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Covid-19

Arzneistoffe gesucht

Impfstoffe spielen eine zentrale Rolle in der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie. Aber auch die Pharmakotherapie ist ein wichtiges Thema. Professor Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz von der Universität Frankfurt am Main stellte beim Pharmacon@home bereits zugelassene Covid-19-Medikamente und aussichtsreiche Kandidaten der Zukunft vor. 
Sven Siebenand
22.01.2021  13:27 Uhr

»Die molekulare Architektur des Virus SARS-CoV-2 ist aufgeklärt«, betonte Schubert-Zsilavecz. Dies sei die Grundlage dafür, dass antiviral wirksame Substanzen entwickelt werden könnten. In relativ kurzer Zeit  sei schon viel erreicht worden. Viele Substanzen seien mittlerweile von der Präklinik in die klinische Phase übergegangen. Die ermutigende Prognose von Schubert-Zsilavecz lautet : »Am Ende des Jahres 2021 werden wir deutlich weiter sein als heute und spätestens 2022 werden wir wirksame Waffen gegen das Virus in der Hand haben.«

Der Professor für pharmazeutische Chemie informierte, dass antivirale Substanzen gegen SARS-CoV-2 unterschiedliche Targets haben können. Eine Möglichkeit, das Virus zu bekämpfen, sind therapeutische Antikörper gegen das Spike-Protein des Virus. Das Virus wird sozusagen ausgeschaltet, bevor es die Wirtszelle befällt. Schubert-Zsilavecz verwies auf Bamlanivimab und die Kombination aus Casirivimab und Imdevimab, die beide in den USA eine Notfallzulassung zur Behandlung von leichter bis moderater Covid-19-Erkrankung erhalten haben. Bislang fehle eine ausreichende Datenbasis für eine finale Beurteilung, so der Referent. Das werde sich im Laufe des Jahres aber voraussichtlich ändern.

Eintritt verboten für SARS-CoV-2

Ein weiteres wichtiges Arzneistoff-Target ist ACE2, ein membranständiges Enzym auf Körperzellen. »Das ist die Eingangstür für das Virus«, sagte Schubert-Zsilavecz. In Phase II werde derzeit ein rekombinantes humanes lösliches ACE, Alunacedase alfa (APN01), bei Covid-19 getestet. Der Wirkstoff soll an das Spike-Protein binden und damit dessen Andocken an ACE2 auf der Zelloberfläche verhindern.

Ebenfalls als Entry-Inhibitoren wirken Hemmstoffe des Enzyms TMPRSS2. Dieses ist nach Andocken des Virus an die Zelle dafür zuständig, dass das Spike-Protein gespalten wird, was für den Zelleintritt erforderlich ist. Als potenter Hemmstoff der Protease TMPRSS2 wirkt Camostat, ein in Japan zur Behandlung der chronischen Pankreatitis und postoperativen Refluxösophagitis bereits zugelassener Arzneistoff. Bei Covid-19 befindet sich Camostat derzeit in Phase II der klinischen Prüfung.

Als Fusions-Inhibitor, der die Verschmelzung der Virushülle mit der Wirtszellmembran hemmen soll, ist das in Russland und China zugelassene Umifenovir im Gespräch. Schubert-Zsilavecz betonte jedoch, dass bisher noch keine überzeugenden Ergebnisse für die Wirksamkeit publiziert wurden. Mehr traut der Referent Protease-Hemmern zu. Allerdings müssten diese spezifisch sein. Gegen das HI-Virus  wirksame Protease-Hemmer seien in Studien nicht in der Lage gewesen, die Proteasen von SARS-CoV-2 ausreichend zu inhibieren. Es gelte, die Hauptprotease von SARS-CoV-2 und/oder eine zweite Protease, die Papain-like-Protease zu hemmen. Letztere zu blockieren, habe nicht nur antivirale Effekte, sondern auch einen günstigen Einfluss auf das Immunsystem des Patienten. Schubert-Zsilavecz informierte, dass demnächst erste Substanzen mit diesen Targets in Phase I und Phase II eintreten werden.

Last, but not least ging der Apotheker auf RNA-Polymerase-Inhibitoren gegen SARS-CoV-2 ein. Mit dem Prodrug Remdesivir (Veklury®) sei bereits eine Substanz zugelassen. Schubert-Zsilavecz betonte allerdings, dass der Breitband-RNA-Polymerasehemmer aus mehreren Gründen noch nicht optimal sei. Die Deutsche Gesellschaft für Intensivmedizin empfiehlt den Einsatz bei bestimmten hospitalisierten Covid-19-Patienten,  die WHO rät mittlerweile vom Einsatz in allen Stadien der Erkrankung ab.

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