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Chronisch krank

Schonung ist ein Irrweg

19.02.2018  15:20 Uhr

Von Nicole Schuster / Sport kann das Risiko für viele Erkrankungen senken und deren Verlauf günstig beeinflussen. Patienten sollten aber nicht gleich den Marathonlauf in Angriff nehmen. Wichtig ist regelmäßige körperliche Aktivität im Alltag. Gezielte Programme berücksichtigen den individuellen Trainings- und Gesundheitszustand.

Anhaltender Bewegungsmangel schadet dem Körper und begünstigt die Entstehung zahlreicher Gesundheitsstörungen. Wer seinen Körper widerstandsfähiger machen möchte, sollte sich daher »Wer rastet, der rostet« zum Motto machen. Das gilt auch für Menschen, die chronisch krank sind. Schonung ist für sie der falsche Weg, da sie oft zu einer Verschlimmerung der Krankheit führt.

 

Ein klassisches Beispiel ist die Osteoporose. Heute ist bekannt, dass Im­mobilisation den Abbau der Knochen weiter vorantreibt, Bewegung sie hinge­gen stärkt. Präventiv besonders günstig wirken sich Sportarten mit hoher Stoßbelastung, sogenannte High-Impact-Sportarten wie Squash oder Tennis, auf die Knochenfestigkeit aus; für Osteoporose-Patienten sind sie aber in der Regel ungeeignet (1, 2). Ein weiterer Vorteil von Sport bei Osteo­porose: Trainierte Muskulatur schützt die Knochen bei Stürzen besser und hilft, diese zu vermeiden.

 

Immer gilt: Das Training muss an die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit angepasst sein. Um Überbelastungen und Verletzungen zu vermeiden, sollten ältere Menschen langsam ins Training einsteigen und sich an die zunehmende Belastung gewöhnen. Ein guter Beginn ist dreimal wöchentlich zügiges Gehen.

 

Sport verbessert die Körperkontrolle

 

Das Apothekenteam kann Patienten mit Osteoporose zu einem moderaten Krafttraining, spezieller Gymnastik oder einem passiven Vibrationstraining ermuntern. Letzteres wurde vor etwa 40 Jahren für Astronauten entwickelt. Man hatte festgestellt, dass sie in der Schwerelosigkeit pro Monat 2 Prozent ihrer Knochenmineralmasse einbüßen. Ähnlich wie bei einem Aufenthalt in der Schwerelosigkeit baut der Körper auch bei Bewegungsarmut und Nichtgebrauch die Knochenmasse langsam zum Ressourcenerhalt ab (1, 2, 3).

 

Das Ziel der sportlichen Betätigung besteht neben der Verhinderung des Knochenabbaus auch darin, die Muskelkraft zu steigern sowie Koordination und Gleichgewicht zu verbessern (Tabelle 1). Betroffene sollen dadurch mehr Körperkontrolle bekommen, was zur Sturzprophylaxe beiträgt. Weiterhin zeigte sich, dass nach Brüchen frühes und an die jeweilige körperliche Funktion angepasstes Training die Pro­­gno­se bei Osteoporose-Patienten verbessert (4, 5, 6, 7). Findet die Bewegung im Freien statt, profitieren sie zusätzlich: Sonnenlicht fördert die Produktion von Vitamin D, das für die Calcium­aufnahme in die Knochen wichtig ist.

Tabelle 1: Wirkungen von Ausdauer- und Krafttraining; modifiziert nach (18, 32)

Trainingsart Effekte
Ausdauertraining Stärkung des Herzmuskels Verbesserung der Fließeigenschaften des Bluts: Blut fließt leichter durch die Adern, bessere Versorgung der Organe Vermehrung und Vergrößerung von Gefäßen: Transport von größeren Mengen Blut möglich Erhöhung des Blutvolumens Steigerung des Herzminutenvolumens Verbesserung der Herz-Kreislauf-Leistung: Körper wird belastbarer positiver Einfluss auf Organe, Hormon- und Nervensystem, Psyche und Bewegungsapparat Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Krankheiten
Krafttraining Steigerung der Muskelausdauer Aufbau geschwächter Muskulatur: hilft bei der Alltagsbewältigung verbessertes Zusammenspiel von Muskeln und Gelenken Vergrößerung der Muskelfasern nach einigen Wochen Vorbeugung von Verletzungen: Muskelkorsett wirkt wie ein Schutzpanzer Stärkung von Knochen, Bändern und Kapseln verbesserte Körperhaltung Therapienebenwirkungen wie Kraftverlust werden gemindert Vorbeugung von Krankheiten wie Osteoporose

Steife Gelenke brauchen Bewegung

 

Regelmäßige körperliche Aktivität beeinflusst auch andere Erkrankungen des Bewegungsapparats positiv, zum Beispiel die rheumatoide Arthritis (RA). Bei den Patienten führen Autoimmunreaktionen zu chronischen Gelenkentzündungen. Zunächst sind in der Regel die kleinen Gelenke der Hände und Füße betroffen, später schwellen weitere Gelenke an, werden steif und verursachen Schmerzen. Eine ursächliche Heilung gibt es bislang nicht. Mit Medikamenten können aber Entzündungssymptome und Schmerzen gelindert sowie das Voranschreiten der Krankheit verlangsamt werden.

 

Durch mangelnde Bewegung können weitere irreparable Schäden in den Gelenken entstehen. Um dies zu vermeiden, ist eine gezielte regel­mäßige Bewegungstherapie essenziell. Sie dient dazu, die Muskel-, Gelenk- und Wirbelsäulenfunktion zu erhalten. ­Neben speziellen und auf die jeweiligen Symptome abgestimmten Bewegungsübungen, etwa vom Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband (8), bieten sich auch Funktionstraining in Form von Warmwasser- oder Trockengymnastik an.

 

Den Nutzen bestätigten 2009 Wissen­schaftler in einem Review. Sie zeigten, dass ein geeignetes Trainingsprogramm kurzfristig nicht nur die physikalische Funktion verbessert, ­sondern auch die Schmerzen bei RA-Patienten verringert. Unerwünschte Effekte wie eine Schmerzsteigerung oder Gelenkschäden stellten die Autoren nicht fest (9). Die »Interdisziplinäre Leitlinie Management der frühen rheumatoiden Arthritis« empfiehlt regelmäßige Bewegungsübungen und ein individuell abgestimmtes Kraft- und Ausdauertraining (10).

Analgetika bei Muskelkater und Co.?

Bei intensivem Training können Schmerzen auftreten – eigentlich ein Warnsignal des Körpers. Profisportler, aber auch zahlreiche Hobbysportler nehmen dann jedoch Analgetika ein, um schmerzfrei weitertrainieren zu können (30, 31). Dabei riskieren sie nicht nur Überbelastungen, sondern gefährden auch ihre Gesundheit.

 

Bei Sport werden die inneren Organe zugunsten der Durchblutung von Muskeln und Haut weniger stark durchblutet. Es drohen funktionelle Störungen etwa im Verdauungssystem. Erschütterungen, zum Beispiel beim Laufen, führen zudem zu Mikroblutungen im Magen-Darm-Trakt. Eine weitere Gefahr sind Elektrolytverschiebungen infolge der Minderdurchblutung der Nieren. Das Risiko einer Hyponatriämie steigt, wenn durch das Schwitzen beim Sport weitere Elektrolyte verloren gehen.

 

Ist die Einnahme von Schmerzmitteln unumgänglich, sollte das Apothekenteam dem Sportler Folgendes empfehlen:

 

  • keine Wirkstoffe mit Langzeitwirkung wie Meloxicam, Naproxen und Piroxicam einnehmen – sofern nicht vom Arzt anders verordnet,
  • in der Selbstmedikation kurz ­wirk­same Mittel wie Ibuprofen und Diclofe­nac wählen,
  • Acetylsalicylsäure wegen der erhöhten Blutungsneigung meiden,
  • Analgetika nur nach, nicht vor der sportlichen Belastung einnehmen,
  • bei Muskel- und Gelenkschmerzen wirkt Paracetamol nur schlecht (Überdosierungen drohen!),
  • an ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit und Elektrolyten denken.

Selbst Krebskranke profitieren

 

Einen nachgewiesenen positiven Effekt hat sportliche Betätigung bei vielen Krebserkrankungen. Körperliche Aktivität wirkt einerseits der Entstehung von Tumoren entgegen, andererseits reduziert sie bei bestehenden Tumoren das krebsspezifische Risiko, die Rezidivhäufigkeit und das Gesamtmortalitätsrisiko. Bemerkenswert: Dies gilt auch, wenn sich Patienten erst nach der Diagnose sportlich betätigen (11).

 

Besonders gut ist die Datenlage bei Frauen mit nicht metastasiertem Brustkrebs. Epidemiologische Studien zeigen, dass körperliche Aktivität vor der Diagnose, aber auch danach die brustkrebsspezifische sowie die Gesamtmortalität senken kann. Eine Einschränkung der Aussagekraft kann sich jedoch daraus ergeben, dass Frauen mit schlechter Prognose möglicher­weise gar nicht zum Training in der Lage waren; dies könnte die Ergebnisse verzerren (12). Dennoch ist Professor Dr. Karen Steindorf von der Abteilung Bewegung, Präventionsforschung und Krebs am Deutschen Krebsforschungszentrum und Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg im Gespräch mit der Pharmazeu­tischen Zeitung zuversichtlich: »Eine Bestätigung durch große randomisierte klinische Studien fehlt zwar noch. Auf Basis der derzeitigen Datenlage raten wir Frauen nach einer Brustkrebs­diagnose aber trotzdem klar, körperlich aktiv zu bleiben beziehungsweise zu werden.«

 

Eine ähnliche Botschaft ergibt sich für Patienten mit Kolon- und Prostatakarzinom (13, 14). Bei Darmkrebs beispielsweise senkt eine gesteigerte körperliche Aktivität das Risiko, an der Krankheit zu versterben, um bis zu 40 Prozent (15). Weniger gut untersucht ist der Zusammenhang bei anderen Krebserkrankungen.



Mehr Adhärenz dank Bewegung

Neben einer Verbesserung der Prognose gibt es weitere Gründe, warum fast jedem Krebspatienten sportliche Be­tätigung zu empfehlen ist. »Es gibt Hinwei­se aus kontrollierten und randomisierten Studien, dass körperliche Bewe­gung in Form von Kraft- oder Ausdauer­training häufige krankheits- und therapiebedingte Symptome wie Fatigue, Schlafstörungen, Lymphödeme oder Depressivität und Ängste reduziert«, sagt Steindorf. »Das Training steigert auch die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden. Dadurch gewinnen die Patienten an Lebensqualität.«

 

Sport verbessert zudem die Therapie-Adhärenz, da Bewegung die Neben­wirkungen häufig eingesetzter Medikamente wie Aromatasehemmer, Andro­gen-deprivierende Therapeutika und Glucocorticoide oder einer Radiotherapie lindern kann. Die Wirkmechanismen sind allerdings noch unklar. »Wir nehmen an, dass die Wirkungen sehr vielfältig sind. So kann Bewegung zu einer Reduktion der Fettmasse sowie zu einer Aktivierung bestimmter Immunzellen führen. Sogar eine gesteigerte endogene Tumorabwehr wird derzeit diskutiert«, so Steindorf (16).

 

Auf Leistungsfähigkeit abgestimmtes Training

Empfehlungen, wie viel Sport für einen gesundheitsfördernden Effekt erforderlich ist, hat unter anderem das ­American College of Sports Medicine (ACSM) veröffentlicht. Demnach sollen Patienten nach der onkologischen Operation 150 Minuten pro Woche mit modera­ter Intensität oder 75 Minuten pro Woche mit höherer Intensität Ausdauersport betreiben und zusätzlich zwei bis drei Krafttrainingseinheiten pro Woche mit Übungen für die Hauptmuskelgruppen absolvieren (17). Die Deutsche Krebshilfe rät davon leicht abweichend zu drei Einheiten pro Woche à 60 Minuten und bei intensiverem Training à 30 Minuten (18).

 

Selbstverständlich sollte das Training den individuellen Gesundheitszustand, Kontraindikationen wie starke Übelkeit, heftige Schmerzen, Fieber oder einen akuten Infekt sowie die onkologische Therapie berücksichtigen. Ratsam ist zudem – wie bei anderen chronischen Erkrankungen – eine ärzt­liche Sporttauglichkeitsuntersuchung vor Beginn des Trainings (11, 13).

 

Hinweise zu einem geeigneten Übungsprogramm und zu Kontaktstellen enthält die Broschüre »Sport, Bewegung und Krebs. Ein Ratgeber für mehr Sport im Leben – auch mit oder nach Krebs!«, herausgegeben vom Krebsverband Baden-Württemberg und dem NCT Heidelberg (www.nct-heidelberg.de) (19). Geeignete Sport­arten bei bestimmten Krebsarten empfiehlt die Deutsche Krebshilfe in ihrer Veröffentlichung »Bewegung und Sport bei Krebs« aus der Reihe »Blaue Ratgeber«.

Für Brustkrebs-Patientinnen eignen sich zum Beispiel Ausdauersportarten wie Radfahren, Wandern, Schwimmen, Skilanglauf und Nordic Walking. Sport im Wasser ist besonders förderlich, da Wasser den Rückfluss der Lymphflüssigkeit anregt und schnelle reißende Bewegungen verhindert. Männer, die an Prostatakrebs erkrankt sind, können mit einem gezielten Krafttraining ihre Beckenbodenmuskulatur stärken und Inkontinenzbeschwerden verbessern. In den ersten Monaten nach einer Operation ist Radfahren zu meiden. Sportarten mit engem Körperkontakt bringen für alle Krebspatienten vor allem nach einer Operation eine hohe Verletzungsgefahr mit sich.

 

Bei Darmkrebs müssen Ärzte mit­unter ein Stoma legen. Auch diese Pa­tienten dürfen und sollen Sport ­ ­treiben. Allerdings sollten sie den künstlichen Darmausgang vor äußeren Einwirkungen wie Stürzen oder Bällen schützen (18).

 

Auch das Herz mag es bewegt

Bei kardialen Erkrankungen wie der Herzinsuffizienz gilt: Sport und gezielte Bewegung im Alltag können die Symptome lindern, den Verlauf positiv beeinflussen und das Herz stärken. In einer Mitteilung der Deutschen Herzstiftung wird Schonung bei Herzinsuffizienz als »Irrweg« bezeichnet. Konkret berichtet die Stiftung: »Studien zu körperlichem Training zeigen, dass Sport die Leistungsfähigkeit bei einer Herzschwäche je nach Trainingsumfang um 10 bis 25 Prozent verbessern kann. Außerdem lässt sich die Sterblichkeit um über 30 Prozent verringern und Krankenhausaufenthalte aufgrund der Herzschwäche um 28 Prozent senken« (20).

 

Zu empfehlen sind Sportarten, die die Muskeln möglichst wenig belasten. Bei hoher muskulärer Beanspruchung kommt es schnell zu einer Press­atmung, die die Herzfunktion akut verschlechtern kann. Spazierengehen, Wandern, Tanzen, Radfahren oder moderates Krafttraining indes können – regel­mäßig durchgeführt – die Belastbarkeit erhöhen und Lebensqualität steigern. Bei Atemnot, Schwindel oder Herzrhythmusstörungen müssen Herz­kranke das Training sofort abbrechen. Sind die Symptome stark oder halten lange an, ist ein Arztbesuch erfor­derlich.

 

Gerade bei Herzerkrankungen ist es wichtig, das Bewegungsprogramm mit dem Arzt abzustimmen und vor dem ersten Training einen Belastungstest zu absolvieren. Dazu bieten sich die Ergometrie an, bei der die Leistungsfähigkeit gemessen wird, während der Patient auf einem Fahrrad oder Laufband trainiert, sowie die Spiroergometrie, bei der die Atemgase während der körperlichen Belastung erfasst werden. Herzsportgruppen, die in vielen Städten angeboten werden, ermöglichen Sport nach einem maßgeschneiderten Übungsplan. Oft ist dabei ein Arzt anwe­send.

 

Eine Übersicht über entsprechende Gruppen gibt es bei der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (www.dgpr.de/herzgruppen.html). Patienten mit Herzinsuffizienz des NYHA-Stadiums IV müssen vor einer sportlichen Betätigung erst medikamentös stabilisiert werden (20, 21).

Bewegung verbessert Blutwerte

 

Sport dient auch der Prävention von weitverbreiteten chronischen Krankheiten (Tabelle 2). Bewegungsmangel und daraus oft resultierendes Übergewicht zählen zu den Hauptrisikofaktoren von Diabetes und Bluthochdruck. Auf den Blutdruck wirkt Sport ausgleichend. Patienten können dadurch womöglich nach Rücksprache mit dem Arzt ihre Medikamentendosis senken.

 

Körperliche Aktivität wirkt einer verminderten Glucosetoleranz und der Insulinresistenz entgegen. Eine verstärkte Glucoseaufnahme in die Zellen lässt die Zuckerwerte im Blut sinken. Längerfristig spiegelt sich die vermehrte Bewegung auch in einem Absinken des HbA1c-Werts wider (22).

 

Es gibt Hinweise, dass regelmäßige Bewegung das Risiko für psychische und neurologische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Ess­störungen oder Alzheimer-Demenz re­du­zieren kann. Die präventiven Effekte sind aber beispielsweise bei der Demenz noch nicht eindeutig bewiesen; es sind weitere groß angelegte Studien erforderlich (23).

 

Gerade für Frauen in fortgeschrittenem Alter oder nach einer Geburt ist Harninkontinenz sehr belastend. Abgestimmte Trainingsprogramme können die Beschwerden verringern (24). Die interdisziplinäre S2e-Leitlinie für die Diagnos­tik und Therapie der Belastungsinkontinenz der Frau empfiehlt Beckenbodentraining nicht nur therapeutisch, sondern speziell in der Schwangerschaft auch präventiv (25).

 

Eine Übersicht über Rehasport­gruppen für behinderte und chronisch kranke Menschen bietet der Deutsche Behindertensportverband (DBS):

 

www.dbs-npc.de/sportentwicklung- rehabilitationssportgruppen-in-deutschland.html.

Tabelle 2: Krankheiten und jeweilige positive Auswirkungen von Sport; nach (33)

Krankheit Effekt durch Sport
Hypertonie Regelmäßiges Training verringert den Blutdruck Gewichtsreduktion: weitere Senkung des Blutdrucks möglich
Herzkrankheiten: Herzinfarkt, chronische Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung, Herzklappenfehler Zahl der Klinikeinweisungen und Häufigkeit von Komplikationen sinkt, Lebenserwartung steigt
periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) Verbesserung der Durchblutung
Typ-2-Diabetes Verbesserung der Blutzuckerwerte
Fettstoffwechselstörungen Verbesserung der Blutfettwerte
Adipositas Reduktion des Übergewichts
chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) Verbesserung des Sauerstofftransports und der Atemeffizienz, Steigerung der Sauerstoffausschöpfung in den Muskeln
Spannungskopfschmerzen Verspannungen lösen, Ausdauersport beugt Kopfschmerzen vor
Rückenschmerzen Programme wie Rückenschule wirken vorbeugend

Besser kleine Schritte als ein zu großer Sprung

 

Übertreiben sollte man den sportlichen Eifer nicht, wenn man von den präventiven Wirkungen profitieren möchte. So haben Frauen, die High-Impact-Sportarten betreiben oder sehr viel trainieren, ein erhöhtes Risiko für Inkontinenz-Beschwerden (26). Extensiver Sport, wie ihn etwa Triathleten betrei­ben, könnte sogar das Herz schädigen (27).

 

Gerade chronisch Kranke müssen und sollen keine sportlichen Höchstleistungen vollbringen. Wer sich im ­Alltag aktiv verhält, Haus- und Garten­arbeit selbst erledigt, für kleinere Besorgungen das Fahrrad benutzt, Treppen dem Aufzug vorzieht und bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln ab und zu eine Station früher aussteigt, hat schon den ersten Schritt in ein bewegteres Leben getan. Auf den Nutzen von Alltagsbewegungen bei der Haus- und Gartenarbeit gerade für ältere Menschen weist eine aktuelle Studie hin (28). In der Mittagspause oder vor dem Einschlafen profitiert die Gesundheit von einem kleinen Spaziergang. Eine Motivation zu mehr Bewegung kann ein Schrittzähler sein. Optimal ist ein ergänzendes regelmäßiges Training zwei bis drei Mal pro Woche. /

Sportliche Diabetes-Patienten müssen aufpassen

Menschen mit Diabetes drohen beim Sport vor allem zwei Gefahren: Hypo­glykämie und Übersäuerung (29). Zur Vermeidung von Gesundheitsrisiken sollten sie bei körperlicher Betätigung Folgendes beachten:

 

  • Insulindosis und Kohlenhydratzufuhr bei einer intensivierten Insulintherapie während und eventuell auch nach dem Sport anpassen,
  • nicht nüchtern oder mit niedrigen Blutzuckerwerten loslegen,
  • häufiger den Blutzucker messen und in einem Tagebuch doku­mentieren,
  • Traubenzucker oder ein zucker­reiches Getränk bei Unterzuckerung zu sich nehmen,
  • nach dem Sport Alkohol vermeiden, um die hepatische Glucose-Frei­setzung nicht zu behindern,
  • keine zusätzliche Eiweißaufnahme, um die Nieren nicht übermäßig zu belasten.

 

Wichtig in der Beratung ist zudem der Hinweis, dass Hypoglykämien bei starker Belastung noch einige Stunden später auftreten können. Als besonderen Tipp kann das Apothekenteam auf das Gütesiegel »Diabetestraining geeignet« aufmerksam machen, mit dem die Deutsche Diabetes Gesellschaft in Zusammenarbeit mit diabetesDE und dem TÜV Rheinland Fitness-Angebote mit einer ­seriösen medizinischen Betreuung von Diabetes-Patienten auszeichnet.

Die Autorin

Nicole Schuster studierte zwei Semester Medizin in Bonn, dann Pharmazie und Germanistik in Bonn und später in Düsseldorf. Während ihres Studiums machte sie Praktika bei verschiedenen wissenschaftlichen Verlagen. Nach dem zweiten Staatsexamen und der Approbation 2010 absolvierte Schuster ein Aufbaustudium in Geschichte der Pharmazie in Marburg und wurde 2016 mit ihrer Dissertation »Traditionelle pflanzliche Febrifuga als moderne Phyto­pharmaka« zum Doktor der Naturwissenschaften promoviert. Die PZ-Leser kennen Dr. Schuster als Autorin zahlreicher Fachbeiträge.

 

Dr. Nicole Schuster

Zimmererstraße 9

92318 Neumarkt

E-Mail: nicole.m.schuster@gmx.de

Literatur

  1.  Felsenberg D et al. Leitlinie Physiotherapie und Bewegungstherapie bei Osteoporose (Langfassung). Endversion 0.1 vom 29.04.2008, www.dv-osteologie.org/uploads/Leitlinie%20Physiotherapie/Langfassung_Physiotherapie-Leitlinie.pdf.
  2. Moreira LD at al. Physical exercise and osteoporosis: effects of different types of exercises on bone and physical function of postmenopausal women. Arq Bras Endocrinol Metabol. 2014 Jul;58(5):514-22.
  3. Ozcivici E et al. Mechanical signals as anabolic agents in bone. Nat Rev Rheumatol. 2010 Jan;6(1):50-9. doi: 10.1038/nrrheum.2009.239.
  4. OSD Osteoporose Selbsthilfegruppen Dachverband e.V. Osteoporose Training zum Knochenaufbau, www.osd-ev.org/osteoporose-therapie/osteoporose-bewegung-sport/
  5. Park KS at al. Education and exercise program improves osteoporosis knowledge and changes calcium and vitamin D dietary intake in community dwelling elderly. BMC Public Health. 2017 Dec 19;17(1):966. doi: 10.1186/s12889-017-4966-4.
  6. Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Männern ab dem 60. Lebensjahr und bei postmenopausalen Frauen. Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V.(Kurzfassung und Langfassung). Version vom 13.11.2014, www.dv-osteologie.org/uploads/Leitlinie%202014/DVO-Leitlinie%20Osteoporose%202014%20Kurzfassung%20und%20Langfassung%20Version%201a%2012%2001%202016.pdf.
  7. Lems WF et al. EULAR/EFORT recommendations for management of patients older than 50 years with a fragility fracture and prevention of subsequent fractures. Ann Rheum Dis. 2017 May;76(5):802-810. doi: 10.1136/annrheumdis-2016-210289. Epub 2016 Dec 22.
  8. Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V. : Bewegungsübungen bei rheumatoider Arthritis. 6. Auflage 2016, www.rheuma-liga.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Mediencenter/Publikationen/Broschueren/A6_Bewegungsuebungen_Arthritis.pdf.
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  10. Schneider M et al. Interdisziplinäre Leitlinie Management der frühen rheumatoiden Arthritis. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, aktueller Stand: 08/2011, www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/060-002l_S3_Management_fruehe_rheumatoide_Arthritis_2011-abgelaufen.pdf .
  11. Steindorf K, Schmidt ME, Zimmer P. Sport und Bewegung mit und nach Krebs – wer profitiert, was ist gesichert? Dtsch Med Wochenschr 2018; 143: DOI 10.1055/s-0043-106885.
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  13. Schmid D, Leitzmann MF. Association between physical activity and mortality among breast cancer and colorectal cancer survivors: a systematic review and meta-analysis. Ann Oncol 2014; 25: 1293–1311. doi:10.1093/annonc/mdu012.
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  20. Gielen S, Sandri M. Umdenken bei Herzschwäche. Herzschwäche: Wussten Sie, dass Schonung falsch ist?, www.herzstiftung.de/Herzschwaeche.html.
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