Die Pille wird 60 |
In der Vergangenheit wurde in der Literatur mehrfach eine Assoziation zwischen gutartigen Lebertumoren und hormonellen Kontrazeptiva postuliert. Mit Ausnahme von fokalen nodulären Hyperplasien, für die ein Zusammenhang widerlegt wurde, ist jedoch bisher keine eindeutige Evidenz aus Studien verfügbar. Dennoch gilt die Empfehlung, hormonelle Kontrazeptiva bei Patientinnen mit Leberadenomen und malignen Lebertumoren nicht einzusetzen.
Weiterhin wird in der Leitlinie der Einfluss einer hormonellen Kontrazeption auf die Inzidenz verschiedener Tumorarten betrachtet. Für das Mammakarzinom ist die Datenlage nicht eindeutig und eine geringfügige Erhöhung des Risikos nicht auszuschließen. Daher sollen Frauen nach Mammakarzinom nicht hormonell verhüten. Während das Zervixkarzinom-Risiko insbesondere bei langjähriger Anwendung erhöht ist, sinkt das Risiko für Ovarial-, Endometrium- und Kolonkarzinome (8).
Zwischen hormonellen Kontrazeptiva und anderen Arzneimitteln können klinisch relevante Interaktionen auftreten. Diese sind in aller Regel pharmakokinetischer Art. Eine Verminderung der kontrazeptiven Wirkung ist insbesondere bei gleichzeitiger Einnahme teratogener Arzneistoffe, beispielsweise Valproinsäure, relevant, da eine Schwangerschaft hier in jedem Fall verhindert werden muss. Tabelle 2 gibt einen Überblick über wichtige Interaktionspartner. Jedoch ist die Datenlage bezüglich der tatsächlichen klinischen Relevanz für viele Arzneistoffe unzureichend.
Arzneistoffgruppe, Arzneistoffe | Mechanismus | Klinische Relevanz |
---|---|---|
Antiepileptika | ||
Carbamazepin, Eslicarbazepin, Felbamat, Mesuximid, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Primidon, Rufinamid | Enzyminduktion | mögliche Reduktion kontrazeptiver Wirksamkeit |
Topiramat | Enzyminduktion | im niedrigen Dosisbereich vermutlich gering |
Lamotrigin | unbekannt | sehr wahrscheinlich gering |
HIV-Therapeutika: Protease-Inhibitoren | ||
Ritonavir | CYP450, Induktion der Glucuronidierung | hoch, zusätzliche Kontrazeptionsmethode nötig |
Atazanavir (geboostert) | Induktion der Glucuronidierung | relevant, KOK mit mindestens 30 µg Ethinylestradiol |
Tipranavir (geboostert) | CYP3A4 | relevant |
Saquinavir, Darunavir, Nelfinavir, Fosamprenavir, Lopinavir (jeweils geboostert) | CYP450, Induktion der Glucuronidierung | möglicherweise relevant |
HIV-Therapeutika: nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren | ||
Efavirenz | Enzyminduktion | relevant |
Nevirapin | Enzyminduktion | mittel |
Notfallkontrazeptivum | ||
Ulipristalacetat | Progesteronrezeptor-Antagonist | theroretisch relevant, für restlichen Zyklus zusätzliche Barrieremethode verwenden |
Antidepressivum | ||
Johanniskraut | Enzyminduktion | theoretisch relevant |
Zahlreiche Arzneistoffe können Erbrechen oder Diarrhö auslösen und damit die Resorption stören. Zudem verändern einige Antibiotikaklassen, zum Beispiel Penicilline, Tetracycline oder Makrolide, vermutlich das Mikrobiom. In der Folge wird der enterohepatische Kreislauf der Steroidhormone unterbrochen. Eine zusätzliche Verhütung scheint nicht grundsätzlich erforderlich zu sein; bei Erbrechen und/oder Diarrhö sind zusätzliche nicht-hormonelle Maßnahmen jedoch empfehlenswert.
Durch Enzyminduktion werden die Serumspiegel sowohl von Ethinylestradiol als auch der Gestagene gesenkt, sodass Zwischenblutungen und im Extremfall ungeplante Schwangerschaften eintreten können. Nimmt eine Frau entsprechende Arzneimittel ein, ist eine ausführliche Beratung zu einer zuverlässigen Kontrazeption nötig. Gegebenenfalls ist ein Präparat mit einem nur viertägigen einnahmefreien Intervall zu bevorzugen und zusätzlich eine Barrieremethode anzuwenden. Eine Alternative bietet eine Pille mit einem hohen Ethinylestradiol-Gehalt (50 bis 70 µg).
In Kombination mit sehr starken Enzyminduktoren, zum Beispiel Rifampicin, ist eine alleinige hormonelle Verhütung allerdings keine Option. Ist eine Notfallkontrazeption erforderlich, sollte die doppelte Standarddosis Levonorgestrel (3 mg) eingenommen werden. Dabei handelt es sich um einen Off-Label-Use. Die Apotheke sollte die Frau unbedingt an einen Gynäkologen verweisen. Ulipristalacetat ist aufgrund der fehlenden Erfahrung nicht geeignet (8).