Japanischer Wirkstoff wird in Dänemark bei Covid-19 getestet |
Sven Siebenand |
01.04.2020 10:00 Uhr |
In Japan entwickelt, in Dänemark bei Covid-19 getestet und möglicherweise eines Tages weltweit im Einsatz: Noch ist es zu früh, um an diese Karriere von Camostatmesilat zu glauben. Aber erste kleine Schritte sind getan. / Foto: Adobe Stock/luzitanija
Seit 1986 ist das Camostatmesilat-haltige Medikament Foipan® auf dem japanischen Markt verfügbar. Eingesetzt wird es zur Behandlung bei chronischer Entzündung der Bauchspeicheldrüse und bei postoperativer Reflux-Ösophagitis. Laut der Fachinformation wirkt die Substanz auf mehrere Enzyme hemmend und greift in verschiedene Systeme im Körper ein. Unter anderem wird ein inhibierender Effekt auf Trypsin und eine Normalisierung der Amylase-Spiegel genannt.
Der Grund, warum dieser Wirkstoff in der Coronakrise plötzlich interessant wird, ist aber ein anderer. Camostatmesilat hemmt nämlich die transmembrane Serinprotease 2 (TMPRSS2). Das Virus SARS-CoV-2 benötigt dieses im menschlichen Körper vorhandene Enzym, um in die Wirtszelle einzudringen. Dass Camostatmesilat ein TMPRSS2-Inhibitor ist, weiß man nicht erst seit Kurzem. Bereits auf das Virus SARS-CoV, das Anfang des Jahrtausends in Asien zu einer Epidemie führte, hatte Camostatmesilat einen hemmenden Effekt. Wie die Universität Aarhus mitteilt, haben Versuche mit Mäusen gezeigt, dass Wirkstoffdosen, die den klinisch erreichbaren Konzentrationen beim Menschen ähnlich sind, die Mortalitätsrate nach SARS-CoV-Infektion von 100 auf 30 bis 35 Prozent reduzieren konnten.
Da das momentan zirkulierende SARS-CoV-2-Virus eine hohe Ähnlichkeit zu dem »alten« Coronavirus aufweist, liegt es nahe, den Wirkstoff in der aktuellen Krise zu untersuchen. Im März konnten Wissenschaftler in Deutschland erstmals in Tests mit Lungenzellen zeigen, dass der Wirkstoff das Eindringen des Virus in die Zellen blockiert.
Nun steht weltweit die erste Studie bei Covid-19 an. Sie soll in den nächsten Tagen mit den ersten Patienten starten. Derzeit warte man noch auf die Anlieferung des Medikaments aus Japan, so die Universität Aarhus. Geplant ist eine randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie mit insgesamt 180 positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Patienten. Zu den Einschlusskriterien zählt unter anderem, dass nicht mehr als 48 Stunden seit der Krankenhauseinweisung vergangen sein dürfen beziehungsweise erste Symptome bei Patienten, die sich im Krankenhaus infiziert haben, nicht länger als zwei Tage bestehen dürfen.
Zwei Drittel der Patienten sollen mit Camostatmesilat behandelt werden. Über einen Zeitraum von fünf Tagen nehmen sie dreimal täglich zwei 100-mg-Tabletten mit Camostatmesilat ein. Die 60 Patienten der Kontrollgruppe erhalten an den entsprechenden Einnahmezeitpunkten Placebo-Tabletten. Danach folgt eine 30-tägige Nachbeobachtungszeit.
Durch den Vergleich der beiden Gruppen wollen die Forscher feststellen, ob das Medikament den Krankheitsverlauf bei Covid-19 positiv beeinflussen kann. Als primären Zielparameter wollen sie die Tage, die ab Studienbeginn bis zur klinischen Verbesserung vergangen sind, auswerten. Zudem sind mehrere sekundäre Endpunkte vorgesehen, unter anderem die Mortalitätsrate innerhalb des 30-Tage-Zeitraums sowie die Rate an Patienten, die auf die Intensivstation verlegt werden müssen.
Erst nach Ende der Studie, wenn die Daten von 180 Patienten ausgewertet werden können, werden die Forscher Antworten auf ihre Fragen haben. Das heißt, dass bis zu einem möglichen breiteren Einsatz von Camostatmesilat noch einige Monate vergehen werden. Gut möglich, dass auch an anderen Orten Studien mit dem Wirkstoff aus Japan starten werden. Für potenziell gegen Covid-19 wirksame Therapieoptionen ist zudem mittlerweile die zentrale Beschaffung eingeleitet worden. Auch das Medikament Foipan® steht auf der Liste.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.