Der Name ist Programm |
Die WHO-Regeln zur Bildung von INN gelten auch für hochmolekulare Wirkstoffe. Auch für diese sind typische Kennsilben festgelegt. So haben Enzyme das allgemeine Suffix »ase« (das oft noch verfeinert wird, zum Beispiel zu »plase« wie bei Alteplase und Tenecteplase).
Bei den monoklonalen Antikörpern wurde die allgemeine Kennsilbe »mab« (für monoclonal antibody) durch Infixe noch verfeinert (2). So wurden die INN baukastenartig aus einem frei wählbaren Präfix, einem Infix, das das Target beziehungsweise die Krankheit definiert, einem weiteren Infix zur Herkunft des Antikörpers und dem Suffix »mab« aufgebaut. Einige Beispiele: Demzufolge ist Trastuzumab ein zur Tumortherapie (»tu«) eingesetzter humanisierter (»zu«) monoklonaler Antikörper (»mab«) und Infliximab ein immunmodulatorisch aktiver (»li«) chimärer (»xi«) Antikörper.
Diese Nomenklatur wurde 2017 überarbeitet (1, 3). Die INN setzen sich nun nur noch aus drei Teilen zusammen: Das Präfix ist weiterhin frei wählbar. Das Infix steht für das Target des Antikörpers und hierfür gibt es neu festgelegte Silben. Das Suffix »mab« bleibt (Tabelle 3). Bislang sind erst wenige Antikörper mit der neuen Nomenklatur zugelassen und die INN der sich am Markt befindenden Antikörper werden nicht angepasst. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die neuen INN etablieren: Im März 2021 hat die EMA bereits eine Empfehlung für die Kombination aus Bamlanivimab und Etesevimab für den Einsatz bei Covid-19-Patienten (daher das Infix »-vi-«) abgegeben.
Infix | Target |
---|---|
-ami- | Serum-Amyloid A |
-ba- | Bakterien |
-ci- | kardiovaskulär |
-fung- | Pilze |
-gros- | Skelettmuskulatur-Wachstumsfaktoren |
-ki- | Interleukine |
-li- | Immunsystem |
-ne- | Nervensystem |
-os- | Knochen |
-tu- | Tumore |
-toxa- | Toxin |
-vet- | veterinärmedizinischer Gebrauch |
-vi- | Viren |
Kurz soll auch auf neuartige Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (Chemoimmunkonjugate) eingegangen werden. Diese in der Regel zur Krebstherapie eingesetzten Wirkstoffe enthalten einen monoklonalen Antikörper, dessen vorwiegende Aufgabe es ist, Oberflächenstrukturen von bestimmten Tumoren zu erkennen und den eigentlichen Wirkstoff spezifisch in die Tumorzellen zu bringen. Über einen »Linker« (Abstandshalter) ist ein starkes Zellgift kovalent an den Antikörper gebunden. Nach Internalisierung in die Tumorzelle durch Endozytose wird der Linker gespalten (enzymatisch oder pH-gesteuert in den sauren Endosomen) und das Zellgift am gewünschten Ort freigesetzt. Der Antikörper wird abgebaut.
Bei Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten verbindet ein Mittelstück als Abstandshalter ein starkes Zellgift mit einem Antikörper. Nach Aufnahme in die Tumorzelle wird der »Linker« gespalten und die Puzzleteile werden frei. / Foto: Adobe Stock/Maxim Chuev
Die INN derartiger Konjugate setzen sich zusammen aus dem INN des monoklonalen Antikörpers und einem zweiten Wort, das als reines Kunstwort den Linker und das Zellgift charakterisiert. Daraus resultieren INN wie Brentuximab vedotin, Enfortumab vedotin, Polatuzumab vedotin-piiq (angehängte vierbuchstabige Kürzel wie »piiq« sind eine Eigenheit der FDA in den USA) beziehungsweise Trastuzumab deruxtecan und Gemtuzumab ozogamicin.
Ähnliche Wortungetüme findet man auch bei Gentherapeutika. Deren INN bestehen ebenfalls aus zwei Wörtern, jedes beginnend mit einem frei wählbaren Präfix. Das Wort für die Genkomponente enthält ein Infix, das das Gen charakterisiert, und das Suffix »gen(e)«. Das zweite Wort – für den Vektor – enthält ein Infix, das den verwendeten Vektor beschreibt und je nach Vektorklasse ein Suffix (»vec« für virale Vektoren, »bac« für bakterielle Vektoren, »plasmid« für Plasmide als Vektoren) (3). Hieraus resultieren INN wie Onasemnogen-Abeparvovec und Miralimogene Ensolisbac.