Gezielt gut ernährt |
29.08.2017 09:39 Uhr |
Von Susanne Nowitzki-Grimm / Die Ernährung der Mutter vor und in der Schwangerschaft kann den Stoffwechsel des Kindes ebenso prägen wie dessen Ernährung im ersten Lebensjahr. Diese perinatale Programmierung wird heute intensiv diskutiert und erforscht. Welche Hinweise können Apotheker den Frauen geben?
Eine ausgewogene Energie- und Nährstoffzufuhr, das Vermeiden von bakteriellen und parasitären Infektionen wie Listeriose und Toxoplasmose sowie der Verzicht auf Alkohol sind Basisernährungsempfehlungen in der Schwangerschaft. Dies sind wichtige Faktoren für die gesunde Entwicklung des Fetus.
Eine ausgewogene Ernährung ist optimal für Mutter und Kind.
Foto: Shutterstock/Filimonov
Auf der Suche nach Erklärungen für die hohen Zahlen übergewichtiger und adipöser Kinder (1) oder für das Auftreten von Diabetes mellitus Typ 2 bereits im Kinderalter (2) wird seit einigen Jahren auch die Rolle der Ernährung rund um die Schwangerschaft untersucht. Die aktuelle Forschung zeigt, dass eine Überversorgung der Mutter und damit des Fetus sowie die Ernährung des Säuglings den kindlichen Organismus so prägen können, dass das Risiko für diese Erkrankungen zunimmt. Experten sprechen von perinataler Programmierung.
Unabhängig von diesem Ansatz werfen Ernährungstrends wie vegan, »frei von« in der Schwangerschaft oder die Methode des baby-led-weaning, ein vom Baby gesteuertes Abstillen, das die Breiphase überspringt, beim Essenlernen immer neue Fragen auf. Apotheker können junge Familien in dieser entscheidenden Lebensphase mit sachkundigem Rat begleiten.
Perinatale Programmierung
Die perinatale Programmierung geht davon aus, dass sich ungünstige Stoffwechselsituationen der Mutter wie Übergewicht, Adipositas oder ein schlecht eingestellter Diabetes im Stoffwechsel des Feten widerspiegeln. Zur Regulierung solcher Stoffwechsellagen, zum Beispiel hoher Blutglucosespiegel, dienen auch im Fetus hormonelle Steuerkreisläufe, beispielsweise über Insulin oder Leptin. In sensiblen pränatalen, neonatalen oder/und frühkindlichen Entwicklungsphasen können die Steuerkreisläufe so geprägt werden, dass ein höherer Sollwert festgelegt wird, der wiederum eine lebenslange Veranlagung für Übergewicht und Diabetes nach sich ziehen kann. Auch Regelkreise in der Regulierung des Hunger-Sättigungs-Zentrums können in sensiblen Entwicklungsphasen fehlprogrammiert werden (3, 4, 5).
Liegt bei einer Schwangeren beispielsweise ein Gestationsdiabetes vor, so werden auch im Fetus die Insulin-sezernierenden pankreatischen Betazellen stimuliert. Der Sollwert für die Insulinsekretion wird höher festgelegt als ohne Gestationsdiabetes (3). Das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 steigt.
Zu Beginn der Schwangerschaft | Gewichtszunahme (kg) | |
---|---|---|
Gewichtsstatus | BMI | |
Untergewicht | unter 19,8 | 12,5 bis 18 |
Normalgewicht | 19,8 bis 26 | 11,5 bis 16 |
Übergewicht | 26 bis 29 | 7 bis 11,5 |
Adipositas | über 29 | größer/gleich 6 |
Diese Programmierung kann auch via Leptin für das Fettgewebe erfolgen. So kann ein hoher Body-Mass-Index (BMI) oder ein Energieüberschuss der Mutter, bedingt durch Überernährung oder mangelnde Bewegung, zu erhöhten fetalen Plasmaglucose- und Plasmainsulinspiegeln führen. Daraus können eine erhöhte Leptin-Synthese und -Sekretion im fetalen Fettgewebe resultieren, die wiederum auf die Energiehomöostase wirken und die Appetitregulation und/oder den Adipozyten-Metabolismus verändern. Die spätere Folge für das Kind: ein zu hoher BMI (6).
Auch ein niedriges Geburtsgewicht könnte denselben Effekt haben, mit dem Ziel, ein schnelles Aufholwachstum zu fördern (6).
Aus diesen Ansätzen wurden Empfehlungen für die perinatale Ernährung abgeleitet, die hier für die einzelnen Phasen beschrieben werden. Zu berücksichtigen ist stets, dass nicht nur die Ernährung, sondern auch das Bewegungsverhalten oder der Umgang mit Stress, also der gesamte Lebensstil von Bedeutung sind.
Die Angaben zur Prävalenz der fetalen Schädigungen durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft schwanken. Für Deutschland wird die Häufigkeit für das Fetale Alkoholsyndrom (FAS) mit 0,5 bis 2/1000 Neugeborene (in Europa: 0,2 bis 8,2/1000) angegeben, für Fetale Alkoholspektrum-Störungen (FASD) 4 bis 6/1000 Neugeborene (17). Damit stellt das Vollbild FASD eine der häufigsten angeborenen Erkrankungen dar (18).
Laut S3-Leitlinie zur Diagnose von FASD (18) sollten für das Vollbild vier Kriterien zutreffen, in denen sich die Auswirkungen intrauteriner Alkoholexposition widerspiegeln:
Für die Diagnose des partiellen FAS entfällt laut S3-Leitlinie das erste Kriterium. Für die Diagnose der alkoholbedingten entwicklungsneurologischen Störung sollen die Kriterien 3 und 4 zutreffen. Hier wird deutlich, wie schwierig die FASD von anderen Entwicklungsstörungen abzugrenzen sind. Oft wird Alkohol als Ursache unklarer Symptome nicht in Betracht gezogen (19).
Sehr häufig wird nur das Vollbild des FAS diagnostiziert, da dies aufgrund typischer Veränderungen am Kopf und im Gesicht leicht erkennbar ist. Fehlen phänotypische Symptome oder sind sie nur schwach ausgeprägt, muss eine differenzierte Diagnose erfolgen (19). Es können sich auch Alkoholeffekte mit anderen teratogenen Effekten, etwa von Nikotin und Drogen, überlagern. Dies erschwert zuverlässige einheitliche Angaben zur Prävalenz.
FASD bedeutet nicht nur eine akute Erkrankung oder Entwicklungsstörung im Kindesalter. Sie stellt vielmehr eine lebenslange Belastung dar (19). Beeinträchtigt sind beispielsweise die schulische Ausbildung und die Berufswahl sowie die Fähigkeit, ein selbstbestimmtes eigenständiges Leben zu führen. Mitunter besteht ein erhöhtes Gewaltpotenzial oder Aufmerksamkeitsdefizit. Je früher die richtige Diagnose gestellt wird, desto spezifischer kann die Therapie erfolgen.
Für eine Alkoholschädigung gibt es keine Schwellendosis (17). Daher wird der Verzicht auf Alkohol in jedem Stadium der Schwangerschaft dringend empfohlen (20, 12).
Ein guter Start – der erste Schritt
Optimalerweise hat die Mutter zu Beginn der Schwangerschaft Normalgewicht (BMI 20 bis 25). Übergewicht und Adipositas können Ursachen für Schwangerschaftskomplikationen wie Gestationsdiabetes oder Bluthochdruck sein. Zudem steigt mit erhöhtem Körpergewicht das Risiko der perinatalen Fehlprogrammierung (19, 23).
Da Frauen mit Kinderwunsch schon allein wegen der Supplementierung mit Folsäure in die Apotheke kommen, ist diese Phase der Vorbereitung auf die Schwangerschaft ideal für eine Beratung. Ziel ist es, den Lebensstil so zu verändern, dass Normalgewicht erreicht wird, das heißt Gewichtsreduktion durch einen interdisziplinären Ansatz aus Ernährungsumstellung und Bewegungsförderung, sowie ausreichend Schlaf und Stressabbau.
Auch Untergewicht (BMI unter 19,8; Tabelle 1) kann für Frauen mit Kinderwunsch ein Problem darstellen, da Untergewicht die Fertilität vermindert (9). Bereits eine Gewichtszunahme von 4 bis 5 kg kann diese positiv beeinflussen (9, 10). Die Gewichtszunahme benötigt Zeit. Realistisch sind 1 bis 2 kg pro Monat. Geeignet sind energiedichte Lebensmittel wie Teigwaren, Nüsse, in Öl eingelegtes Gemüse, Müsliriegel oder Säfte. Eventuell lohnt es sich auch, die Portionsgrößen zu beachten. Das Programm »Mensch, bist du dünn« kann die Frau eigenständig umsetzen (10).
Wer sich in der Schwangerschaft vegan ernähren will, muss die Nährstoffzufuhr genau planen.
Foto: AOK-Mediendienst
Bei Erwachsenen liegen nach der Nationalen Verzehrstudie II vor allem Vitamin D, Iod und Folsäure deutlich unter dem Median des DACH-Referenzwerts (11). Die Supplementierung mit 400 µg Folsäure pro Tag bei Kinderwunsch, unter anderem zur Vorbeugung eines Neuralrohrdefekts, ist unumstritten. Vitamin D und Iod sollten bedarfsgerecht supplementiert werden. Bei Vitamin D sollte der Serumspiegel von 25(OH)-Vitamin D über 50 nmol/L liegen (12).
Leidet die Frau vor einer Schwangerschaft an chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Lipid- oder Schilddrüsenstörungen, sollten diese zu Beginn der Schwangerschaft, auch vor dem Hintergrund der perinatalen Programmierung, gut eingestellt sein.
Ernährung in der Schwangerschaft
Mit den Materialien des Netzwerks »Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie« (12) sowie den DACH-Referenzwerten (13) stehen Familien und Fachkreisen fundierte Basisinformationen zur Verfügung. Für die Energiezufuhr sehen die DACH-Referenzwerte einen Zuschlag ab dem zweiten Trimester um 255 kcal/Tag vor. Dies entspricht ungefähr 10 Prozent der Energiezufuhr vor der Schwangerschaft, zum Beispiel einem Vollkornbrötchen mit einer Scheibe Käse (ohne Butter) oder etwa 45 g Schokolade (Datenquelle: Bundeslebensmittelschlüssel BLS 3.02).
Zudem ist der Bedarf bei vielen Mikronährstoffen in der Schwangerschaft erhöht. Beides zusammen bedeutet eine nährstoffreichere, nicht aber wesentlich energiereichere Lebensmittel- und Getränkeauswahl, wie sie beispielsweise in der dreidimensionalen Ernährungspyramide der Deutschen Gesellschaft für Ernährung dargestellt ist (14).
Grundsätzlich wird während der Schwangerschaft die Supplementierung mit Folsäure (400 µg/Tag) und Iod (100 bis 150 µg/Tag) empfohlen (15). Dies gilt zusätzlich für Vitamin D und Eisen sowie für n3-Fettsäuren, wenn die Frau keinen Fisch verzehrt.
Nährstoff | Vegane Lebensmittel (Beispiele) |
---|---|
Protein | Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen, Kartoffeln, Getreide und Kombinationen daraus |
n3-Fettsäuren | Leinöl, Walnussöl, Rapsöl (jeweils in ausreichender Menge) |
Eisen | Haferflocken, Hirse, Amaranth, Hülsenfrüchte, Sesam, Leinsamen; alles am besten in Kombination mit Vitamin-C-Lieferanten |
Calcium | Calcium-reiche Mineralwässer, angereicherte pflanzliche Drinks, Sesam, Mandeln, Grünkohl, Brokkoli, Kräuter |
Zink | Vollkorngetreide, vor allem Sauerteigbrote, Hülsenfrüchte, Ölsaaten |
Selen | Paranüsse, Steinpilze, Vollkorngetreide |
Vitamin B2 | Mandeln, Champignon, Kürbiskerne |
Um das Risiko der perinatalen Fehlprogrammierung zu senken, sollten Schwangere ebenso wie Frauen mit Kinderwunsch das Körpergewicht beobachten. Übergewicht und Adipositas sowie eine starke Gewichtszunahme während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko für einen Gestationsdiabetes und damit das Risiko der perinatalen Fehlprogrammierung. Daher ist es wichtig, einen Gestationsdiabetes frühzeitig zu erkennen und zu behandeln (lesen Sie dazu auch den Titelbeitrag in PZ 18/2017).
Obwohl die Empfehlungen des Institute of Medicine (IOM) für die Gewichtsentwicklung der Schwangeren in Abhängigkeit vom BMI in Fachkreisen aufgrund neuer Studienergebnisse umstritten sind (12), seien sie hier als Orientierung zusammengefasst (Tabelle 1). Anhand von Ergebnissen aus Interventionsstudien sind neue, eventuell BMI-unabhängige Empfehlungen zu erwarten (12).
Neben der Gewichtsentwicklung der Schwangeren sowie dem Auftreten und einer ungenügenden Behandlung eines Gestationsdiabetes spielt auch das Geburtsgewicht des Kindes eine besondere Rolle für die perinatale Programmierung (6, 8, 16). Sowohl ein zu niedriges (unter 2500 g) als auch ein zu hohes Geburtsgewicht (über 4000 g) können sich auf Regulationsprozesse im Stoffwechsel auswirken. Es zeigt sich, dass eine relativ geringe Energiezufuhr weniger Einfluss auf das neonatale Gewicht hat als eine zu hohe (6). Jedoch steigt sowohl bei niedrigem als auch bei hohem Geburtsgewicht das Risiko für Diabetes Typ 2. Ein systematischer Review der Literatur von 1966 bis 2006 zum Zusammenhang zwischen Geburtsgewicht und späterem Übergewicht bestätigte, dass ein höheres Geburtsgewicht mit einem höheren Risiko für Übergewicht einhergeht (5).
Entwarnung gibt es für Kaffee-Liebhaberinnen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) schließt aus prospektiven Kohortenstudien, dass eine gewohnheitsmäßige Aufnahme von Koffein bis zu 200 mg/Tag keine negativen Auswirkungen, zum Beispiel ein geringes Geburtsgewicht, hat. Zum Vergleich: 200 ml Filterkaffee enthalten 90 mg Koffein, 50 g Zartbitterschokolade 25 mg. Der Koffeingehalt von Limonaden ist auf dem Etikett deklariert (21).
Ein genereller Verzicht auf Gluten ist nicht sinnvoll. Menschen mit Zöliakie müssen Gluten jedoch lebenslang meiden.
Foto: Fotolia/Rangzen
Vegan in der Schwangerschaft?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (22) und das Netzwerk Junge Familie (12) äußern übereinstimmend, dass eine vegane Ernährung ohne individuelle Beratung und ohne gezielte Nährstoffsupplementation in der Schwangerschaft nicht geeignet ist. Bei einer nicht optimal geplanten veganen Ernährung kann es zu zahlreichen Nährstoffdefiziten kommen, zum Beispiel bei Energie, Protein, n3-Fettsäuren, Eisen, Calcium, Iod, Zink, Vitamin B2, Vitamin B12 und Vitamin D. Die Zufuhr einiger dieser Nährstoffe kann durch eine gezielte Lebensmittelauswahl optimiert werden (Tabelle 2).
Andere Nährstoffe muss die Frau dagegen über angereicherte Lebensmittel oder Supplemente zuführen. Dazu zählt – zusätzlich zu den allgemein empfohlenen Nährstoffen Iod, Folsäure, Eisen, Vitamin D und n3-Fettsäuren – das Vitamin B12. Bei der Verwendung angereicherter Lebensmittel müssen auch begleitende Inhaltsstoffe beachtet werden. So kann die Nori-Alge als Vitamin-B12-Lieferant dienen, jedoch ist beim Verzehr von Algen stets deren Iodgehalt zu berücksichtigen. Die obere sichere Grenze der Iodzufuhr wird in den DACH-Referenzwerten für Erwachsene mit 500 µg/Tag angegeben (13).
Defizite bei den kritischen Nährstoffen können die Entwicklung des Fetus und des Kindes beeinträchtigen. Dies betrifft vor allem die Blutbildung, das Wachstum sowie die neurologische und mentale Entwicklung (22).
Voll im Trend: »frei von«
Fructose- oder lactosefrei, glutenfrei, Low Carb: Neben dem Verzicht auf tierische Lebensmittel liegt vor allem der Verzicht auf verschiedene Kohlenhydrate, auf Kohlenhydrate insgesamt oder auf bestimmte Kohlenhydratträger wie glutenhaltige Getreidesorten im Trend. Das ist nicht per se sinnvoll – vor allem nicht bei strenger Karenz ohne medizinischen Grund.
Sind Erkrankungen wie Lactose-Intoleranz oder Gluten-Sensitivität nachgewiesen, ist ein Verzicht auf die entsprechenden Lebensmittel sinnvoll. Da Alternativprodukte zur Verfügung stehen, zum Beispiel lactosefreier Hartkäse, lactosefreie Milchprodukte oder Pseudocerealien wie Hirse, Buchweizen, Quinoa oder Amaranth, kann eine ungünstige Nährstoffversorgung meistens vermieden werden. Im Zusammenhang mit glutenfrei muss man immer deutlich differenzieren. Während bei der Gluten-Sensitivität kleine Mengen Gluten unproblematisch sind, ist bei der Autoimmunerkrankung Zöliakie Gluten lebenslang zu meiden.
Stillen ist die beste Ernährung für das Baby.
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Bei anderen Erkrankungen wie der Fructose-Malabsorption ist eine dauerhafte Fructosekarenz, also »frei von«, dagegen nicht sinnvoll, da die Aktivität des GLUT5-Transporters bei Karenz nicht wieder angeregt wird. Hier folgt auf eine Karenzphase mit Abklingen der Symptomatik eine schrittweise Zufuhr von Fructose und ein Austesten der verträglichen Menge (24).
Wenn jemand auf einen Nahrungsbestandteil verzichtet, ist stets die Frage erlaubt, ob der Ersatz ernährungsphysiologisch geeignet ist. Verzichten Menschen ohne Erkrankungshintergrund ganz auf Fructose, greifen sie zum Süßen oft ausschließlich zu glucosehaltigen Alternativen, zum Beispiel Reissirup. Eine überhöhte Glucosezufuhr ist aber wenig sinnvoll, vor allem in der Schwangerschaft im Hinblick auf Gestationsdiabetes und perinatale Programmierung.
Glutenfreie Produkte sind oft hochpreisig und das Backen mit glutenfreien Mehlen führt ohne Übung nicht gleich zu guten Ergebnissen. Deshalb sinkt der Brotverzehr oft bei glutenfreier Ernährung. Wird nicht mit glutenfreien Kohlenhydratträgern ersetzt, wird die glutenfreie Ernährung schnell zu Low Carb.
Doch was bedeutet Low Carb? Die Zufuhrmenge an Kohlenhydraten schwankt je nach Ernährungsform. Es gibt Varianten mit maximal 60 g Kohlenhydraten bis hin zu 200 g Kohlenhydraten. Wichtig in der Schwangerschaft ist, dass die Frau ausreichend Kohlenhydrate aufnimmt, denn Glucose ist der Hauptenergielieferant für den Fetus. Da Gehirn und Nerven etwa 120 bis 150 g Glucose pro Tag benötigen, wird eine Mindestzufuhr in dieser Höhe empfohlen (25). In 120 g Vollkornbrot, 200 g Kartoffeln, 200 g Obst und 400 g Gemüse sind zum Beispiel insgesamt 140 g Kohlenhydrate enthalten. Isst die Schwangere zu wenig Kohlenhydrate, stellt der Körper auf Gluconeogenese um, was in Kombination mit geringer Energie- und Proteinzufuhr noch verstärkt wird. Die veränderte Stoffwechsellage wirkt sich auf den Fetus aus.
Muttermilch von Anfang an
Die Empfehlungen für die Ernährung der Stillenden entsprechen weitestgehend denjenigen für Schwangere. Da sich der Nährstoffstatus der Mutter bei einigen Nährstoffen wie Vitamin B12 (26) oder Vitamin D in der Muttermilch widerspiegelt, liegt er bei sich vegan ernährenden Müttern niedriger als bei Nichtveganern und -vegetariern. Daher gelten die bereits bei der Schwangerschaft genannten Empfehlungen zur Supplementierung für vegan lebende Stillende weiter.
Nach den aktuellen Handlungsempfehlungen »Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen« (27) hat Stillen zahlreiche Vorteile:
Bis zur Einführung der Beikost, frühestens mit Beginn des fünften Monats und nicht später als mit Beginn des siebten Monats, sollten Säuglinge voll gestillt werden (27). Nach den Ergebnissen der PINGU-Studie trifft dies für 56 Prozent der befragten Mütter zu (7). Jedoch kann auch Teilstillen wertvoll sein (27).
Babys sollten frühzeitig verschiedene Lebensmittel kennenlernen und am Familienessen teilnehmen.
Foto: Shutterstock/Natalia Deriabina
Können oder wollen Mütter nicht stillen oder wird nur teilgestillt, eignen sich für die ersten Lebensmonate die Säuglingsanfangsnahrungen Pre und 1. So enthält zum Beispiel Säuglingsanfangsnahrung Pre wie die Muttermilch Lactose als Hauptkohlenhydrat. Die Vielfalt an Humanmilch-Oligosacchariden kann jedoch auch diese Säuglingsnahrung nicht liefern. Säuglingsfolgenahrung 2 eignet sich frühestens ab der Einführung der Beikost (28). Auf Flaschennahrung aus Kuhmilch sollte verzichtet werden (27). Bei der Zubereitung von Säuglingsnahrung ist eine gute Hygiene essenziell (27).
Besteht in der Familie (Eltern oder Geschwister) eine Allergie, steht als Basisernährung ebenfalls das Stillen im Vordergrund. Wird nicht gestillt, wird der Einsatz von HA-Nahrung empfohlen (27). Von Säuglingsnahrungen auf Basis von Soja, Ziegenmilch oder anderen Tiermilchen wird abgeraten (27).
Beikost: Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Die Einführung der Beikost beginnt frühestens mit Beginn des fünften Monats und spätestens mit Beginn des siebten Monats, richtet sich aber ebenso wie die Stillfrequenz oder -dauer nach den Bedürfnissen des Säuglings (responsive feeding). Hinweise für den richtigen Moment, mit der Beikost zu beginnen, sind (29):
Als erster Brei wird ein Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei empfohlen, ab und zu verändert durch Teigwaren und Fisch. Später folgen der Getreide-Milch- und der Getreide-Obst-Brei. Parallel wird weiter gestillt oder mit Säuglingsnahrung gefüttert. Geeignet sind sowohl selbst hergestellte als auch Fertigbreie (29). Eine vegane Ernährung ist abzulehnen (22).
Auch die aktualisierte Stellungnahme zum Zeitpunkt der Beikosteinführung und zum Risiko für Allergien und Zöliakie der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ e. V.) empfiehlt, dass die Beikost nicht vor dem Alter von 17 Wochen und nicht später als mit 26 Wochen eingeführt werden soll. Dies gilt auch für Produkte mit starkem allergenen Potenzial. Eventuell ist deren Einführung sogar vorteilhaft. Die Einführung von Gluten in diesem Zeitraum reduziert das spätere Zöliakie-Risiko nicht (30).
Susanne Nowitzki-Grimm studierte Ernährungswissenschaft an der Universität Hohenheim, Stuttgart, und wurde dort promoviert. Sie arbeitet als selbstständige Diplom-Ernährungswissenschaftlerin, Coach und Autorin. Schwerpunkte sind die medizinische, pharmazeutische und ernährungswissenschaftliche Fortbildung sowie das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM). Als Projektleiterin leitete sie unter anderem die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Baden-Württemberg. Heute ist sie zudem Akademische Mitarbeiterin der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd.
Dr. Susanne Nowitzki-Grimm
Training on Food
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Die perinatale Programmierung spielt auch in dieser Entwicklungsphase eine Rolle. So sollten zum Beispiel im ersten Lebensjahr maximal 200 ml Kuhmilch pro Tag gegeben werden, da eine erhöhte Proteinzufuhr das Übergewichtsrisiko steigern kann (26). Empfohlen wird, die Milch in einem Getreide-Milch-Brei zu verarbeiten. Zudem sollten gezuckerte Getränke vermieden werden (31).
Zu beachten: Spätestens mit Einführung der dritten Beikostmahlzeit braucht das Kind zusätzliche Flüssigkeit in Form von Wasser oder ungesüßten Getränken (27).
Selbstbestimmt essen
Ein aktueller Trend, Säuglinge an feste Nahrung heranzuführen, ist das sogenannte Baby-led-weaning. Dies bedeutet, dass der Säugling die Breiphase überspringt und direkt nach dem Stillen Fingerfood, also stückige Lebensmittel isst. Da diese spezielle Methode die Lebensmittelauswahl beim Säugling einschränkt und Studien keine Vorteile im späteren Essverhalten gezeigt haben, wird sie nicht empfohlen (26).
Bevorzugt werden sollte das responsive feeding, bei dem Säuglinge von Anfang an lernen, ihre Essensmengen selbst zu bestimmen (27). Gegen Ende des ersten Lebensjahres, etwa ab dem 10. Lebensmonat, nimmt das Kind am Familienessen teil und sollte im Hinblick auf eine vielseitige Geschmacksprägung immer wieder neue Lebensmittel und Getränke kennenlernen.
Nicht vergessen werden darf zum Schluss, dass Kleinkinder vom Vorbild lernen. Daher sind gemeinsame Mahlzeiten in angenehmer Atmosphäre und eine vielseitige Lebensmittelauswahl bei den Vorbildern ebenfalls Grundvoraussetzungen für einen auch später verantwortungsvollen Umgang mit Essen und Trinken. /
Literatur