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Covid-19

Der ganze Körper ist betroffen

Herz und Gefäße sind betroffen

Wie auch immer es dort hingelangt: Auch eine Schädigung des Herzens durch SARS-CoV-2 ist möglich und sogar relativ häufig. Bereits unter den ersten 41 Covid-19-Patienten in Wuhan waren fünf mit einem durch das Virus verursachten akuten Herzschaden, der in vier Fällen sogar so schwer war, dass die Betroffenen auf der Intensivstation behandelt werden mussten, heißt es in einer Publikation in »Nature Reviews Cardiology« (DOI: 10.1038/s41569-020-0360-5). Einer Beschreibung von 416 ebenfalls aus Wuhan stammenden Covid-19-Patienten in »JAMA Cardiology« zufolge wiesen knapp 20 Prozent der hospitalisierten Patienten eine akute Schädigung des Myokards auf – in dieser Fallserie ein unabhängiger Risikofaktor für den Tod des Patienten (DOI: 10.1001/jamacardio.2020.0950).

Ob es sich dabei um einen direkten oder einen indirekten Effekt handelt, ist unklar. Herzmuskelzellen tragen den ACE2-Rezeptor und sind damit prinzipiell für das Virus empfänglich. Doch auch auf den Endothelzellen, die die Innenseite der Blutgefäße nicht nur im Herzen auskleiden, kommt der Rezeptor vor. Erst kürzlich wies eine multidisziplinäre Forschergruppe der Uni Zürich das Coronavirus in Endothelzellen nach.

Der Befall dieser Zellen durch SARS-CoV-2 könne zu einer generalisierten Entzündung des Endothels, einer Endotheliitis, führen. Die Folgen seien schwere Mikrozirkulationsstörungen, die das Herz und andere Organe schädigen könnten, lautete ihre Folgerung in »The Lancet« (DOI: 10.1016/S0140-6736(20)30937-5). Dazu passen Berichte aus jüngster Zeit über ein möglicherweise gehäuftes Auftreten des Kawasaki-Syndroms, einer systemischen Gefäßentzündung bei Kindern, in Ländern, die stark von der Coronavirus-Pandemie betroffen sind.

Lungenspezialist Levitt pflichtet dem bei. »Eine Theorie ist, dass das Virus die Gefäßbiologie beeinträchtigt und dass wir deshalb diese sehr niedrigen Blutsauerstoff-Spiegel [bei Covid-19-Patienten] sehen«, sagte er gegenüber »Science«. Der Gasaustausch in der Lunge würde demnach nicht nur durch verstopfte Alveolen, sondern auch durch kontrahierte Mikrogefäße behindert. Dies könnte auch eine Erklärung für eine Besonderheit von Covid-19 liefern: Einige Patienten haben trotz einer extrem niedrigen Sauerstoffsättigung des Bluts keine Atemnot. Die Fachwelt hat für sie einen speziellen Namen: happy hypoxics.

Auffällig ist, dass Covid-19 vor allem bei Menschen mit vaskulären Vorerkrankungen einen schweren Verlauf nimmt – und nicht bei Patienten mit vorbestehenden Lungenleiden, wie es von einem respiratorischen Erreger zu erwarten wäre. In der Statistik der an Covid-19 Gestorbenen des US-Bundesstaats New York, die am 28. April 17.303 Todesfälle umfasste, war Bluthochdruck mit Abstand die häufigste Komorbidität (57 Prozent). In absteigender Häufigkeit folgten Diabetes, Hyperlipidämie, koronare Herzkrankheit, Demenz und Nierenschwäche, bevor erst an siebter Position die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD) auftauchte. Hiervon waren lediglich 8 Prozent der Verstorbenen betroffen gewesen. Asthma gehörte nicht zu den Top 10 der häufigsten Komorbiditäten.

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