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Krebspatienten

Sport ist Medizin

Krebspatienten und -überlebende profitieren erheblich davon, regelmäßig Sport zu treiben. Ein internationales Expertengremium hat nun neue, detaillierte Empfehlungen zu Art und Menge der sportlichen Betätigung erarbeitet – und übt gleichzeitig Kritik daran, dass die Sporttherapie in der Onkologie noch viel zu kurz kommt.
Annette Mende
17.10.2019  17:54 Uhr

Sport sollte heutzutage einen festen Platz in jeder Krebstherapie und -nachsorge haben, denn die positiven Effekte auf die körperliche Fitness und das psychische Wohlbefinden von Patienten wurden vielfach gezeigt. Diese Sicht der Dinge ist jedoch nicht sehr alt; noch Anfang der 2000er-Jahre waren viele Onkologen sehr zurückhaltend damit, ihren Patienten Bewegung zu empfehlen, und rieten ihnen stattdessen lieber zu körperlicher Schonung. Angesichts der wachsenden Evidenz für die positiven Effekte von Bewegung bei Krebs setzten sich Experten aus aller Welt im Jahr 2010 erstmals an einem Runden Tisch zusammen und sprachen sich anschließend klar dafür aus, dass auch Krebspatienten Sport treiben sollen.

Da die Evidenz zu diesem Zeitpunkt zwar für diese Empfehlung, aber nicht für detaillierte Angaben zu Art und Menge des zu bevorzugenden Trainings ausreichte, orientierte man sich an den Empfehlungen, die damals für chronisch kranke Patienten galten. Diese sahen wöchentlich mindestens 150 Minuten Ausdauertraining, Krafttraining an zwei oder mehr Tagen pro Woche und tägliches Dehnen der großen Muskelgruppen vor. Sollten sie dies nicht schaffen, sollten Krebsüberlebende körperliche Inaktivität vermeiden und sich »so viel wie möglich« bewegen.

Von Anfang an war vorgesehen, dass diese Empfehlungen für Krebspatienten angepasst werden, sobald genügend Daten aus randomisierten, kontrollierten Studien vorliegen. Diese Voraussetzung sah man 2018 als erfüllt an, weshalb sich der Expertenkreis im Frühjahr 2018 erneut traf. Das Ergebnis dieser Beratung erschien aktuell im Fachjournal »Medcine & Science in Sports & Exercise«. Seit der ersten Empfehlung im Jahr 2010 habe sich die Zahl entsprechender Studien um 281 Prozent erhöht, heißt es dort.

Generell sprechen sich die Autoren um Professor Dr. Kristin Campbell von der University of British Columbia in der Publikation dafür aus, dass Krebsüberlebende dreimal pro Woche Ausdauer- und Krafttraining betreiben, und zwar für etwa 30 Minuten pro Session. Für verschiedene Beschwerden wie Angst, Kardiotoxizität, Chemotherapie-induzierte Neuropathie, Fatigue und Lymphödem enthält die Arbeit genaue Vorgaben zu Häufigkeit, Intensität, Dauer und Art der sportlichen Betätigung, die die Autoren als FITT abkürzen (Frequency, Intensity, Time, Type). Sie empfehlen, dass sich Sporttherapeuten, die mit Krebspatienten arbeiten, an den FITTs orientieren. Auf körperliche Einschränkungen, die gegen bestimmte sportliche Belastungen sprechen, etwa Knochenschwund oder -metastasen, wird gesondert eingegangen.

Diese nun vorliegenden, genauen und evidenzbasierten Empfehlungen zu Sport bei Krebs sollten breite Anwendung finden, fordert das Expertenteam in einer weiteren Publikation im »Cancer Journal for Clinicians«. Noch immer gebe es zu viele Krebspatienten, die sich während und nach ihrer Therapie zu wenig bewegten. Sport sei aber für diese Patienten wie Medizin. »Ein Medikament mit vergleichbarer Wirksamkeit würde höchstwahrscheinlich breit eingesetzt«, so die Autoren. Es sei an der Zeit, dass der Sporttherapie bei Krebs die Priorität eingeräumt werde, die sie verdiene.

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