Diese Ansätze gibt es |
Sven Siebenand |
08.11.2020 08:00 Uhr |
Zur Behandlung von Covid-19-Patienten haben die Ärzte bislang nur wenige medikamentöse Optionen. Umso länger ist die Liste der Prüfsubstanzen. / Foto: Adobe Stock/Halfpoint
Eine befristete EU-Zulassung hat im Sommer der Wirkstoff Remdesivir (Veklury®, Gilead) erhalten. Es ist ein Prodrug, dessen aktive Form die RNA-abhängige Polymerase hemmt. In der Folge wird die Replikation von Viren unterdrückt. Das Medikament wirkt somit antiviral. Basis der EU-Zulassung sind Daten, die eine Verkürzung der Krankheitsdauer bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten zeigten. Dass Remdesivir auch signifikant die Mortalität senkt, konnte bisher noch nicht gezeigt werden. Vorab veröffentlichte Daten der großen SOLIDARITY-Studie, initiiert von der WHO, zeigten keinen Überlebensvorteil. Veklury wird infundiert. Als Standard kristallisiert sich die Fünf-Tage-Therapie heraus.
Ebenfalls ein Prodrug ist Favipiravir. Dessen aktive Form hemmt auch die RNA-abhängige Polymerase von Viren, ist aber wie Remdesivir nicht spezifisch für SARS-CoV-2. Favipiravir ist seit einigen Jahren in Japan auf dem Markt – als Reservearzneistoff gegen die Influenza. Nachdem der Arzneistoff in einer Studie Krankheitsdauer und Symptomlast bei Covid-19-Kranken reduzieren konnte, wird in Japan eine Indikationserweiterung für das Favipiravir-haltige Medikament Avigan® angestrebt. Diese Zulassung hat der Wirkstoff in Russland im Sommer bereits erhalten: Das Präparat heißt Avifavir®. Favipiravir ist im Gegensatz zu Remdesivir oral bioverfügbar.
Der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA empfiehlt mittlerweile den Einsatz von Dexamethason bei beatmeten Covid-19-Patienten. Für Patienten ohne zusätzlichen Sauerstoffbedarf oder Beatmung gilt diese Empfehlung ausdrücklich nicht. Dass es sich um einen Gruppeneffekt der Glucocorticoide handelt, ist wahrscheinlich. Auch mit anderen Corticoiden wurden positive Ergebnisse bei schwer kranken Covid-19-Patienten erzielt.
Ferner ist in den Kliniken schon seit längerer Zeit bekannt, dass thromboembolische Ereignisse eine häufige Komplikation bei Covid-19 sind und dass Antikoagulanzien, etwa Heparine, Leben retten können. Konkrete Zulassungserweiterungen wurden noch nicht ausgesprochen. Das eine oder andere Antikoagulans, so auch neue orale Antikoagulanzien (NOAK) wie Edoxaban (Lixiana®) und Rivaroxaban (Xarelto®) und das niedermolekulare Heparin Enoxaparin werden getestet.
Foto: Adobe Stock/felipecaparros
Sucht man auf der Website clinicaltrials.gov nach Covid-19-Studien, erhält man derzeit mehr als 3600 Treffer. Das unabhängige Milken Institute in Kalifornien pflegt eine Excel-Tabelle mit laufenden Projekten mit Medikamenten und Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 beziehungsweise Covid-19. Getestet wird praktisch alles, was nicht völlig abwegig erscheint.
An das sogenannte Repurposing denken derzeit offenbar viele Pharmaunternehmen, was auch nicht schlecht ist. Denn bereits zugelassene Substanzen haben Studien durchlaufen und ihr Sicherheitsprofil ist meist besser bekannt als jenes von Substanzen in der klinischen Testung oder aus der Präklinik. Unter den derzeitigen Testsubstanzen finden sich aber dennoch zahlreiche Kandidaten, die noch in keiner Indikation zugelassen sind und teilweise aus der Präklinik stammen.
Hilfreiche Links:
https://clinicaltrials.gov/
Eine Fülle von Substanzen wird derzeit auf ihre Wirksamkeit bei Covid-19 getestet (Kasten). Diese wirken meist entweder antiviral oder immunmodulatorisch beziehungsweise antientzündlich. Das ist auch gut so, denn die Hinweise mehren sich, dass es wichtig ist, antivirale und antientzündliche Therapien zu sequenzieren. Beispielsweise konnte die Kombination aus der antiviralen Therapie mit Remdesivir und der antiinflammatorischen Behandlung mit dem Januskinase-Hemmer Baricitinib in einer Studie kürzlich Erfolge erzielen.