Was Apotheker dazu wissen sollten |
Invasive Mykosen sind lebensbedrohliche Infektionen, die überwiegend schwer kranke und immunsupprimierte Menschen betreffen. / Foto: Getty Images/Luis Alvarez
Invasive Mykosen sind durch Pilze verursachte Infektionen der inneren Organe sowie Blutstrominfektionen bis hin zur Sepsis (1). Sie betreffen fast ausschließlich immundefiziente Patienten und treten bedeutend seltener auf als topische Mykosen wie Fuß- und Nagelpilz. In den letzten Jahrzehnten sind jedoch steigende Inzidenzen zu verzeichnen (1, 2). So erkranken aktuellen Schätzungen zufolge pro Jahr weltweit etwa 4,7 Millionen Menschen an invasiven Pilzinfektionen, die zu mehr als 2,3 Millionen Todesfällen führen (3). Invasive Mykosen verzögern zudem medizinisch notwendige Behandlungen, zum Beispiel Chemotherapien, verlängern Krankenhausaufenthalte und verursachen erhebliche Kosten im Gesundheitswesen (4, 5, 6).
In den medialen Fokus gerieten invasive Mykosen während der COVID-19-Pandemie, als pulmonale Aspergillosen und Mucormykosen (»schwarzer Schimmel«) gehäuft als Sekundärinfektionen bei invasiv beatmeten Patienten auftraten (7, 8). 2022 veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erstmalig ein Strategiepapier, in dem auf die globale Bedrohung durch zunehmende Antimykotika-Resistenzen hingewiesen und der rationale optimierte Einsatz vorhandener Wirkstoffklassen gefordert wurde (9).
Dass Krankenhausapotheker durch intensivierte Beratung nicht nur den Antimykotika-Einsatz selbst, sondern auch die Diagnostik invasiver Mykosen verbessern können, ist durch Studien belegt (10). Da die Behandlung häufig eine langfristige Einnahme von Antimykotika erfordert, haben auch Offizinapotheker Kontakt zu Patienten und können durch ihre Beratung entscheidend zu einer sicheren und wirksamen Therapie beitragen.
In Deutschland stellen Schätzungen zufolge Candidiasis, Aspergillosen und Pneumozystosen die häufigsten invasiven Mykosen dar. So sind pro Jahr etwa 2000 bis 12.000 Candida-Infektionen und 1000 bis 5000 Aspergillus-Infektionen zu verzeichnen (11, 12). Mucormykosen, Kryptokokkosen und Histoplasmosen treten seltener auf.
Gemein ist invasiven Mykosen eine hohe Mortalität von rund 35 bis 85 Prozent (2, 3). Hinsichtlich Übertragung, betroffener Organsysteme und Symptome unterscheiden sich die Mykosen hingegen teilweise grundlegend (Tabelle 1). So erfolgen beispielsweise Aspergillus- und Pneumocystis-Infektionen exogen durch die Inhalation von Sporen, während Candida-Infektionen in der Regel endogen aus einer Kolonisation der Schleimhäute entstehen, seltener auch exogen durch infiziertes Fremdmaterial (11, 13, 14).
Erreger | Übertragung | Klinisches Bild | Diagnostik |
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Invasive Candidiasis | |||
Candida albicansNon-albicans-Arten:C. glabrata, C. auris, C. parapsilosis und weitere | primär endogen durch Translokation des Erregers, ausgehend von Kolonisation der Haut oder Schleimhäuteexogen durch infiziertes Fremdmaterial, zum Beispiel zentralvenöse Katheter, Prothesen | Blutstrominfektion (Candidämie)hämatogene Streuung und Beteiligung verschiedener Organe möglich, darunter Augen, Leber, Niere, Milz, Gelenke, KnochenSymptome: Fieber, Leberdruckschmerz bei hepatolienaler Candidiasis | (Blut-)Kultur als Standardserologischer Nachweis: beta-D-Glukan, Mannan-Antigen/Antikörperbei Verdacht auf Organbeteiligung: Sonografie, CT, MRT |
Invasive Aspergillose | |||
Aspergillus fumigatusseltener:A. flavus, A. nidulans, A. terreus und weitere | exogen, primär durch Inhalation von Sporen | primär pulmonale Aspergillose oder Aspergillose der NNHhämatogene Streuung und Beteiligung verschiedener Organe möglich, darunter ZNS, Leber, Niere, Haut, DarmSymptome: Fieber, Brustschmerz, Dyspnoe, Husten, Hämoptysen | Bildgebung als Standard: HR-CTserologischer Nachweis: beta-D-Glukan, Galactomannanmolekularer Nachweis: PCRmikroskopischer und kultureller Nachweis, zum Beispiel aus Lungenbiopsat |
Pneumozystose | |||
Pneumocystis jirovecii | exogen durch Inhalation von Erregern | fast ausschließlich pulmonale Infektionextrapulmonale Manifestation höchst selten, darunter Leber, Lymphknoten, Milz pulmonale InfektionSymptome: nicht produktiver Husten, Dyspnoe, niedrig-/mittelgradiges Fieber, Tachypnoe | Standard: PCR und mikroskopischer Nachweis aus Material der unteren Atemwegeserologischer Nachweis: beta-D-GlukanBildgebung: Röntgen, CTkultureller Nachweis nicht etabliert |
CT: Computertomografie (HR-CT: hochauflösendes CT); MRT: Magnetresonanztomografie; NNH: Nasennebenhöhlen; PCR: Polymerase-Kettenreaktion
Eine Sonderstellung nimmt Candida auris ein. Dieser Erreger wird per Schmierinfektion effizienter von Mensch zu Mensch übertragen als andere Candida-Arten und hat hierdurch inzwischen auch in Deutschland zu größeren nosokomialen Ausbrüchen geführt (13, 15). Candida auris ist zudem in der Lage, zahlreiche Antimykotika-Resistenzen zu entwickeln und wird daher – wie auch Aspergillus fumigatus aufgrund zunehmender Resistenzen gegenüber Azolantimykotika – von der WHO als besonders kritisch für die öffentliche Gesundheit eingestuft (9).
Die Diagnostik invasiver Mykosen ist komplex und stützt sich auf den Erregernachweis mittels kultureller Anzucht, mikroskopischer, serologischer und molekularer Methoden sowie auf klinische und radiologische Untersuchungen (Tabelle 1) (11). Bei serologischen Tests auf die Zellwandbestandteile beta-D-Glukan (BDG) und Galactomannan (GM, »Aspergillus-Antigen«, Nachweis zum Beispiel auch aus bronchoalveolärer Lavage), muss die Medikation des Patienten als potenzieller Störfaktor berücksichtigt werden. So können Immunglobuline und Humanalbumin zu erhöhten BDG-Werten und verschiedene Antibiotika, unter anderem Piperacillin/Tazobactam und Amoxicillin/Clavulansäure, zu erhöhten GM-Werten führen (14, 16, 17).