Arzneimittel für Früh- und Neugeborene |
Das infantile Hämangiom (»Blutschwamm«) ist eine proliferierende benigne Gefäßfehlbildung (67). Mit einer Inzidenz von 4,5 Prozent gehört es zu den häufigsten vaskulären Malformationen bei Neugeborenen. Mädchen sind etwa dreimal häufiger betroffen als Jungen (68). Zum Zeitpunkt der Geburt sind Hämangiome in der Regel schwach ausgeprägt und als Vorläufer erkennbar, in den Tagen danach proliferieren sie und werden deutlicher sichtbar.
Viele Blutschwämmchen bilden sich spontan zurück und erfordern keine Therapie. / © Shutterstock/Miguel Granero
Da die Spontanregression bei 85 Prozent liegt, besteht bei unkomplizierter Ausprägung kein Handlungsbedarf (69). Bei komplizierten Fällen, zum Beispiel bei anogenitaler Lokalisation oder im Gesicht, kann eine Therapie indiziert sein (67).
Mittel der Wahl ist der Betablocker Propranolol (67, 70). Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig geklärt; man geht von einer Vasokonstriktion und Proliferationshemmung von Endothelzellen aus (71). Die zugelassene Behandlung wird einschleichend mit einer Einzeldosis von 1 mg/kg KG/Tag begonnen und dann auf 2 bis 3 mg/kg KG/Tag, verteilt auf zwei Einzeldosen, gesteigert.
Neu- und Frühgeborene sind die vulnerabelsten Patienten in der Pädiatrie, deren prophylaktische und therapeutische Versorgung essenziell, aber anspruchsvoll ist. Viele Therapien in der Neonatologie bewegen sich im Off-Label-Bereich, weshalb besondere Vorsicht und sorgfältige Überwachung, zum Beispiel durch Therapeutisches Drug Monitoring, erforderlich sind. Für das bestmögliche Outcome ist ein interdisziplinäres Zusammenspiel aller beteiligten Fachgruppen (Apotheker, Ärzte, Pflegekräfte) unerlässlich.
Eine wichtige pharmazeutische Aufgabe ist die Beratung der Eltern zu Standards wie Vitamin-K- und -D-Prophylaxen sowie zu evidenzbasierten leitliniengerechten Therapien, zum Beispiel bei Schmerzen oder Infektionserkrankungen. Dem direkten Verweis an einen Kinderarzt oder die Klinik bei Anzeichen einer Neugeborenen-Infektion kommt dabei besondere Bedeutung zu.
Daneben können Apotheker Dosierungen auf Plausibilität prüfen. Die Datenbank Kinderformularium (www.kinderformularium.de) beinhaltet evidenzbasierte Arzneimittelinformationen ab dem Frühgeborenenalter und ist in Deutschland für alle Angehörigen der Gesundheitsberufe kostenfrei verfügbar (31). Hier findet man Dosierungsempfehlungen im zugelassenen und im Off-Label-Bereich mit Angabe der zugrundeliegenden Literatur. Mit zusätzlichen Informationen zu Handelspräparaten und zur Pharmakokinetik in verschiedenen Altersgruppen bietet die Datenbank eine wichtige Hilfestellung für die pharmazeutische Praxis.
Dr. Julia Haering-Zahn erhielt 2015 die Approbation. Nach Angestelltentätigkeit Promotion bei Professor Dr. Antje Neubert arbeitet sie seit 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Uniklinikum Erlangen. Ihre inhaltlichen Schwerpunkte sind Projekte zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in der Pädiatrie.
Professor Dr. Antje Neubert wurde 2003 promoviert und habilitierte sich im Jahr 2012, seitdem Lehrbefugnis für das Fach Pädiatrische Pharmakotherapie. Seit 2011 leitet Professor Neubert die Zentrale für Klinische Studien in der Pädiatrie, Kinder- und Jugendklinik, Universitätsklinikum Erlangen.
Marlene Anna Wagner studierte Ernährungswissenschaften, seit der Approbation 2024 ist sie als Doktorandin beim ADKA angestellt. Zeitgleich arbeitet sie an der Universitätsmedizin Mainz in der Parenteralia-Herstellung mit dem Schwerpunkt der parenteralen Ernährung von Früh- und Neugeborenen sowie Kindern.