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Faktor-Xa-Hemmer

Erstes Antidot auf dem Markt

Mit Andexanet alfa (Ondexxya® 200 mg Pulver zur Herstellung einer Infusionslösung, Portola) steht ab sofort ein spezifisches Antidot gegen die Faktor-Xa-Hemmer Apixaban und Rivaroxaban zur Verfügung. Der direkte Thrombinhemmer Dabigatran kann mit dieser Option in Form von Idarucizumab bereits seit 2016  punkten.
Kerstin A. Gräfe
30.09.2019  11:00 Uhr

Nicht-Vitamin-K-abhängige Antikoagulanzien (NOAK) haben inzwischen einen festen Platz im klinischen Alltag. Apixaban (Eliquis®), Edoxaban (Lixiana®) und Rivaroxaban (Xarelto®) inhibieren als direkte Anti-Xa-Hemmer den aktivierten Faktor Xa unabhängig von Antithrombin. Dabigatran (Pradaxa®) hemmt zirkulierendes Thrombin und war bis vor Kurzem das einzige NOAK, gegen das es ein spezifisches Antidot gab: Idarucizumab (Praxbind®). Das hat sich mit der Markteinführung von Andexanet alfa geändert. Das neue Präparat darf zum Einsatz kommen, wenn die durch Rivaroxaban oder Apixaban induzierte Antikoagulation wegen lebensbedrohlicher oder unkontrollierbarer Blutungen aufgehoben werden muss.

Andexanet alfa ist ein modifiziertes humanes Faktor-Xa-Molekül, das selbst keinen Einfluss auf die Blutgerinnung hat. Es stellt eine Art Köder für Rivaroxaban und Apixaban dar, die daran binden. Einmal an Andexanet alfa gebunden, können die Wirkstoffe nicht mehr an den nativen Faktor Xa binden und ihn folglich auch nicht mehr hemmen. Die natürliche Gerinnungskaskade wird dadurch wiederhergestellt.

Ondexxya wird intravenös als Bolus verabreicht, gefolgt von einer Dauerinfusion über 120 Minuten. Die empfohlene Dosierung richtet sich nach der zum Zeitpunkt der Aufhebung der Antikoagulation vom Patienten eingenommenen NOAK-Dosis sowie nach der seit der letzten Einnahme vergangenen Zeit. Die entsprechenden Dosisschemata finden sich in der Fachinformation.

Nach der Anwendung von Andexanet alfa und dem Stoppen der Blutung ist zur Vorbeugung thrombotischer Ereignisse infolge der Grunderkrankung des Patienten eine Wiederaufnahme der Antikoagulation zu erwägen. Dabei muss der Arzt den Nutzen der Antikoagulation gegen die Risiken einer erneuten Blutung abwägen.

Ondexxya ist nicht zur Vorbehandlung vor einer dringenden Operation geeignet. Aufgrund fehlender Daten wird die Anwendung zur Aufhebung der Wirkung von Edoxaban und Enoxaparin nicht empfohlen. Da nach der Behandlung naturgemäß thrombotische Ereignisse aufgetreten sind, sollten die Patienten auf Anzeichen und Symptome einer Thrombose überwacht werden.

Die Anwendung von Andexanet alfa in der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Das Stillen sollte während der Behandlung unterbrochen werden.

Die bedingte Zulassung basiert unter anderem auf den Daten der Phase-III/IV-Studie ANNEXA-4. Sie schloss 352 Patienten ein, bei denen es innerhalb von 18 Stunden nach der letzten Einnahme eines Faktor-Xa-Inhibitors zu einer schweren Blutungskomplikation gekommen war. Die meisten von ihnen hatten  Apixaban oder Rivaroxaban erhalten. Sie erhielten Andexanet intravenös als definierten Bolus mit anschließender Infusion über zwei Stunden. Auf eine Kontrollgruppe mit Placebomedikation wurde aus ethischen Gründen verzichtet.

Die beiden primären Endpunkte waren der Anteil an Patienten mit effektiver Stillung der Blutung zwölf Stunden nach Infusionsende sowie die gemessene prozentuale Änderung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität. Bereits nach der Applikation des Andexanet-Bolus sank die Anti-Faktor-Xa-Aktivität um 92 Prozent ab (von durchschnittlich 150 ng/ml auf 11 ng/ml bei den Apixaban-Patienten und von durchschnittlich 212 ng/ml auf 14 ng/ml bei den Rivaroxaban-Patienten). Bei 82 Prozent der Patienten wurde zwölf Stunden nach der Behandlung eine sehr gute bis gute Blutstillung erreicht. 

Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren milde oder moderate infusionsbedingte Reaktionen wie Hitzewallungen, Wärmegefühl, Husten, Geschmacksstörungen und Dyspnoe. Im Nachbeobachtungszeitraum von 30 Tagen kam es bei 34 Studienteilnehmern zu thrombotischen Ereignissen wie Myokardinfarkt, Schlaganfall, venöse Thromboembolie oder Lungenembolie. 49 Patienten starben während dieses Zeitraums. Weitere Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit soll eine bis 2022 laufende Phase-IV-Studie liefern. 

Das Präparat ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °Celsius zu lagern. 

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