Diese Ansätze gibt es |
Sven Siebenand |
08.11.2020 08:00 Uhr |
Nicht nur mit Antikörpern ist es möglich, immunmodulatorische Effekte zu erzielen. Die Vertreter der Klasse der Januskinase-Hemmer wirken zum Beispiel als Multizytokin-Inhibitoren. Daher wundert es wenig, dass auch sie klinisch erprobt werden. Zu den JAK-Hemmern zählen unter anderem Baricitinib (Olumiant®), Tofacitinib (Xeljanz®) und Ruxolitinib (Jakavi®).
Auch Brutonkinase-(BTK-)Hemmer können die Produktion von Zytokinen stoppen. Das gerade in der EU zur Zulassung bei chronisch lymphatischer Leukämie empfohlene Medikament Calquence® enthält den BTK-Inhibitor Acalabrutinib und wird von Astra-Zeneca in einer klinischen Studie bei Covid-19 untersucht.
Ebenfalls ein Krebsmedikament ist Opaganib (Yeliva®). Es wirkt als selektiver Sphingosinkinase-2-(SK2-)Inhibitor und blockiert dadurch die Synthese von Sphingosin-1-Phosphat. Dieses Lipid-Signalmolekül fördert das Krebswachstum, aber auch pathologische Entzündungen.
Toll-like-Rezeptoren (TLR) sind wichtige Strukturen des angeborenen Immunsystems. Sie erkennen zum Beispiel Bestandteile von Viren und Bakterien und können so biochemische Reaktionsketten in Gang setzen, die der Abwehr dieser Krankheitserreger dienen. Eine übermäßige Aktivierung von TLR7/8 kann aber zu einer übermäßigen Mobilisierung von Immunzellen und einem Entzündungsgeschehen führen, das bei unzureichender Regulierung schwere Störungen des Immunsystems zur Konsequenz haben kann.
M5049 wird bei Merck für verschiedene immunologische Indikationen entwickelt und unter anderem auch bei Covid-19 getestet. Es soll die Aktivierung der TLR 7 und 8 blockieren. Möglicherweise könnte aber auch eine agonistische Aktivität an TLR einen Nutzen haben. Das Unternehmen ENA Respiratory hat INNA-051 in der Pipeline. Ein Nasenspray mit diesem Agonisten an TLR2/6 soll das angeborene Immunsystem besonders rasch und früh aktivieren, sodass das Spray zur Prophylaxe eingesetzt werden könnte. Klinische Studien sind allerdings noch nicht gestartet.
Ein immunmodulatorisch wirksames Covid-19-Medikament soll auch IMU-838 werden, das wie die bekannten Wirkstoffe Teriflunomid (Aubagio®) und Leflunomid als Dihydroxyorotat-Dehydrogenase-Inhibitor wirkt.
Bislang noch ohne richtigen Wirkstoffnamen versehen, ist auch DNL758. Dahinter verbirgt sich ein neuer Kinasehemmer. Zielstruktur ist die Rezeptor-interacting-Proteinkinase 1 (RIPK1), ein Signalprotein im Tumornekrosefaktor-Rezeptorweg, das Entzündungen und Zelltod im gesamten Körper reguliert.
Foto: Adobe Stock/NaturBilder2017
Antikörper, Kinasehemmer und TLR-Modulatoren: Neben vielen neuen Substanzen und Ansätzen zur Immunmodulation sind hier auch alte Bekannte im Gespräch. Zum Beispiel Colchicin. Das vor allem als Gichtmedikament bekannte Alkaloid der Herbstzeitlosen wird aufgrund seiner immunmodulatorischen Effekte gleich in mehreren Studien bei Covid-19 erprobt. Der Substanz werden mehrere Effekte zugeschrieben: Sie soll zum Beispiel die Aktivierung des Inflammasoms, die Mikrotubuli-basierte Aktivierung von Entzündungszellen sowie die Bildung von Leukotrienen und Zytokinen stören.
Ebenso bekannt wie Colchicin sind Alphablocker wie Prazosin. Man geht davon aus, dass Catecholamine die Freisetzung von Zytokinen triggern können und damit einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Immunreaktion ausüben. Aus diesem Grund hofft man, einen Zytokinsturm bei Covid-19-Patienten mithilfe eines Alphablockers verhindern zu können.