Die Pille wird 60 |
Für viele Frauen weltweit das Verhütungsmittel Nr. 1: hormonelle Kontrazeptiva / Foto: Adobe Stock/AntonioDiaz
Am 18. August 1960 wurde in den USA das Arzneimittel Enovid, das bereits seit 1957 als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden auf dem Markt war, offiziell als Verhütungsmittel zugelassen. Ein Jahr später folgte die Markteinführung in Deutschland – zunächst allerdings nur für verheiratete Frauen, die bereits Kinder hatten (1). Die Einführung der Antibabypille markierte insbesondere für Frauen den Beginn eines neuen Zeitalters. Sexualität und Fortpflanzung waren aufgrund der nun möglichen zuverlässigen Empfängnisverhütung nicht mehr zwingend miteinander verknüpft, und die Selbstbestimmungsmöglichkeiten wuchsen.
Bis heute ist die »Pille« eines der am häufigsten verwendeten Verhütungsmittel. Laut einer repräsentativen Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2018 nutzten 47 Prozent der knapp 1000 befragten sexuell aktiven Frauen und Männer die Pille. Allerdings wurde erstmals seit langer Zeit ein Rückgang der Pillennutzung ermittelt, der unter den 18- bis 29-Jährigen mit einem Minus von 16 Prozentpunkten besonders deutlich ausfiel (2). Dennoch spielt die hormonelle Empfängnisverhütung in Deutschland nach wie vor eine sehr große Rolle.
Weitaus am häufigsten wählen Frauen die perorale Form, wenn sie hormonell verhüten wollen. Ein Nachteil ist die erforderliche tägliche Einnahme: Diese zu vergessen, kann die Zuverlässigkeit der Kontrazeption gefährden. Als weitere Darreichungsformen zur hormonellen Verhütung sind im Handel:
Alle hormonellen Kontrazeptiva enthalten als Wirkstoff ein Gestagen. Bei den sogenannten Minipillen, Intrauterinpessaren sowie der »Dreimonatsspritze« ist dieses der einzige Wirkstoff, während alle anderen Präparate zusätzlich eine Estrogen-Komponente, in der Regel das oral bioverfügbare Ethinylestradiol, enthalten. Letzteres sorgt für eine zuverlässige kontrazeptive Wirksamkeit, stabilisiert den Zyklus und verhindert Zwischenblutungen.
Bei den Gestagenen unterscheidet man vier Generationen (Tabelle 1).
Gestagen (Auswahl) | Relatives Risiko für VTE im Vergleich zu LNG-Präparaten | Inzidenz (pro 10.000 Frauen pro Anwendungsjahr) | Präparate (Handelsnamen, Beispiele) |
---|---|---|---|
Nichtanwenderin | - | 2 | - |
Gestagen der 1. Generation | |||
Norethisteron | 1 | 5 bis 7 | Eve 20 |
Gestagen der 2. Generation | |||
Levonorgestrel | 1 | 5 bis 7 | Minisiston, Trigoa |
Gestagene der 3. Generation | |||
Norgestimat | 1 | 5 bis 7 | Cilest, Pramino |
Etonogestrel | 1 bis 2 | 6 bis 12 | Nuvaring |
Gestoden | 1,5 bis 2 | 9 bis 12 | Femovan |
Desogestrel | 1,5 bis 2 | 9 bis 12 | Lamuna |
Gestagene der 4. Generation | |||
Drospirenon | 1,5 bis 2 | 9 bis 12 | Yasmin |
Dienogest | 1,6 | 8 bis 11 | Valette |
Chlormadinon | unbekannt | unbekannt | Bellissima |
Nomegestrolacetat + 17b-Estradiol | unbekannt | unbekannt | Zoely |
Dienogest + Estradiolvalerat | unbekannt | unbekannt | Qlaira |
Insbesondere die Wirkstoffe der dritten und vierten Generation haben neben den gestagenen auch noch antiandrogene und/oder antimineralocorticoide Eigenschaften. Diese sollen zu einer Verbesserung des Hautbildes führen beziehungsweise Ödeme und Gewichtszunahme verhindern.
Die empfängnisverhütende Wirkung beruht im Wesentlichen auf drei Wirkmechanismen, die bei den einzelnen Kombinationen in unterschiedlichem Ausmaß zum Tragen kommen:
Bei den kombinierten oralen Kontrazeptiva (KOK) kommen alle drei Mechanismen zum Tragen, was deren hohe kontrazeptive Sicherheit bedingt. Die Gestagen-Monopräparate hemmen die Ovulation dagegen deutlich weniger zuverlässig. Daher gilt die Minipille als weniger zuverlässig (Pearl-Index von 0,5 bis 3 gegenüber 0,1 bis 0,9 für die KOK).