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Gesundheits-Apps

Wegweiser im App-Dschungel

Für alles gibt es mittlerweile eine App, auch für viele Erkrankungen. Das Apothekenpersonal kann Patienten hier wertvolle Zusatzempfehlungen geben, muss dabei aber auch die Spreu vom Weizen trennen können. Woran kann man sich orientieren?
Daniela Hüttemann
16.01.2022  08:00 Uhr

Vielleicht wurden Sie in der Apotheke auch schon von einem Patienten gefragt, ob es für sein Problem nicht eine unterstützende App gibt. Oder eine Patientin hat bereits etwas auf ihrem Smartphone installiert und fragt, was Sie davon halten. Vielleicht will auch jemand wissen, wie verlässlich die Blutdruckmessung mit der neuesten Fitnessuhr ist. Das Apothekenpersonal sollte auf solche Fragen vorbereitet sein und sich daher einmal grundsätzlich mit Gesundheits-Apps auseinandersetzen.

In den App-Stores lassen sich unter dem Stichwort Gesundheit Tausende von digitalen Anwendungen finden – aber welche sind wirklich hilfreich und vertrauenswürdig? Und was sind überhaupt Gesundheits-Apps? Damit hat sich Apotheker Dr. Ralf Goebel, Gründer und Leiter der PharmaSat-Akademie Berlin, beschäftigt und hält zu diesem Thema Online-Seminare für Apotheken. »Mehr als 350.000 Gesundheits-, Fitness- und Medizin-Apps waren im Juni 2020 in den beiden größten App-Stores zu finden. Trotz der schwindelerregenden Anzahl sind die Such- und Filterfunktionen hier jedoch mehr als dürftig«, so Goebel. Da könne die Suche nach einer geeigneten Kopfschmerz-App auch schon mal Kopfschmerzen bereiten.

Könnte eine App dem Patienten helfen?

»Grundsätzlich sollte man überlegen, ob beim Patienten Bedarf für eine unterstützende App vorliegt, welche für sein Beschwerdebild infrage kommen könnte und ob der Patient damit klarkommen wird«, so Goebel. Manche Apps könnten auch die Beratung und Betreuung in der Apotheke unterstützen, zum Beispiel solche für Medikationspläne oder zur Überprüfung der regelmäßigen Arzneimittelanwendung, Schulungsvideos, aber auch Datenbanken und Fachliteratur.

»Ob Fitness- oder Medizin-Apps – sie sollten einen echten Zusatznutzen bieten«, betont der Experte. Zudem solle man ein Auge auf die Kosten (Abos, In-App-Käufe), Werbung und den Datenschutz haben. Besondere Aufmerksamkeit verdienen daher vor jeder Installation die App-Zugriffsberechtigungen (Kamera, Kontakte, Standort, Mikrofon und andere). Als Faustregel sollte man im Hinterkopf halten: Was kein Geld kostet, bezahlen Nutzer in der Regel mit ihren Daten.

App ist das Kurzwort für Application Software (Anwendungs-Software). Allgemein können native Apps für spezielle Betriebssysteme (IOS, Android, Windows) und plattformunabhängige Apps, zum Beispiel Web-Apps zur optimierten Darstellung und Nutzung auf mobilen Endgeräten, unterschieden werden. Mobile Web-Apps werden über Internetbrowser der Endgeräte abgerufen, weshalb keine Installation erforderlich ist.

Als progressive Web-Apps (PWA) werden Websites bezeichnet, die funktionell eine Symbiose aus einer App und einer responsiven Website darstellen. Die offizielle Patienten-App des Deutschen Apothekerverbands (»Rezeptmanager«) ist ein Beispiel für eine progressive Web-App, bei der eine Installation entbehrlich ist. Moderne Websites sind »responsiv« programmiert, das heißt, sie passen sich in ihrer Darstellung dem Endgerät an, zum Beispiel Smartphone, Laptop oder Computerbildschirm. Bei Webanwendungen sind keine Downloads und Installationen nötig; dafür funktionieren sie nur online, während viele Mobile-App-Inhalte nach Download auch offline genutzt werden können. Das sollte ein Nutzer wissen, falls er zum Beispiel nur ein geringes Datenvolumen oder gar keine Internetverbindung unterwegs hat.

»Gesundheits-Apps sind solche, die für die Gesundheit, zu Wellnesszwecken, aber auch im Bereich Medizin eingesetzt werden sollen«, heißt es in der CHARISMHA-Studie (Chancen und Risiken von Gesundheits-Apps) der Medizinischen Hochschule Hannover und dem Peter L. Reichertz-Institut für Medizinische Informatik aus dem Jahr 2016, gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit (1). »Sie können zur Prävention oder zur Linderung von Krankheiten wie auch zur Versorgung mit medizinischen, pflegerischen oder sonstigen Leistungen eingesetzt werden. Ebenso können sie Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheit (Gesundheitsförderung) unterstützen« – ein sehr weites Feld also.

Gesunderhaltung oder Therapieunterstützung

»Man kann Gesundheits-Apps nach Zweck und Anwender in Apps zur Prävention und Medizin-Apps gruppieren, wobei diese Einteilung praktisch und terminologisch nicht offiziell oder schon gar nicht international harmonisiert ist«, erläutert Goebel (Tabelle 1). »Eine Medizin-App wird zur Krankheitsbewältigung (für Patienten oder Angehörige) oder als Therapiehilfe (für Heilberufler) eingesetzt – den Unterschied und einige Beispiele sollten wir in der Apotheke kennen.«

Kriterien Präventions-App Medizin-App
Ziel, Zweck Gesundheitsförderung, Aufklärung, Vorsorge, Wellness, Fitness Patienten: Krankheitsbewältigung, Reha
Ärzte: Therapie, Diagnose, Monitoring
Apotheker: Arzneimitteltherapiesicherheit
Inhalte, Funktionen gesundheitsbezogene Angaben medizinische Inhalte, gesundheitsbezogene Angaben (Patienten)
Anwender, Zielgruppe gesunde Menschen Patienten, Angehörige, Pflegende
Heilberufler: Ärzte, Apotheker, Psychotherapeuten und andere
Tabelle 1: Mögliche Kriterien zur Einteilung von Gesundheits-Apps (nach Goebel)

Viele Medizin-Apps sind als Medizinprodukt eingestuft, was einen ersten Anhaltspunkt bietet. Medizinprodukte bringen die Hersteller in der Regel eigenverantwortlich auf den Markt; überwacht wird dies von den zuständigen Landesbehörden. Diese sind unter anderem über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten zu finden (2). Es gilt das Medizinprodukterecht.

Die Zuordnung eines Produkts zu den Medizinprodukten (auch als Abgrenzung zu anderen Produkten) legt der Hersteller mit der Zweckbestimmung fest, erläutert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf seiner Website (3). Maßgeblich für eine behördliche Abgrenzungsentscheidung ist nicht allein die explizit beschriebene Zweckbestimmung, sondern es sind auch die Gebrauchsinformationen und Werbematerialien, zum Beispiel Website und App-Store-Information, zum spezifischen Produkt.

Vom BfArM geprüft: DiGA

Gesundheits-Apps mit Medizinprodukte-Status (Risikoklasse I oder IIa), die von einer Bundesoberbehörde geprüft und veröffentlicht werden, werden als digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) bezeichnet. Sie haben eine erfolgreiche fachliche Begutachtung gemäß § 139e SGB V durch das BfArM durchlaufen (Tabelle 2).

Prüfkriterien Parameter
Produkteigenschaften Funktionalität, Qualität, Benutzerfreundlichkeit, Interoperabilität
Sicherheit Datenschutz, Informationssicherheit
positive Versorgungseffekte (patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserungen) Adhärenz, Gesundheitskompetenz, Patientensouveränität, Bewältigung krankheitsbedingter Schwierigkeiten im Alltag
Anzeigepflichten des Herstellers Zertifizierung als Medizinprodukt mit niedrigem Risiko
Tabelle 2: Was prüft das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bei den DiGA?

Auf der BfArM-Website finden sich nicht nur ein Leitfaden und FAQ zum Thema DiGA, sondern vor allem auch ein Verzeichnis aller derjenigen DiGA, die das Prüfverfahren erfolgreich durchlaufen haben (4).

Das Besondere: Ärzte und Psychotherapeuten können DiGA seit Oktober 2020 ihren Patienten zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnen (5) – wie bei Medikamenten mit einer Pharmazentralnummer auf einem Muster-16-Rezept (Kasten). Als E-Rezept sollen sie laut Digitale-Versorgung-und Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) erst 2023 kommen (6). Außerdem kann sich ein Patient mit entsprechender ärztlicher Diagnose eine passende DiGA auch selbst aussuchen und einen Antrag an seine Krankenkasse senden. Diese muss in beiden Fällen den Versichertenstatus und den Leistungsanspruch bestätigen und generiert einen Freischalt-Code für den Patienten, mit dem dieser dann die DiGA aktivieren kann. DiGA gibt es sowohl als native App für verschiedene Betriebssysteme als auch als plattformunabhängige Webanwendung.

Derzeit 28 DiGA erstattungsfähig

Das BfArM hat derzeit insgesamt 28 DiGA in seinem Verzeichnis veröffentlicht (Stand 3.1.2022). Davon sind acht bereits dauerhaft aufgenommen, die anderen 20 erst vorläufig. Die vorläufige Aufnahme erfolgt nach einem Fast-Track-Bewertungsverfahren, das nur drei Monate dauert. In der folgenden zwölfmonatigen Erprobungsphase wird geprüft, ob es positive Versorgungseffekte gibt, und die Anwendung evaluiert. Dann wird die DiGA entweder dauerhaft ins Verzeichnis aufgenommen oder daraus gestrichen. Anfang Januar 2022 waren nach Angaben des BfArM 26 weitere Anträge in Bearbeitung, sodass die Anzahl der DiGA weiter zunehmen wird.

Im Gegensatz zu den App-Stores lässt sich im DiGA-Verzeichnis des BfArM über verschiedene Filter suchen. Zum Beispiel kann man einen Bereich oder eine Indikation wie Psyche, Herz und Kreislauf oder Krebs angeben, die Altersgruppe einschränken und nach der Plattform suchen, also ob die DiGA über den Apple- oder Google-Play-Store oder als Webanwendung verfügbar ist.

Am stärksten vertreten sind derzeit DiGA für psychische Erkrankungen, zum Beispiel »Deprexis« zur unterstützenden Behandlung von Depressionen, »HelloBetter Stress und Burnout« oder »Invirto – Die Therapie gegen Angst« bei Agoraphobien, sozialen Phobien oder Panikstörungen. Mit »Somnio« ist auch eine App gegen nichtorganische Schlafstörungen dabei. Zudem gibt es bereits jeweils eine DiGA bei schädlichem Alkoholkonsum oder Abhängigkeit (»Vorvida«) und bei Tabak-Abhängigkeit (»NichtraucherHelden-App«).

Auch andere große Indikationsgebiete sind vertreten, zum Beispiel Adipositas (»Zanadio«, »Oviva«), Diabetes (»Esysta«), Schlaganfall (»Rehappy«), Rücken-, Knie- und Hüftschmerzen (»Vivira«), Migräne (»M-sense Migräne«), Tinnitus (»Kalmeda«), multiple Sklerose (»Elevida«), Brustkrebs (»Cankado Pro-React Onco«) sowie neuerdings auch Reizdarm (»Cara Care«) und Impotenz organischen Ursprungs (»Kranus Edera«).

Sowohl für Patienten als auch Fachkreise wird erklärt, wofür die App ist, welche Features sie bietet, wie lang der Patient sie nutzen soll und wieviel sie kostet. Die DiGA sind zudem im ABDA-Artikelstamm gelistet und beispielsweise über ihren Namen, die PZN oder die Darreichungsform »DIG« mit weiteren Informationen zu finden.

Von der Tagebuchfunktion bis zur Psychotherapie

Das Spektrum reicht bei den DiGA von einem reinen automatischen Datenimport von Blutzuckerwerten und deren Auswertung mit Feedback-Funktion bei einer Diabetes-App bis zu mehrmonatigen Online-Kursen mit Texten, Audio- und Videoclips plus Überwachung durch einen Psychologen, der bei Bedarf über eine Nachrichtenfunktion erreichbar ist.

Eine Option für Selbstzahler sind DiGA in der Regel eher nicht. Die Kosten sind vielfach höher als bei herkömmlichen Apps: laut BfArM-Verzeichnis von knapp 250 Euro bis zu 720 Euro für eine 90-tägige Nutzung, je nach Umfang des Angebots. Wie bei Arzneimitteln verhandeln die Anbieter und der GKV-Spitzenverband den Erstattungspreis.

»Das Spektrum der digitalen Angebote wird sich definitiv erweitern«, kündigte BfArM-Chef Professor Dr. Karl Broich im November im »E-Health-Monitor 2021« an (7). Dabei solle es dann mehr DiGA mit präventivem Charakter geben. »Die DiGA sind ein Erfolg«, so Broichs Fazit nach dem ersten Jahr – auch wenn neun Angebote in App-Format laut E-Health-Monitor bis zum 31. Juli 2021 noch nicht einmal 200.000-mal runtergeladen wurden.

»Im ersten Jahr verlief die Verordnung der DiGA eher schleppend«, bestätigt Goebel. Die elf allgemeine Ortskrankenkassen (AOK) haben circa 10.200 Anträge auf DiGA-Erstattung erhalten (8) – bei rund 27 Millionen Versicherten. Die Ersatzkassen haben mehr als 24.000 Zugangscodes ausgestellt – bei 28 Millionen Versicherten. Der BKK-Dachverband spricht mit Bezug auf den ersten DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbands vom 31. Dezember 2021 von 39.000 DiGA-Nutzern insgesamt (9). Spitzenreiter seien »Kalmeda« (Tinnitus), »Vivira« (Hüft-, Knie- und Rückenschmerzen) und »Zanadio« (Gewichtsreduktion) gewesen.

Einer aktuellen Umfrage der Stiftung Gesundheit im Auftrag der »Apotheken-Umschau« zufolge hat eine Mehrheit von 569 befragten Ärzte und Psychotherapeuten noch nie eine App empfohlen (71 Prozent) oder verordnet (86 Prozent), doch zwei Drittel stufen sie – gezielt eingesetzt – als überaus hilfreich ein. 59 Prozent würden sie auf Patientenwunsch mit Augenmaß verschreiben (10).

»In der Apotheke könnten Sie einzelne Patienten darauf hinweisen, dass es neben Arzneimitteln auch erstattungsfähige DiGA zur Therapieunterstützung gibt«, meint Goebel. Natürlich muss der Patient immer über die Grenzen einer DiGA aufgeklärt werden, denn diese ersetzt keine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung oder notwendige Arzneimitteltherapie.

Fachgesellschaften geben Orientierung

Und was ist mit den vielen anderen Apps, die nicht als DiGA vom BfArM bewertet wurden? »Wenn es um bestimmte Erkrankungen geht, kann man sich – sofern vorhanden – an den Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften orientieren«, rät der Apotheker. Beispielsweise zertifizierte die Hochdruckliga (DHL) im Mai 2020 erstmals eine Blutdruck-App (»Manoa«), die Hypertoniker bei der Blutdruckkontrolle und einem gesunden Lebensstil unterstützen soll (11).

»Wir arbeiten nach neuestem medizinischen Wissensstand, unabhängig und objektiv«, versicherte der DHL-Vorsitzende Professor Dr. Ulrich Wenzel in einer Pressemitteilung. Die DHL betont, dass nur solche Apps das Prüfsiegel »Digitale Gesundheitshelfer« erhalten, die von der Liga (sowohl von Experten als auch Patienten) »eingehend und streng bezüglich Sicherheit, Leitlinienkonformität, Nutzerfreundlichkeit, Datenschutz und Transparenz geprüft wurden«. Zudem würden Neutralität und Fachlichkeit, Ausgewogenheit, Aktualität sowie Fehlerkultur des Anbieters, Vollständigkeit der Angaben und Transparenz im Hinblick auf die Finanzierung beurteilt und bewertet.

»Manoa« beispielsweise wurde mit Ärzten der Medizinischen Hochschule Hannover entwickelt und ist als Medizinprodukt der Klasse 1 eingestuft (12). Anbieter ist Pathmate Technologies, ein Spin-Off von zwei Schweizer Universitäten, das von Innosuisse, der schweizerischen Agentur für Innovationsförderung, gefördert wird. Solche Angaben können für eine erste Einschätzung der App herangezogen werden.

Hilfreich bei Diabetes, Asthma und COPD

Ein weiteres Beispiel für eine fachliche Bewertung ist das DiaDigital-Siegel (13), das seit 2017 für Apps zum Diabetes-Management vergeben wird, und zwar gemeinsam von der Deutschen Diabetes-Hilfe, der Deutschen Diabetes-Gesellschaft und weiteren Diabetes-Verbänden. Derzeit listen sie drei digitale Diabetes-Tagebücher auf sowie eine App, die an die regelmäßige Blutzuckermessung erinnert. Die DiaDigital-Zertifizierung ist befristet und bei einigen Apps bereits abgelaufen.

Analog gibt es seit Februar 2021 das PneumoDigital-Siegel (14), das die Deutsche Atemwegsliga, die Patientenliga Atemwegserkrankungen, Alpha 1 (eine Gesellschaft für Alpha-1-Antitrypsin-Mangel-Erkrankte) und das Zentrum für Telematik und Telemedizin (ZTG) in Bochum vergeben. Die technische Überprüfung übernimmt das ZTG, dann bewerten Fachärzte und Patienten die Apps.

Derzeit tragen elf Apps das PneumoDigital-Siegel, darunter Trainings-Apps für Menschen mit COPD oder Asthma, Informationsportale, Apps zur Asthmakontrolle in Form von Tagebüchern (zum Teil mit Medikationsplan und Leitlinienwissen) und sogar eine App zur Inhalationskontrolle, mit der sich die Anwendung von Dosieraerosolen überprüfen lässt.

»Die Prüfung der Siegel-Echtheit und Aktualität der Zertifizierung sollten generell zum Medizin-App-Check gehören«, rät Goebel seinen Kollegen (Kasten). Dazu kann man auf der Website des Siegel-Ausstellers nachsehen, ob die angeblich zertifizierte App dort tatsächlich gelistet ist. Alle Apps mit DiaDigital- oder PneumoDigital-Siegel finden sich auch auf der Seite www.appcheck.de vom Zentrum für Telematik und Telemedizin. Hier gibt es zudem Neuigkeiten rund um Gesundheits-Apps. Das ZTG versteht sich als herstellerunabhängig und wird von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gefördert.

Stiftung Warentest, HealthOn und Digimeda

Weitere Informationsquellen sind die Stiftung Warentest, Digimeda, HealthOn sowie das KV App Radar. Die Stiftung Warentest bewertet nicht nur regelmäßig Fitnesstracker und Smartwatches (zuletzt im November 2021; 15), sondern hat sich bereits mit Online-Therapien bei Depressionen (Juni 2019; 16) und Apps bei Angststörungen (Oktober 2021; 17) sowie Apps zur Medikamenten-Einnahme (Februar 2021, 18) befasst.

Das Portal HealthOn ist nach eigenen Angaben die größte Informations-, Bewertungs- und Qualitätsplattform in Deutschland für Gesundheits-Apps und alles, was darunterfällt (19). Es besteht bereits seit 2011. Gründerin und Chefredakteurin ist Apothekerin Dr. Ursula Kramer. HealthOn erstellt unter anderem Testberichte und Marktanalysen für Gesundheits-Apps, vergibt das Siegel »Ehrenkodex« nach Prüfung von sieben Kriterien und berät Entwickler von Gesundheits-Apps. Die Datenbank enthält derzeit mehr als 1200 getestete Apps.

Eine weitere Datenbank für digitale Medizin ist Digimeda (20). Cave: Das Portal verwendet den Begriff DiGA umfassender als das BfArM, und zwar für alle möglichen »Apps, Websites, Chatbots, Skills für digitale Sprachassistenten (wie Alexa, Google Home etc.), Computerprogramme oder mit einer App verknüpfte Geräte, die für die Nutzung durch Patienten und/oder Angehörige vorgesehen sind«. Digimeda listet digitale Anwendungen auf, die der Vorsorge, Diagnose, Behandlung oder dem Management konkreter Krankheiten dienen, nicht aber allgemeine Gesundheits-Apps mit Wellness-Charakter wie Schrittzähler, Kalorienrechner oder Sport. Finanziert wird das Portal von der Spirit Link GmbH, einer »Agentur für HealthCare-Marketingkommunikation«.

Als Heilberufler Apps selbst bewerten

Orientierung für Ärzte und Psychotherapeuten bietet seit gut einem Jahr das »KV App Radar« (21), bereitgestellt vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI). Hier können Ärzte und Psychotherapeuten (nur nach Registrierung als KV-Mitglied) Gesundheits-Apps selbst bewerten. Das gemeinnützige Angebot listet bereits 3700 Apps auf, die sich fachspezifisch anzeigen lassen. Wissenschaftliche Gutachten, zum Beispiel für häufig genutzte Apps, und Informationen für Patienten sind laut Website in Planung. Die Hausärzte planen laut Goebel ebenfalls ein App-Bewertungsportal, ebenso die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).

»Wir sollten uns als Apotheker ein eigenes Bild von Gesundheits-Apps machen können, die wir in Apotheken nutzen und ausgewählten Patienten empfehlen«, meint Goebel. So gebe es mittlerweile Checklisten und Hilfsmittel, um Patienten-Apps schnell zu bewerten, zum Beispiel vom Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS; 22), dem Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (Afgis; 23) oder von Krankenkassen wie der TK (24). Kriterienkataloge zum Gesundheits-App-Check bieten auch HealthOn (»Ehrenkodex«; 25) und Digimeda (»Qualität von Apps« 26).

Ausführliche Informationen für Nutzer von Gesundheits-Apps gibt auch Kapitel 13 der eingangs zitierten CHARISMHA-Studie (27). Im besten Fall macht sich das Apothekenteam gemeinsam Gedanken, welche Kriterien es besonders wichtig findet, und erstellt eine eigene Checkliste als QMS-Dokument.

»Es gibt eine rasante Zunahme bei den Gesundheits-Apps, auch bei krankheitsspezifischen Apps«, fasst Goebel zusammen. »Die Potenziale von Apps zu kennen und individuell dazu zu beraten, sollten Apotheker nicht allein den anderen Gesundheitsberufen und Krankenkassen überlassen. Die Apotheke als vertrauenswürdigen Ort der Beratung in allen Gesundheitsfragen wie auch zu digitalen Gesundheitsanwendungen weiterzuentwickeln, ist ein tragfähiger Zukunftsbaustein für die Apotheke vor Ort«, ist der Apotheker überzeugt. »Pharmazeutisch und digital kompetent – setzen Sie auf diese Kombination im Apothekenteam!«

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