Experten warnen vor resistenten Pilzerregern |
Laura Rudolph |
17.01.2023 18:00 Uhr |
Der behüllte Hefepilz Cryptococcus neoformans ist in Deutschland sehr selten. Dies erhöht allerdings die Gefahr, dass eine Infektion nicht diagnostiziert und nicht behandelt wird. / Foto: Adobe Stock/catalin
»Wir werden die Vernachlässigung der Pilze noch bitter bereuen«, warnt Professor Dr. Oliver Cornely von der Uniklinik Köln im Gespräch mit der PZ. Man beobachte bei diversen Pilzen, dass sich Resistenzen ausbreiten. Der Hefepilz Candida auris habe beispielsweise bereits zu etlichen großen Ausbrüchen in Krankenhäusern in Europa geführt.
Die genaue Verteilung der Erreger und Resistenzen in Deutschland sei unbekannt. Trotzdem werde die Forschung zu Mykosen hierzulande kaum gefördert – ein Fehler, wie Cornely findet: »Die Fehler sind die gleichen wie seinerzeit bei den bakteriellen Infektionen. Politik, Wissenschaft und Ärzteschaft haben daraus wohl viel gelernt, aber leider nicht die Fähigkeit, das Gelernte auf die offensichtliche Gefahr durch die Pilze anzuwenden.« Cornely, der das Europäische Exzellenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen der Uniklinik Köln leitet, und sein Team bekämen bereits heute durchschnittlich zwei Anfragen pro Tag von Ärzten, die schwerste Infektionen berichteten und Hilfe für ihre Patienten suchten.
Von einer invasiven Mykose spricht man, wenn sich die Erreger über Blut oder Lymphe im ganzen Körper verteilen. Anfällig sind vor allem Menschen mit geschwächter oder fehlender Immunantwort. Beispielsweise erleide etwa ein Viertel der Patienten mit akuten Leukämien eine invasive Mykose, berichtet Cornely. In der Infektiologie Köln habe man deshalb bereits 2006 mit der prophylaktischen Einnahme von oralem Posaconazol ein lebensrettendes Konzept entwickelt, das inzwischen weltweit Anwendung finde.
Zu den häufigsten Erregern systemischer Pilzinfektionen zählen hierzulande Candida-Arten wie Candida albicans, die zur normalen Flora des Körpers gehören. Bei immunsupprimierten Patienten kann sich die Infektion als invasive Candidiasis manifestieren. Über die Blutbahn kann Candida Organe wie Leber, Niere oder Milz erreichen und befallen. Ebenso zähle die Schimmelpilz-Art Aspergillus fumigatus zu den häufigsten Erregern systemischer Mykosen, so Cornely. Eine invasive Aspergillose könne sich etwa als akute oder chronische Pneumonie äußern.
Als große globale Gesundheitsbedrohung stuft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die zunehmenden invasiven Pilzinfektionen und Antimykotika-Resistenzen ein. Das wird deutlich in ihrem Bericht »WHO fungal priority pathogens list to guide research, development and public health action«, den die WHO Ende Oktober 2022 veröffentlichte. Die Publikation soll Politiker und Forscher auf den ungedeckten, aber dringend benötigten Forschungsbedarf aufmerksam machen.
Um aufzuzeigen, an welchen Pilzerregern vorrangig geforscht werden sollte, hat die WHO diese in drei Prioritätsgruppen eingeordnet (Tabelle). Sie konzentrierte sich dabei auf Erreger invasiver Mykosen mit Antimykotika-Resistenzen oder anderen Komplikationen bei der Behandlung. Als besonders kritisch schätzt sie neben Candida albicans und Aspergillus fumigatus auch Cryptococcus neoformans und Candida auris ein.
Kritisch | Hoch | Mittel |
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Cryptococcus neoformansAspergillus fumigatusCandida aurisCandida albicans | Nakaseomyces glabrata (Candida glabrata)Erreger, die ein Myzetom verursachen (Eumycetoma causative agents)Furarium spp.*Candida parapsilosisHistoplasma spp.*Mucorales Candida tropicalis | Scedosporium spp.*Lomentospora prolificansCoccidioides spp.*Pichia kudriavzeveii (Candida krusei)Cryptococcus gattiiTalaromyces marneffeiPneumocystis jiroveciiParacoccidoides spp.* |