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Digitale Betreuung

Ein »Game Changer« für die Adhärenz?

Eine digitale Betreuung kann die Therapieadhärenz junger und alter Patienten verbessern – davon ist die Professorin Dr. Stephanie Läer überzeugt, wie sie beim Fortbildungskongress Pharmacon deutlich machte. Doch wie steht es um die Evidenz?
Carolin Lang
16.01.2023  16:30 Uhr
Ein »Game Changer« für die Adhärenz?

Besonders bei chronischen Erkrankungen ist mangelnde Therapieadhärenz ein großes Problem, betonte Läer vom Institut für Klinische Pharmazie und Pharmakotherapie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf am gestrigen Sonntag in Schladming. Von der ärztlichen Untersuchung und der Einlösung des Rezepts in der Apotheke vergingen je nach Erkrankung typischerweise einige Wochen oder Monate, bis der Patient erneut in der Praxis oder Apotheke vorstellig werde, schilderte die Ärztin und Apothekerin. In diesem Zeitraum sei der Patient auf sich allein gestellt und man könne nur hoffen, dass er adhärent sei. »Aber das klappt nicht wirklich«, sagte sie.

Mobile, digitale Technologien sieht sie hier als »riesige Chance«, die Therapietreue zu steigern – etwa durch Erinnerungen an die Medikamenteneinnahme oder die Selbstkontrolle von Krankheitssymptomen. »Ist das nicht ein völlig logisches Prinzip, um die Adhärenz zu verbessern? – Ich denke ja!«, postulierte sie. Doch was sagt die Evidenzlage?

Ein Blick in die Studien

Besonders Kinder und Jugendliche haben eine hohe Affinität zu digitalen Anwendungen. Doch sei die Evidenz zu Therapiefortschritten durch digitale Anwendungen gerade hier dünn, referierte Läer. Entsprechende Studien hätten häufig kleine Populationen und es fehle an einer Kontrollgruppe.

Eine kleine, aber randomisierte und kontrollierte Studie an 39 Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stellte Läer vor (DOI: 10.1016/S0924-977X(17)31929-6). Die Kinder der Interventionsgruppe sowie deren Eltern wurden über acht Wochen täglich per Smartphone-App an die Arzneimitteleinnahme erinnert und sie beantworteten gemeinsam einmal pro Woche Fragen zum Verhalten der Kinder. Die Kontrollgruppe wurde standardmäßig therapiert. Im Vergleich zur Kontrolle habe die digitale Betreuung die Tabletteneinnahme steigern und den ärztlich ermittelten Verhaltens-Score signifikant verbessern können, fasste Läer die Ergebnisse zusammen.

In einer zweiten Studie (DOI: 10.1111/ajt.14138), die Läer vorstellte, wurden 46 Erwachsene nach einer Nierentransplantation über ein Jahr beobachtet. Die Interventionsgruppe wurde durch ein telemedizinisches Betreuungsteam begleitet, die Kontrollgruppe nicht. Das telemedizinische Betreuungsteam ließ sich täglich vom Patienten über die Tabletteneinnahme und den Gesundheitszustand informieren. Die Patienten konnten das Team zudem jederzeit kontaktieren. »Das führte dazu, dass die Einnahmetreue unter der Telemedizin doppelt so hoch und die Anzahl der ungeplanten Krankenhauseinweisungen nur halb so hoch waren wie in der digital nicht betreuten Gruppe«, schilderte Läer. Trotz der kleinen Studienpopulation seien diese Ergebnisse »sehr beeindruckend«.

Eine dritte Studie (DOI: 10.3390/ijerph16071226) schloss 54 Erwachsene mit unkontrolliertem Bluthochdruck ein. Die Interventionsgruppe nutzte einer Smartphone-App, die an ein Blutdruck-Messgerät gekoppelt war und den Patienten an die Medikamenteneinnahme erinnerte. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die die App nicht nutzte, sank der systolische Blutdruck in der Interventionsgruppe signifikant.

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