzlich ist leitliniengerecht die Linderung der Symptome mit Lokalanästhetika und NSAR, lokal oder systemisch, sinnvoll.
Leiden die Patienten an andauernden oder heftigen Begleitsymptomen wie hohem Fieber, eitrigem Auswurf oder Atemnot, sollte das Apothekenteam dringend zum Arztbesuch raten. Der Arzt kann schwere Infektionen wie Pneumonie, Bronchitis, Otitis media oder Sinusitis differenzialdiagnostisch abklären.
Das Pfeiffersche Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose, Kusskrankheit) wird durch das Epstein-Barr-Virus verursacht. Typisch für die sehr häufige und meist harmlos verlaufende Erkrankung ist eine Trias der Symptome Fieber, Lymphknotenschwellungen und Entzündungen der Gaumenmandeln (Tonsillitis).
Scharlach wird durch Toxine von β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A hervorgerufen, die mittels Tröpfcheninfektion übertragen werden. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch Fieber, Rachenentzündung (Pharyngitis) und ein charakteristisches Exanthem.
Auch schwere bakterielle Infektionen wie Scharlach können Halsschmerzen verursachen. Hier die typische »Himbeerzunge«. / Foto: Adobe Stock/Lukassek
Der Begriff Angina (lat. Angor: Angst, Enge, Beklemmung) fasst verschiedene Erkrankungen mit dem Grundgefühl der Enge zusammen. Im Hals-Rachen-Raum spielen virale oder bakterielle Entzündungen, zum Beispiel eine Tonsillitis, eine Rolle. Als Komplikation einer Angina kann sich ein Peritonsillarabszess entwickeln, verursacht durch eine Mischinfektion mit Viren und Gruppe-A-Streptokokken. Das Bindegewebe zwischen Gaumenmandel und Rachenmuskulatur entzündet sich dabei bis zur Abszessbildung mit typisch einseitigen Beschwerden beim Schlucken, Fieber und stechenden Ohrenschmerzen.
Die Epiglottitis, eine Entzündung des Kehlkopfdeckels, wird ausgelöst durch eine Mischinfektion mit Streptokokken der Gruppe A und Haemophilus influenzae. Besonders Kinder zwischen zwei und sechs Jahren waren bis zur allgemeinen Haemophilus-influenzae-Typ-b-Impfung (Hib-Impfung) betroffen. Symptome sind sehr starke Halsschmerzen, hohes Fieber und kloßige Sprache. Die größte Gefahr besteht in der gefährlichen Verlegung der Atemwege, begleitet von einem Atemnebengeräusch (Stridor). Die Ständige Impfkommission STIKO empfiehlt daher die Hib-Impfung als Standardimpfung für alle Kinder.
Während virale Erkrankungen nur symptomatisch behandelt werden, kommen für bakterielle Infektionen Penicillin, Makrolidantibiotika oder Cephalosporine infrage.
Zu den Red Flags gehören auch Neoplasien oder Malignome im Hals- und Rachenbereich, die andauernde oder wiederkehrende Halsschmerzen in Ruhe und/oder beim Schlucken verursachen.
Bestehen Halsbeschwerden wiederholt oder länger als 14 Tage und ergibt sich kein Hinweis auf schwerwiegende Symptome oder einen akuten Infekt, so ist von nicht infektiösen Ursachen auszugehen. Dazu gehören anatomische Probleme, Schleimhautirritationen oder Arzneimittelnebenwirkungen.
Alkohol und Rauchen reizen die empfindlichen Schleimhäute. Zahlreiche Umweltfaktoren, Autoabgase oder industriell bedingte Luftverschmutzung können länger andauernde oder wechselnde Halsbeschwerden verursachen, ohne dass immer eindeutig eine Noxe zuzuordnen ist. Im Winter trocknet die Heizung die Raumluft aus, im Sommer belasten Allergene und Ozon. Müssen FFP2-Masken und Mundschutz über mehrere Stunden getragen werden, ist die Luftzirkulation im Mundbereich gestört; dann verliert die Schleimhaut an Feuchtigkeit. Auch Schnarchen und Schlafen mit geöffnetem Mund führen zu einem trockenen Gefühl im Rachen. Ärztliche Untersuchungen wie eine Magenspiegelung oder eine tracheale Intubation reizen.
Manchmal sind die Ursachen von Halsbeschwerden recht banal. / Foto: Adobe Stock/Paolese
Je nach Intensität der Beschwerden können leitliniengerecht in der Apotheke Lutschtabletten mit Lokalanästhetika oder NSAR sowie eine systemische Behandlung mit NSAR empfohlen werden. Ebenso können die unter Allgemeinmaßnahmen beschriebenen Arzneimittel und nicht evidenzbasierte Phytopharmaka den Heilungsprozess unterstützen.
Ein gastroösophagealer Reflux oder Entzündungen der Speiseröhre reizen die Pharynxschleimhaut. Leitsymptom sind Halsschmerzen und Heiserkeit. Ein immer wieder auftauchendes Kloß- oder Druckgefühl oder persistierende Schluckbeschwerden im Rachen müssen abgeklärt werden. Darauf sollte das Apothekenpersonal die Patienten hinweisen und sie auch an jährliche Kontrolluntersuchungen der Schilddrüse erinnern. Schilddrüsenerkrankungen sind häufig mit Halsschmerzen assoziiert oder können sogar das führende Symptom einer neu diagnostizierten Thyreoiditis sein.
Ein Kunde kauft immer wieder Lutschbonbons. Ein Apothekenmitarbeiter fragt ihn, ob er unter akuten Beschwerden leidet. Der Kunde flüstert, er sei seit einer ganzen Weile so heiser. In der Apotheke wird ihm nahegelegt, zeitnah den Arzt aufzusuchen, da sich durchaus ein ernsteres Problem dahinter verbergen könne.
Singen, langes Reden oder Schreien beanspruchen den Kehlkopf; Halsschmerzen oder Heiserkeit können die Folge sein. Die Schleimhaut ist entzündet, die Stimmlippen gerötet und geschwollen. So ist die Phonation durch natürliche Schwingung gestört. Viele Menschen meinen, durch Flüstern diese Reizungen beruhigen zu können. Damit werden die Stimmlippen aber noch mehr angespannt. Empfehlenswert ist dagegen, wenig zu sprechen, bis die Beschwerden abgeklungen sind.
Heiserkeit kann auch ausgelöst werden durch funktionelle Störungen ohne anatomische Veränderungen der Stimmlippen, eine falsche Inhalationstechnik von Glucocorticoiden, Postnasal Drip, Reflux, Infektionen oder Stress.
Die Grenzen der Selbstmedikation sollten beachtet werden. Halten die Beschwerden mehrere Wochen an oder kommen schwerere Begleitsymptome wie ein Kloßgefühl beim Schlucken oder Atemnot hinzu, sollte das pharmazeutische Personal den sofortigen Arztbesuch empfehlen.
Eine Erkältung kann noch länger nachwirken und schon vergessene Halsschmerzen wieder aufflackern lassen. Ursache ist hier nicht der Erreger selbst, sondern ein andauernder Hustenreiz oder ein Postnasal Drip (eine Überproduktion von Schleim aus Nase und Nebenhöhlen, die sich im Rachenbereich staut und zu lokalen Reizungen führt). Dabei kommt es durch die Überproduktion von Schleim infolge einer Rhinitis oder Rhinosinusitis allergischen oder nicht allergischen Ursprungs, aber auch hormonell bedingt (Schwangerschaft) zu Räusperzwang, Reizgefühl im Rachen, Heiserkeit oder Schmerzen. Das Apothekenpersonal sollte dem Patienten zu einer ärztlichen Differenzialdiagnose oder auch einem Allergietest raten.
In seltenen Fällen wird eine Pharyngitis durch eine Vaskulitis wie die Kawasaki-Krankheit verursacht.
Im Zusammenhang mit Arzneimitteln nennt die Leitlinie besonders die Nebenwirkung von ACE-Hemmern, Chemotherapeutika und inhalativen Corticoiden. Bei etwa jedem fünften Patienten mit ACE-Hemmer-Dauermedikation kommt es aufgrund einer Akkumulation von Bradykinin zu Reizhusten mit schmerzhaften Halsbeschwerden. Nicht immer ist dieser Zusammenhang für Arzt und Patient eindeutig, sodass die Apotheke aufklären und gegebenenfalls beim Arzt den Wechsel auf ein Sartan anstoßen kann.
Zu denken ist auch an die sehr seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Arzneimittelnebenwirkung Agranulozytose. Diese führt zu schmerzhaften Schleimhautnekrosen im Bereich von Pharynx und Tonsillen, Fieber sowie Schüttelfrost. Diese Typ-II-Allergie kann von vielen, ganz verschiedenen Arzneistoffen, zum Beispiel Analgetika (Metamizol), Antipsychotika (Clozapin) und Thyreostatika (Thiamazol, Carbimazol) ausgelöst werden. Erste Maßnahme: die Medikamente sofort absetzen.
Die Xerostomie beschreibt das Symptom der Mundtrockenheit, das sich ab einer 50-prozentigen Reduktion des Speichels bemerkbar macht. Neben verschiedenen Grunderkrankungen wird die Xerostomie durch die anticholinerge Wirkung und Nebenwirkung von ungefähr 400 verschiedenen Arzneistoffen verursacht oder verschärft. Die reduzierte Mundfeuchte erhöht die Anfälligkeit für Schluckstörungen und schmerzhafte Schleimhautläsionen im Mund und Rachen. Das Apothekenteam sollte bei Verdacht über diese Nebenwirkungen aufklären und bei einem Medikationsmanagement mit dem Arzt den Wechsel eines Arzneimittels besprechen.
Halsschmerzen können auch ein Begleitsymptom von Mundsoor sein. Die Pilzinfektion mit Candida albicans wird häufig durch eine falsche Inhalationstechnik von Glucocorticoiden provoziert. Daher ist es sehr wichtig, auch Patienten, die vermeintlich genau wissen, wie sie ihre Arzneimittel einzunehmen haben, immer wieder auf das Ausspülen des Mundes nach der Inhalation zu verweisen.
NSAR, Eisenpräparate, Kaliumchlorid, Bisphosphonate und verschiedene Chemotherapeutika wirken zelltoxisch und reizen die Atemwegsschleimhäute, wenn sie nicht korrekt geschluckt werden. Das Apothekenpersonal sollte daher nicht müde werden, immer wieder zur korrekten Einnahme zu beraten und nach Routineabläufen zu fragen.
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Eine Patientin mit der Dauermedikation Alendronsäure kauft Lutschbonbons und fragt: »Salbei hilft doch bei Halsschmerzen?« Die Apothekerin spricht sie auf die Einnahme der Alendronsäure an. Die Patientin versichert, dass sie ihre Medikamente gut kenne und diese schon seit einigen Jahren einnehme.
Die Apothekerin erläutert ihr, wie wichtig es ist, das Arzneimittel immer mit einem großen Glas Wasser (mindestens 200 ml) in aufrechter Körperhaltung einzunehmen und sich anschließend mindestens 30 Minuten nicht hinzulegen. Sie zeigt ihr die erforderliche Menge Flüssigkeit mit einem Becherglas. Die Patientin ist überrascht, dass Beschwerden wie Mundtrockenheit und Halsschmerzen eine Nebenwirkung ihrer Medikamente sein können. Sie habe diese immer mit zwei bis drei Schluck Wasser heruntergespült.
Die Apothekerin erklärt ihr, dass zu geringe Flüssigkeitsmengen zum Ankleben von Tabletten und Kapseln in Rachen und Speiseröhre führen können. Reizungen und Schmerzen sind die Folge.
Mit detektivischem Spürsinn heißt es in der Apotheke vorzugehen, wenn ein Kunde ein vermeintlich lapidares Arzneimittel zur Linderung von Halsschmerzen verlangt. Hilfreich ist es, sich immer wieder den Beratungsleitfaden der ABDA vorzunehmen und im Team zu klären, wo die Grenzen der Selbstmedikation sind und welche evidenzbasierten Empfehlungen unter Berücksichtigung der Warnzeichen für einen Arztbesuch sinnvoll sind.
Barbara Staufenbiel studierte Pharmazie in Münster. 16 Jahre lang leitete sie die Rabenfels-Apotheke in Rheinfelden. Seit ihrer Rückkehr nach Münster arbeitet sie in einer öffentlichen Apotheke und engagiert sich für die Fortbildung als Referentin und Autorin mit Schwerpunkt Apothekenpraxis.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.