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Blutfette

Cholesterol-System hilft Coronavirus beim Zelleintritt

Das SARS-Coronavirus-2 scheint einen Aufnahmemechanismus der Zelle für HDL-Cholesterol zu nutzen, um in menschliche Zellen zu gelangen. Das berichten chinesische Forscher im Journal »Nature Metabolism«.
Christina Hohmann-Jeddi
27.11.2020  07:00 Uhr

SARS-CoV-2 kann in menschliche Zellen gelangen, indem es an den ACE2-Rezeptor bindet. Ein Team um Congwen Wei vom Peking Institut für Biotechnologie der Akademie für Militärmedizinische Wissenschaften (AMMS) in Peking hat in Zelluntersuchungen einen Rezeptor identifiziert, der diesen Zelleintritt über ACE2  zu erleichtern scheint: der HDL-Scavenger-Rezeptor B1 (SR-B1). Dieser bindet normalerweise HDL, das auch als »gutes Cholesterol« bezeichnet wird, und befördert es ins Zellinnere. Exprimiert wird der Rezeptor in verschiedenen Organen, vor allem in der Leber, Niere, aber auch in der Lunge. Das Team um Wei konnte zeigen, dass die S1-Untereinheit des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 an Cholesterol bindet, was die Aufnahme in Zellen und die anschließende Replikation erhöhte. Die Expression von SR-B1 zusammen mit dem Vorliegen von HDL helfe dem Virus bei der Infektion, schreiben die Forscher in der Publikation in »Nature Metabolism«.

Als das Team den Cholesterol-Aufnahmemechanismus durch einen monoklonalen Antikörper gegen S1 oder einen SR-B1-Antagonisten blockierte, fiel die HDL-vermittelte Verstärkung der Infektion weg. Es scheine also eine molekulare Verbindung zwischen Cholesterol und Covid-19 zu geben, folgern die Forscher. Diese könnte therapeutisch genutzt werden, indem etwa SR-B1 blockiert wird. Eine Beteiligung des Rezeptors wurde auch schon bei Infektionen mit dem Hepatitis-C-Virus, Mycobacterium tuberculosis und Plasmodien, den Malaria-Erregern, gezeigt.

Noch sei nicht belegt, dass hohe HDL-Werte den Verlauf von Covid-19 verschlechtern, schreiben die Autoren. Dennoch sollten in zukünftigen Studien die Blutfettwerte bei Covid-19-Patienten ermittelt und der mögliche Zusammenhang zur Infektion weiter untersucht werden. Bereits bekannt ist, dass Adipositas, die häufig mit erhöhten Blutfettwerten assoziiert ist, ein unabhängiger Risikofaktor für einen schweren Verlauf der Erkrankung darstellt. Allerdings ist bei Adipositas der HDL-Wert reduziert und der LDL-Wert in der Regel erhöht. Laut den epidemiologischen Daten der Gesundheitsbehörde des US-Bundestaats New York zu Covid-19-Todesfällen ist die Hyperlipidämie nach Bluthochdruck und Diabetes die am häufigsten beobachtete Komorbidität bei den Verstorbenen. 

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