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Covid-19

Der ganze Körper ist betroffen

Abstieg in die Lunge

Bekommt das Immunsystem das Virus nicht in den Griff, wandert es hinunter in die Lunge. In den Lungenbläschen (Alveolen) kommen der ACE2-Rezeptor sowie TMPRSS2 ebenfalls vor. Einer Preprint-Studie im Fachjournal »Cell« zufolge exprimiert zwar nur ein kleiner Teil der die Lungenbläschen auskleidenden Endothelzellen beide Proteine (DOI: 10.1016/j.cell.2020.04.035). Deren Infektion reicht aber offenbar aus, um eine schwere Lungenentzündung auszulösen.

Hierbei spielen zwei Aspekte eine Rolle. Zum einen gehen die mit dem Coronavirus infizierten Zellen zugrunde, wenn sie neue Viruskopien produziert und freigesetzt haben. Zum anderen löst dies eine starke Immunantwort aus: Leukozyten setzen Chemokine frei und locken damit weitere Immunzellen an, die virusinfizierte Zellen abtöten. Das Resultat ist ein eitriges Sekret, das aus Flüssigkeit und toten Zellen besteht und das den Gasaustausch zwischen dem Blut und der Atemluft durch die Wände der Alveolen behindert.

Viele Covid-19-Patienten erholen sich auch davon wieder, nachdem sie lediglich zusätzlichen Sauerstoff erhalten haben. Etwa 5 Prozent müssen aber intensivmedizinisch versorgt werden, weil sie ein akutes Atemnotsyndrom (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS) entwickeln. Die Sauerstoffsättigung des Bluts nimmt dabei oft sehr schnell dramatisch ab und die Patienten müssen schließlich beatmet werden.

Es gibt Hinweise darauf, dass es die Immunreaktion auf die Infektion ist, die dazu führt, dass sich der Zustand mancher Patienten rasch massiv verschlechtert. Teilweise kommt es zu einem sogenannten Zytokinsturm, bei dem in kürzester Zeit große Mengen der Entzündungsbotenstoffe freigesetzt werden. Deshalb laufen mehrere klinische Studien mit Immunmodulatoren wie den IL-6-Antagonisten Tocilizumab und Sarilumab oder dem Januskinase-Hemmer Ruxolitinib bei Covid-19-Patienten. Erste positive Ergebnisse mit Tocilizumab deuten darauf hin, dass dieser Ansatz funktioniert (»PNAS«, DOI: 10.1073/pnas.2005615117).

Allerdings sind nicht alle Experten der Ansicht, dass es eine gute Idee ist, das Immunsystem dieser kritisch kranken Patienten zusätzlich mit Medikamenten zu schwächen. »Anscheinend war man allgemein kurz entschlossen, Covid-19 mit diesen hyperinflammatorischen Zuständen zu assoziieren. Ich habe aber noch keine überzeugenden Daten gesehen, dass das tatsächlich der Fall ist«, sagte Professor Dr. Joseph Levitt von der Stanford University gegenüber »Science«. Es bestehe die Gefahr, dass man durch die Dämpfung des Immunsystems eine weitere Replikation des Virus ermögliche.

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