Prävention für Mutter und Kind |
28.04.2017 13:29 Uhr |
Von Iris Hinneburg / Die Weichen für ein gesundes Leben werden bereits im Mutterleib gestellt, denn Frauen können während der Schwangerschaft schon einiges für die Gesundheit ihres Babys tun. Vieles davon nützt ihnen auch selbst.
Eine Schwangerschaft gehört zu den natürlichsten Dingen der Welt. Aber gleichzeitig bedeutet sie für den Körper der Mutter eine erhebliche Belastung. Auch die gesunde Entwicklung des Babys ist nicht garantiert. Präventive Maßnahmen in der Schwangerschaft sollen dafür sorgen, dass Mutter und Kind gesund bleiben oder potenzielle Erkrankungen möglichst früh erkannt und behandelt werden können. Deshalb haben gesetzlich versicherte Frauen Anspruch auf eine Reihe von Untersuchungen in der Schwangerschaft. Darüber hinaus können sie auch selbst aktiv werden.
Die Prävention für Mutter und Kind steht im Mittelpunkt.
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Recht auf Betreuung
Die sogenannten »Mutterschaftsrichtlinien« des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) legen fest, für welche Untersuchungen bei schwangeren Frauen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten tragen (Auswahl siehe Kasten »Untersuchungen in der Schwangerschaft«). Je nach Bedarf und Situation können weitere Untersuchungen hinzukommen. Regelmäßige Kontrollen finden üblicherweise alle vier Wochen statt, in den beiden letzten Schwangerschaftsmonaten jeweils zweimal, also alle zwei Wochen. Alle Befunde werden im Mutterpass dokumentiert (1).
Zu Beginn steht in der Regel eine ausführliche Anamnese, um Risikofaktoren für Schwangerschaft und Geburt zu erfassen. Dazu gehören etwa Vorerkrankungen der Mutter wie Asthma oder Herzerkrankungen, aber auch Probleme in früheren Schwangerschaften wie Früh- oder Fehlgeburten sowie Komplikationen bei der Entbindung oder Kaiserschnitte.
BMI vor der Schwangerschaft | Gewichtszunahme (kg) | Gewichtszunahme (kg) |
---|---|---|
in der Schwangerschaft gesamt | pro Woche im 2. und 3. Trimenon | |
unter 18,5 | 12,5 bis 18 | 0,5 bis 0,6 |
18,5 bis 24,9 | 11,5 bis 16 | 0,4 bis 0,5 |
25,0 bis 29,9 | 7 bis 11,5 | 0,2 bis 0,3 |
> 30 | 5 bis 9 | 0,2 bis 0,3 |
Tests auf Infektionen mit HIV oder Chlamydien sollen eine frühzeitige Behandlung ermöglichen und so dafür sorgen, dass die Erkrankung nicht auf das Kind übertragen wird. Bei Frauen ohne zweimalige Röteln-Impfung ist eine Bestimmung des Antikörper-Titers vorgesehen. Andere diagnostische Maßnahmen wie die Ultraschall-Screenings zielen darauf ab, mögliche Entwicklungsstörungen beim Kind frühzeitig zu erkennen. Kontrolliert werden das intrauterine Wachstum sowie die Anlage und Entwicklung von Organen.
Anti-D-Prophylaxe im Umbruch?
Langfristige Ziele verfolgt die Bestimmung des Rhesusfaktors im Blut der Mutter. Erwartet eine Rhesus-negative Frau ein Rhesus-positives Kind, können sich im mütterlichen Kreislauf Anti-D-Antikörper bilden. Sie richten sich gegen kindliche Erythrozyten mit dem sogenannten D-Merkmal.
Diese Sensibilisierung ist für die aktuelle Schwangerschaft nicht relevant, kann bei einer weiteren Schwangerschaft mit einem Rhesus-positiven Kind aber erhebliche Komplikationen auslösen. Die Antikörper gelangen über die Plazenta in den kindlichen Blutkreislauf und leiten den Abbau der fetalen Erythrozyten ein. Solche hämolytischen Vorgänge können zu schweren Erkrankungen des Kindes bis hin zum Fruchttod führen.
Auswahl von Untersuchungen gemäß Mutterschaftsrichtlinien; die mit Stern markierten Untersuchungen können auch Hebammen vornehmen.
Quelle: nach (1)
Um das zu vermeiden, wird möglichst früh in der Schwangerschaft der Rhesusfaktor bestimmt und ein Antikörper-Suchtest durchgeführt. Dieser Suchtest wird in der 24. bis 27. Schwangerschaftswoche (SSW) wiederholt. Rhesus-negative Schwangere ohne Anti-D-Antikörper erhalten bis zur 30. SSW Anti-D-Immunglobulin, um eine Sensibilisierung zu verhindern. Nach der Geburt wird auch der Rhesusfaktor des Kindes bestimmt. Ist er tatsächlich positiv, erhält die Mutter eine weitere Dosis des Immunglobulins, um eine Sensibilisierung durch D-positives Blut, das während der Geburt in den mütterlichen Kreislauf gelangt ist, zu verhindern.
Bislang war es nicht möglich, während der Schwangerschaft nicht-invasiv den Rhesusfaktor des Kindes zu bestimmen. Daher erhalten auch Schwangere mit einem Rhesus-negativen Kind die erste Prophylaxe. Da es sich bei dem Immunglobulin um ein aus humanem Plasma hergestelltes Präparat handelt, besteht zumindest theoretisch ein – wenn auch geringes – Risiko für die Übertragung von Infektionen (2).
Messung | Grenzwert |
---|---|
nüchtern | ≥ 92 mg/dl (5,1 mmol/l) |
nach 1 Stunde | ≥ 180 mg/dl (10,0 mmol/l) |
nach 2 Stunden | ≥ 153 mg/dl (8,5 mmol/l) |
Inzwischen steht jedoch ein nicht-invasiver molekulargenetischer Test zur Verfügung, mit dem sich aus fetaler DNA im mütterlichen Plasma der kindliche Rhesusfaktor bestimmen lässt. Dieser Test könnte einigen Schwangeren unnötige Immunglobulin-Gaben ersparen. Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) in Großbritannien hat den Test bereits in die Standardversorgung aufgenommen, allerdings die Kosten für die Diagnostik begrenzt (3). Der G-BA hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen im Herbst 2016 mit einer Bewertung beauftragt. Der Abschlussbericht wird für das 4. Quartal 2017 erwartet.
Bei der Schwangerschaftsvorsorge kommt auch die Gesundheit der Mutter nicht zu kurz. Die Bestimmung des Hämoglobin-Werts im Blut hilft, eine mögliche Eisenmangelanämie zu erkennen. Blutdruckmessung und Bestimmung von Eiweiß im Urin können wichtige Hinweise auf die Entwicklung einer möglichen Gestationshypertonie oder einer Präeklampsie geben. Unbehandelt kann die Präeklampsie tödlich für die Mutter enden (4).
Regelmäßige Gewichtskontrollen sollen dazu beitragen, dass die werdende Mutter in der Schwangerschaft nicht zu viel zunimmt (Tabelle 1). Eine zu starke Gewichtszunahme erhöht das Risiko für Geburtskomplikationen und späteres Übergewicht beim Kind, aber auch für Erkrankungen der Mutter, unter anderem einen Gestationsdiabetes.
Da könnten Toxoplasmen lauern.
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Glucosestoffwechsel in Aufruhr
Eine Schwangerschaft führt zu vielen hormonellen Veränderungen, etwa bei Estrogenen, Progesteron, humanem Choriongonadotropin (HCG), Prolaktin und Cortisol. Diese Hormone beeinflussen auch den Glucosestoffwechsel.
In der Frühschwangerschaft verbrauchen die peripheren Gewebe und Organe vermehrt Glucose. In der zweiten Schwangerschaftshälfte verschlechtert sich dagegen die Insulinempfindlichkeit: Es entsteht eine zunehmende Insulinresistenz. Bei Frauen mit intakter Funktion der Bauchspeicheldrüse nimmt daher die Insulinsekretion zu. Wenn diese aber nicht ausreicht, steigt der Blutzuckerspiegel besonders nach den Mahlzeiten an. Auf diese Weise kann sich bei latent gestörter Glucosetoleranz ein Gestationsdiabetes manifestieren.
Der gestörte Glucosestoffwechsel mit erhöhten Blutzuckerspiegeln bringt eine Reihe von gesundheitlichen Folgen für Mutter und Kind mit sich. So steigt die Insulinausschüttung des Kindes, was das Wachstum beschleunigt (Makrosomie). Dadurch können sich Geburtskomplikationen wie eine Schulterdystokie entwickeln, bei der sich die kindliche Schulter nicht richtig in das Becken der Mutter einstellt. Auch das Risiko für Reifungsstörungen und Fehlbildungen steigt. Zudem kommt es häufiger zu einem Kaiserschnitt und Geburtsverletzungen bei der Mutter sowie zu einer schwangerschaftsbedingten Hypertonie und Präeklampsie. Ebenso steigt das Risiko für eine spätere Manifestation eines Typ-2-Diabetes (5).
Screening für alle Schwangeren
Seit 2012 wird allen Schwangeren ohne manifesten Diabetes ein Screening auf Gestationsdiabetes angeboten. Die Früherkennungsuntersuchung verläuft in zwei Schritten.
Für den Suchtest trinkt die Frau zwischen der 24. und 28. SSW eine Lösung mit 50 g Glucose. Dabei muss sie nicht nüchtern sein. Eine Stunde später wird die Glucosekonzentration im venösen Plasma bestimmt. Die Diagnose »manifester Diabetes« wird bei Werten über 200 mg/dl (11,1 mmol/l) gestellt. Liegt der Wert darunter, beträgt aber mindestens 135 mg/dl (≥ 7,5 mmol/l), erfolgt im zweiten Schritt ein oraler Glucosetoleranztest mit 75 g Glucose. Dafür muss die Frau mindestens acht Stunden nüchtern sein.
Ist einer der Grenzwerte (nüchtern, nach einer beziehungsweise nach zwei Stunden) überschritten, liegt definitionsgemäß ein Gestationsdiabetes vor (Tabelle 2) (1).
Auch Passivrauchen schadet dem ungeborenen Kind.
Foto: PZ/Archiv
Nach den Daten der Perinatalstatistik gab es 2014 in Deutschland rund 30 000 Schwangerschaften mit einem Gestationsdiabetes; das entspricht rund 4,5 Prozent aller Schwangeren (5). Die Behandlung beginnt in der Regel mit einer Basistherapie aus Ernährungsumstellung und vermehrter körperlicher Bewegung. Gleichzeitig muss die Patientin ihren Blutzuckerspiegel überwachen. Dazu ist eine sorgfältige Schulung notwendig.
Wenn die Blutzuckerwerte nach spätestens zwei Wochen nicht die Zielwerte erreicht haben, ist in der Regel eine Insulintherapie notwendig. Die aktuellen Leitlinien sehen bei Frauen mit insulinpflichtigem Gestationsdiabetes häufigere Ultraschallkontrollen vor als bei stoffwechselgesunden Schwangeren. Neben möglichen Fehlbildungen sollen Wachstumsrestriktionen (SGA, small for gestational age, etwa bei zu niedrigen Glucosespiegeln) und Makrosomie (LGA, large for gestational age, etwa durch erhöhte Glucosespiegel) beim Fetus frühzeitig erkannt werden, um eine Anpassung der Blutzuckerziele und der Therapie zu ermöglichen.
Nach einem Gestationsdiabetes hat die Frau ein erhöhtes Risiko, später an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken. Daher wird sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt ein oraler Glucosetoleranztest mit 75 g Glucose empfohlen. Werden keine erhöhten Blutzuckerwerte gefunden, reichen weitere Untersuchungen im Abstand von zwei bis drei Jahren aus. Bei gestörter Glucosetoleranz (erhöhte Nüchtern- oder Postprandialwerte unterhalb der Diagnosekriterien für einen manifesten Diabetes) schließt sich eine jährliche Diabetesdiagnostik an (5).
Infektionen vermeiden
Auf der Liste der Präventionsmaßnahmen in der Schwangerschaft nimmt auch die Vermeidung von Lebensmittelinfektionen einen wichtigen Platz ein. Dabei stehen die Toxoplasmose und die Listeriose im Vordergrund. Toxoplasmen und Listerien kommen vor allem in tierischen Lebensmitteln vor, können aber auch auf pflanzliche Lebensmittel übertragen werden oder in anhaftender Erde enthalten sein.
Infiziert sich die Mutter in der Schwangerschaft mit Toxoplasmen oder Listerien, kann sie die Erkrankung auf das ungeborene Kind übertragen. Das kann zu Fehl- oder Frühgeburten sowie schweren Schäden beim Kind führen. Zu den wichtigsten Symptomen gehören Sepsis, Atemnotsyndrom, Hautläsionen und Meningitis bei Listeriose, Augenschäden und Hydrocephalus bei Toxoplasmose (6, 7).
Alkoholkonsum in der Schwangerschaft gilt als Risikofaktor für Fehl-, Tot- und Frühgeburten, eingeschränktes uterines Wachstum und niedriges Geburtsgewicht. Ebenso haben die Kinder ein erhöhtes Risiko für ein fetales Alkoholsyndrom, das mit körperlichen Veränderungen und Fehlbildungen, aber auch mit kognitiven Entwicklungsstörungen einhergehen kann. Dieser Zusammenhang ist besonders für den regelmäßigen Konsum größerer Alkoholmengen etabliert.
Ob auch geringe Mengen Alkohol eine Gefahr darstellen, diskutieren Fachleute kontrovers. Ein entsprechender Zusammenhang wurde in einigen, aber nicht allen Beobachtungsstudien zu dieser Fragestellung gefunden. Hinzu kommt, dass die Aussagekraft der Studienergebnisse möglicherweise durch eine unzureichende Erfassung des Alkoholkonsums eingeschränkt wird. Ebenso könnte auch der sozioökonomische Status der Mutter ein Störfaktor sein, da ein geringer Alkoholkonsum häufiger bei sozial besser gestellten Frauen auftritt (»social drinking«, etwa ein Glas Wein zum Essen), bei denen die Prognose für die Schwangerschaft und die Entwicklung des Kindes besser ist als bei sozial benachteiligten Frauen.
Die Experten stimmen aber überein, dass es keine sichere untere Grenze des Alkoholkonsums gibt. Frauen sind nur bei einem vollständigen Verzicht auf Alkohol auf der sicheren Seite (21, 22).
Erhitzen von Lebensmitteln auf eine Temperatur von über 70 °C tötet die Krankheitserreger zuverlässig ab. Auf nicht erhitzte tierische Produkte wie Rohmilchkäse, Mett, Rohwurst wie Salami oder Schinken sowie Räucherfisch sollte die werdende Mutter nach den offiziellen Empfehlungen besser verzichten. Auch vor Weichkäse aus erhitzter Milch wird häufig gewarnt, da das Produkt über die Oberflächenschmiere mit Listerien kontaminiert sein kann. Pflanzliche Lebensmittel sind vor dem Rohverzehr sorgfältig zu waschen. Außerdem können die Regeln der guten Küchenhygiene helfen, Querkontaminationen zu vermeiden.
Eine wichtige Quelle für Toxoplasma-Infektionen ist Katzenkot. Schwangere sollten daher das Katzenklo nicht selbst säubern und bei der Gartenarbeit Handschuhe tragen (8, 9).
Testen oder nicht?
Umstritten ist allerdings die Frage, ob ein Toxoplasmose-Screening in der Schwangerschaft sinnvoll ist. Dieses hat zwei Ziele: zum einen den Immunstatus der Schwangeren festzustellen, das heißt, ob sie durch Antikörper aufgrund einer früheren Infektion mit Toxoplasmen geschützt ist. Zum anderen soll bei seronegativen Schwangeren durch regelmäßige Tests eine mögliche Neuinfektion schnell erkannt werden. Durch eine antiparasitäre Behandlung sollen eine Übertragung der Toxoplasmen auf das Ungeborene und dadurch fetale Schäden verhindert werden.
Kassenleistung ist die Untersuchung nur bei begründetem Verdacht auf eine Infektion (1). Ansonsten wird sie werdenden Müttern in der Regel als individuelle Gesundheitsleistung (IgeL) angeboten.
Diese theoretischen Überlegungen zum Nutzen eines Toxoplasmose-Screenings sind aber nicht besonders gut durch empirische Daten belegt. So sind Experten uneins darüber, wie hoch die diagnostische Genauigkeit der eingesetzten Tests ist, die von Labor zu Labor erheblich schwanken kann. Hinzu kommt, dass der Nutzen und die Modalitäten der medikamentösen Therapie bisher nicht in großen prospektiven oder gar randomisierten kontrollierten Studien untersucht sind. Wie effektiv die medikamentöse Therapie eine Übertragung der Krankheitserreger auf das Ungeborene verhindert und wie sehr die Behandlung das Risiko für Schäden senkt, lässt sich deshalb nicht genau sagen.
Mikronährstoff | Ergebnis des Reviews |
---|---|
Vitamin C | kein Hinweis auf positive Effekte im Hinblick auf fetale oder neonatale Sterblichkeit, fetales Wachstum, Frühgeburtlichkeit oder Präeklampsie; 29 Studien mit insgesamt 24 300 Frauen (34) |
Vitamin D | kein eindeutiger Hinweis auf niedrigeres Risiko für Präeklampsie oder Gestationsdiabetes (zwei Studien mit 219 Frauen) wahrscheinlich geringeres Risiko für Frühgeburtlichkeit und niedriges Geburtsgewicht (jeweils drei Studien mit 477 beziehungsweise 493 Frauen): Frühgeburtlichkeit ohne Supplementierung bei 99 von 1000 Frauen, mit Supplementierung bei 36 von 1000 Frauen (95-Prozent-Konfidenzintervall 14 bis 92); niedriges Geburtsgewicht ohne Supplementierung bei 199 von 1000 Frauen, mit Supplementierung bei 80 von 1000 Frauen (95-Prozent-Konfidenzintervall 48 bis 133). Derzeit laufen noch einige Studien, die die Ergebnisse verändern könnten (35). |
Vitamin E | kein Hinweis auf positive Effekte im Hinblick auf Totgeburten, neonatale Sterblichkeit, Frühgeburtlichkeit, Präeklampsie oder fetales Wachstum 21 Studien mit insgesamt rund 22 000 Frauen (36) |
Magnesium | kein Hinweis auf positive Effekte im Hinblick auf Totgeburten, neonatale Sterblichkeit, fetales Wachstum oder Präeklampsie zehn Studien mit insgesamt rund 9000 Frauen (37) |
Außerdem kann das Screening möglicherweise auch zu Schäden führen. So wird bei einer Neuinfektion der Mutter in manchen Fällen eine Fruchtwasseruntersuchung angeboten, um eine fetale Infektion zu bestimmen. Diese Untersuchung ist mit einem erhöhten Risiko für Totgeburten verbunden. Auch können die eingesetzten Medikamente Nebenwirkungen haben (10, 11). Mangels aussagekräftiger Studien lässt sich das Nutzen-Risiko-Verhältnis also nicht sicher quantifizieren.
Aus diesem Grund wird das Screening in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich gehandhabt (12). Während beispielsweise in Österreich der Toxoplasmose-Test Teil der Mutterschaftsrichtlinien ist, gibt es in Deutschland und Großbritannien keine Empfehlung für ein generelles Screening. Die Schweiz hat vor einigen Jahren ein bestehendes Screening eingestellt. Frankreich hält seine allgemeine Empfehlung derzeit noch aufrecht, macht sie aber vom Ausgang einer randomisierten kontrollierten Studie abhängig, deren Ergebnisse noch nicht veröffentlicht sind (13).
Besser rauchfrei
Rauchen schadet nicht nur der Gesundheit der Mutter, sondern auch dem ungeborenen Kind. So verringert Nicotin die Durchblutung der Gebärmutter und beeinträchtigt so den Transport von Nährstoffen und Sauerstoff zum Embryo. Viele der im Tabakrauch enthaltenen Substanzen, die ins Blut der Mutter gelangen, sind plazentagängig und gelangen direkt zum Kind (14). Das kann zu Schwangerschaftskomplikationen wie Plazentaablösung oder vorzeitigem Blasensprung führen, erhöht aber auch das Risiko für Fehl- und Frühgeburten.
Babys von rauchenden Müttern haben häufig ein niedriges Geburtsgewicht. Das Risiko für Fehlbildungen wie Lippen- oder Gaumenspalten steigt. Der plötzliche Kindstod ist häufiger bei Babys, deren Mütter während oder nach der Schwangerschaft rauchen. Für Passivrauchen ist ein Einfluss auf das Geburtsgewicht ebenfalls belegt (15).
Gut für die Vitamin-D- Versorgung
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Nach den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte der behandelnde Arzt die schwangere Frau regelmäßig auf einen Rauchstopp ansprechen. Ob eine Nicotinersatztherapie, Bupropion oder Vareniclin in der Schwangerschaft wirksame und sichere Optionen sind, ist bisher nur unzureichend untersucht (15). Das Institut für Embryonaltoxikologie (Embryotox) hält Bupropion als zusätzliche medikamentöse Behandlung nach kritischer Indikationsstellung für akzeptabel, Vareniclin und Nicotinersatzprodukte werden auf der Internet-Seite nicht bewertet.
Studien haben gezeigt, dass Beratung beim Rauchstopp helfen kann (16). Hier können sich auch Apotheker engagieren. Unterstützende Materialien bietet etwa die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung an (17).
Coffein: Weniger ist mehr
Dürfen Schwangere Kaffee trinken? Der Einfluss von Coffein auf den Ausgang der Schwangerschaft ist nach wie vor nicht zweifelsfrei geklärt. Metaanalysen von Beobachtungsstudien sind wiederholt zu dem Ergebnis gekommen, dass mit zunehmender Coffein-Zufuhr das Risiko für Fehl- und Totgeburten sowie niedriges Geburtsgewicht zunimmt. Dabei scheint es keine untere Grenze zu geben, bei der es kein erhöhtes Risiko gibt.
Allerdings wurden die Coffein-Zufuhr und Störgrößen wie Rauchen in den Studien nicht immer zuverlässig erfasst. Hinzu kommt, dass die Risikoerhöhung bei moderatem Konsum eher gering ist und möglicherweise durch nicht-berücksichtigte Störfaktoren erklärt werden kann. Ein kausaler Zusammenhang ist also nicht zweifelsfrei belegt, auch wenn beispielsweise die beobachtete Dosis-Wirkungs-Beziehung dafür sprechen könnte (18).
Die Empfehlung, dass Schwangere ihren Coffein-Konsum auf 200 bis 300 mg pro Tag – das entspricht ungefähr zwei bis drei Tassen Kaffee – begrenzen sollten, scheint eine sinnvolle und moderate Vorsichtsmaßnahme zu sein (18-20).
Supplemente mit Fragezeichen
Soll ich Nahrungsergänzungsmittel einnehmen und wenn ja, welche? Mit dieser Frage kommen viele Schwangere in die Apotheke (siehe auch Titelbeitrag in PZ 37/2012). Zweifelsfrei belegt ist ein Nutzen nur für wenige Supplemente wie Folsäure zur Prävention von Neuralrohrdefekten beim Baby.
Nach den Ergebnissen eines Cochrane-Reviews mit fünf randomisierten kontrollierten Studien sank das Risiko deutlich bei Frauen, die bereits vor der Empfängnis und bis zur zwölften Schwangerschaftswoche zwischen 360 und 4000 µg Folsäure eingenommen hatten. In der Behandlungsgruppe wurden 4 von 1000 Babys mit einem Neuralrohrdefekt geboren, in der Gruppe ohne Folsäuresupplementierung 13/1000 (23). Auf andere Fehlbildungen hatte die Supplementierung keinen Einfluss (23), auch nicht auf die Rate an Früh- oder Totgeburten (24). Die perikonzeptionelle Gabe von 400 µg Folsäure pro Tag mindestens im ersten Schwangerschaftsdrittel entspricht den deutschen Empfehlungen (20).
Iris Hinneburgstudierte Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg und wurde an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg promoviert. Nach Tätigkeiten in Forschung und Lehre in Halle und Helsinki (Finnland) arbeitet sie heute freiberuflich als Medizinjournalistin. Ihr Schwerpunkt ist die pharmazeutische Fortbildung. Sie ist Fachbuchautorin und produziert einen Podcast mit Themen aus Medizin und Pharmazie für die Fortbildung in der Apotheke.
Dr. Iris Hinneburg
Wegscheiderstraße 12
06110 Halle (Saale)
Da der Iodbedarf in der Schwangerschaft steigt und sich eine zu geringe Iodversorgung möglicherweise negativ auf die kognitive Entwicklung des Babys auswirken könnte, wird in Deutschland prophylaktisch die tägliche Supplementierung von 100 bis 200 µg Iod empfohlen (1, 20). Ob sich dadurch tatsächlich die Gesundheit von Mutter und Kind verbessert, ist bisher nur unzureichend in prospektiven Studien untersucht (25).
Offizielle Empfehlungen weisen darauf hin, dass Schwangere täglich 200 mg Docosahexaensäure (DHA) in Form von fettem Seefisch oder Supplementen zu sich nehmen sollten, um die visuelle und kognitive Entwicklung des Kindes zu fördern (20). Mehrere randomisierte kontrollierte Studien konnten für diese Endpunkte jedoch keine überzeugende Wirksamkeit von Supplementen finden (26-30). Auch bei anderen Supplementen, die für die Schwangerschaft beworben werden, ist die Studienlage nicht sehr überzeugend oder nicht immer eindeutig (Tabelle 3).
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Empfehlungen zur Supplementierung in verschiedenen Ländern unterschiedlich gehandhabt werden. So wird in Deutschland für Schwangere besonders bei unzureichender Sonnenexposition eine tägliche Aufnahme von 20 µg Vitamin D (800 I.E.) empfohlen (20), in Großbritannien dagegen 10 µg (400 I.E.) (31). Das American College of Obstetricians and Gynecologists empfiehlt eine Supplementierung dagegen nur bei vermutetem oder nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel, allerdings keine routinemäßige Testung aller Schwangeren (32). Auch die WHO spricht sich gegen eine routinemäßige Gabe von Vitamin D aus. Nur bei dokumentiertem Mangel sollte die Schwangere täglich 5 µg Vitamin D (200 I.E.) erhalten (33).
Fazit
Apotheker können schwangeren Frauen eine Reihe von gut untersuchten präventiven Maßnahmen empfehlen. Allerdings ist die Studienlage für einige Screenings und Interventionen unzureichend oder deutet eher auf keinen Nutzen hin. Eine sorgfältige Beratung, die keine übertriebenen Versprechungen macht, stärkt das Vertrauen der Frauen in den pharmazeutischen Sachverstand und erhöht die Glaubwürdigkeit der Vor-Ort-Apotheke. /
Literatur